Kritik an der Studie
- 17.10.2017
- Lesezeit ca. 1 min
Eine kritische Zusammenfassung der AK-Studie „Bestände und Konzentration privater Vermögen in Österreich"
Die ursprüngliche Liste des ”trend” basiert auf einer eher unpräzisen Schätzung des Vermögens, was die Autoren in der deutschsprachigen Version der Studie verschweigen. In der englischen Version erwähnen sie es deutlich:
„External data such as rich lists provided by popular magazines are often not available and entail unresolved concerns about data quality“[1]
Darüber hinaus ist festzustellen: In der englischsprachigen Version, die in der ”Review of Income and Wealth” publiziert wurde, wurde die recht unpräzise ”trend”-Liste erst gar nicht verwendet – offenbar im Hinblick auf ihre zweifelhafte Qualität. In der deutschen Version waren die Autoren weniger zurückhaltend.
Die Liste des ”trend” diente in der englischen Version nur zur Kontrolle, ob die künstlich generierten Werte jenen der Liste entsprechen – und das tun sie nur bedingt: Die Autoren zeigen, dass ihre Schätzung um 12% bis 13% über den Werten im ”trend” liegt.
Die Ergänzung durch die ”trend”-Liste in der deutschen Version ist jedoch von kritischer Bedeutung für die Vermögensschätzungen, vor allem am oberen Rand der Verteilung.
Es bleibt in der deutschen Studie unklar, ob bei den geschätzten Vermögen schlussendlich die ursprüngliche ”trend”-Liste oder die um 13% überschätzten Werte Verwendung finden.
Die Annahme einer höheren Antwortverweigerung (non-response) in reicheren Haushalten ist wissenschaftlich nicht wirklich belegt. Die OeNB zeigt in den Unterlagen zur HFCS-Erhebung[2], dass die höchsten Antwortraten unter Familien mit Einfamilienhäusern sowie aus besseren Wohngegenden (Kriterium: wo es keine Graffiti gibt) im Vergleich zu Wohnblöcken oder Gebäuden mit Graffiti liegt. Auch unterscheidet sich statistisch die Antwortrate nach Gebäudebauweise nicht, also zwischen Haushalten, die in hochwertigen oder sehr einfachen Gebäuden wohnen.
Einerseits argumentiert die von der AK finanzierte Studie in der Einleitung, dass es für die wissenschaftliche und politische Diskussion von besonderer Bedeutung ist, eine möglichst genaue Datenbasis zu haben. Das sei beispielsweise in ”Hinsicht auf pragmatische Fragen nach den sozialen Folgen der Vermögensungleichheit oder möglichen Steueraufkommen”. An weniger prominenter Stelle, in einer Anmerkung auf Seite 37, heißt es jedoch, dass die Art des verwendeten Schätzverfahrens nicht für weitere Berechnungen und damit auch Schlussfolgerungen geeignet ist. Zu solchen Berechnungen würde auch jene zählen, welche die Einnahmen aus einer möglichen Erbschafts- oder Vermögensteuer kalkuliert.
”Anmerkung: Eine Besonderheit von imputierten Datensätzen ist, dass die daraus gewonnenen Resultate immer nur Durchschnittswerte über alle Imputationen sein können. Nach Rubin und Little (2002) können solche Ergebnisse deshalb nicht als Grundlage für weitere Berechnungen verwendet werden. Weiters ist bei dieser detaillierten Darstellung Vorsicht geboten, weil die Basis für jedes Perzentil nur jeweils eine kleine Menge von Beobachtungen bildet und die Standardfehler daher hoch sind.”[3]
Eine Sensibilitätsanalyse, d.h. ein Vergleich der Schätzungen je nach den Annahmen hinter dem Modell, zeigt ebenso, warum Werte wie jene aus der Studie nur bedingt für weitere Berechnungen anwendbar sind. So schätzen die Autoren das Gesamtvermögen der Österreicher auf ca. 1.163 bis 1.597 Mrd. Euro. Dies zeigt, dass die Annahmen eine starke Wirkung auf das Gesamtvermögen haben und eine große Spanne aufweisen. Auch die Vermögenskonzentration, also die Summe des Vermögens in den Händen des reichsten Prozents an Personen, liegt laut Schätzungen daher zwischen 387 und 633 Mrd. Euro (letztere Zahlen aus der englischsprachigen Publikation). Auch hier gibt es eine große Bandbreite.
