Rot-weiß-roter Kasino-Parlamentarismus
- 21.06.2019
- Lesezeit ca. 3 min
Vor Wahlen werden nicht nur teure Mehrausgaben beschlossen. Sondern auch Unternehmer vor dem Wettbewerb geschützt.
In Österreich ist derzeit viel über den „erstarkten Parlamentarismus“ zu hören. Darüber, wie Abgeordnete endlich ungehindert zum Wohle des Volkes agieren können. Das klingt erfreulich, aber nur solange man nicht genauer hinschaut. Denn im „freien Spiel der Kräfte“ spielt Geld keine Rolle mehr, schon im Vorfeld vergangener Nationalratswahlen wurden in einer Art Kasino-Parlamentarismus Milliarden an neuen Staatsausgaben beschlossen. Nicht um der Bevölkerung zu geben, was ihr zusteht, sondern um die Chancen der Abgeordneten auf den Wiedereinzug ins heimische Parlament zu erhöhen.
Der anrollende Wahlkampf lässt Schlimmes befürchten, zumal die Staatskassen aufgrund sprudelnder Steuereinnahmen randvoll sind. Geld, das ausgegeben werden will. Höhere Pensionen, mehr Pflegegeld, das Recht auf den Papamonat, die Entgeltfortzahlung für freiwillige Helfer und die volle Anrechnung von Karenzzeiten auf die Pension sind nur die Vorboten für das, was noch kommen wird. Dabei werden Vorwahlzeiten nicht nur für Mehrausgaben genutzt, sondern auch für das gezielte Lobbying einiger weniger zulasten vieler. So werden ÖVP, SPÖ und FPÖ auf Druck der Wirtschaftskammer „Einheitspreise“ für die Beförderung von Personen verabschieden. Damit kann der US-Fahrdienstleister Uber nicht mehr billiger durch die Hauptstadt fahren als traditionelle Taxis.
Die Verbraucher sind die Verlierer, sie werden höhere Preise bezahlen. Und vielen Bürgern wird wohl auch eine ordnungspolitische Frage durch den Kopf gehen: Wenn schon die Preise für Taxifahrten vereinheitlicht werden, warum dann nicht auch für den Liter Milch, damit die Bergbauern besser vor den großen Landwirtschaften geschützt werden? Oder für das Wiener Schnitzel, damit dem Gasthaus ums Eck geholfen wird? Und wie wäre es mit Einheitspreisen für den Urlaub, damit die kleinen Anbieter besser über die Runden kommen? Nun kann man die in Vorwahlzeiten getroffenen Beschlüsse für richtig und notwendig halten. Aber es ist nicht verantwortungsbewusst, vor den Wahlen bei guter Konjunktur zur Absicherung der eigenen politischen Karriere Mehrausgaben zu beschließen, deren Kosten nach geschlagenen Wahlen auch bei schlechter Wirtschaftslage von der Bevölkerung zu tragen sind.
Die Parlamentarier sollten bis Ende September nur noch ein Gesetz verabschieden, das dafür mit Verfassungsrang: Sobald künftig Wahlen ausgerufen werden, darf das Parlament nur noch bei Gefahr in Verzug tätig werden. Nur so sind die Bürger vor dem Ausgabenrausch der Politik zu schützen. Mit dieser Selbstbindung der Nationalräte wäre tatsächlich von einem erstarkten Parlamentarismus zu reden.
Kommentar von Franz Schellhorn in den Salzburger Nachrichten (21.06.2019).
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