Darüber hinaus ist die Feststellung, „Besondere Bedeutung gewinnt diese Fragestellung vor dem Hintergrund sukzessiver steigender Ungleichheit im Bereich der Vermögen und Einkommen und ihren sozialen Folgen, wobei die jün- gere Forschung vor allem die negativen Effekte zunehmender Ungleichverteilung von Vermögenswerten betont (siehe Guttmann/Plihon 2010, Stiglitz 2012, Piketty 2014)“ in der Studie weder auf Österreich bezogen noch herrscht hierüber ein wissenschaftlicher Konsens. Über die Studie hinweg werden Erkenntnisse aus Einkommens- und Vermögensverteilung mehrmals vermischt.
So bezieht sich beispielsweise das Zitat des IWF auf Seite 1 der Studie eindeutig auf Einkommen und nicht auf Vermögen, wie es die Autoren suggerieren.
Fußnoten
- Eckerstorfer, P., Halak, J., Kapeller, J., Schütz, B., Springholz, F. und Wildauer, R., 2016. Correcting for the missing rich: An application to wealth survey data. Review of Income and Wealth, 62(4), pp. 605-627. ↩
- HFCS Methodische Grundlagen, 2016, Seite 87. ↩
- Eine ‚Imputation’ ist ein statistisches Verfahren, mit dem fehlende Datenpunkte ergänzt werden. Es ist oft der Fall, dass Teilnehmer an Umfragen Antworten teilweise oder gänzlich verweigern. Um diese Beobachtungen nicht ganz außer Acht zu lassen, werden die fehlenden Werte auf Basis beobachtbaren Informationen geschätzt. Um plausible Werte zu bekommen wird dieses Verfahren mehrmals wiederholt und die Durchschnitte der Schätzungen berechnet. ↩
Mehr interessante Themen
Sozialer Wohnbau: Das Vermögen der (gar nicht so) kleinen Leute
Auch wenn es niemand glauben mag: Wohnen in Österreich ist vergleichsweise günstig. Die Wohnkostenbelastung der Haushalte beträgt im Schnitt rund 19 Prozent des verfügbaren Einkommens. Damit liegen wir im EU-Vergleich im Mittelfeld. Mieterhaushalte zahlen natürlich mehr als Eigentümer, aber mehr als drei Viertel von ihnen profitieren hierzula
Bildungskarenz: Ich bin dann mal weg!
Die Bildungskarenz war eine gute Idee, erfüllt aber nicht die von der Politik gesetzten Ziele – und wird immer teurer. An einer grundlegenden Reform führt kein Weg vorbei.
Die Schuldenbombe tickt: Wird Österreich das neue Italien?
Mehr als ein Jahrzehnt lang konnten sich Staaten kostenlos verschulden, die Zinsen lagen praktisch bei null. Damit sollten den Staaten Zeit erkauft werden, sich nach der Finanzkrise zu modernisieren. Statt diese Zeit aber für Reformen zu nutzen, wurde das vermeintliche Gratisgeld mit beiden Händen ausgegeben. Österreich muss seinen Ausgabenrausc
Was die Preise in Österreich so aufbläht
Die Inflation in Österreich hält sich hartnäckig. Fast acht Prozent waren es im Jahr 2023. Für das Jahr 2024 werden vier Prozent vorhergesagt. Während viele andere Länder schon aufatmen können, ist die Inflationskrise für uns also noch nicht vorbei. Warum tut sich gerade Österreich so schwer? Wir prüfen drei Thesen.
Balken, Torten, Kurven Zweitausenddreiundzwanzig
Die Zeit der Lockdowns und Ausgangssperren war vorbei, die Wirtschaft zeigte sich nach den verheerenden Corona-Jahren in bester Laune, nur die hohe Teuerung hat uns die gute Stimmung verdorben (vom Finanzminister einmal abgesehen – der freute sich).
E-Government: „Hobn’S kan Ausweis?“
Die öffentliche Verwaltung soll digitalisiert werden. Das verspricht die Politik seit Jahren. Diverse Angebote gibt es bereits, doch der große Durchbruch wollte bisher nicht gelingen. Das liegt nicht nur an der Regierung. Auch die Bürger müssten, im eigenen Interesse, etwas mehr Bereitschaft zur Veränderung aufbringen.