Innenpolitik

Wie Gemeinden mit Rekordeinnahmen gnadenlos „kaputtgespart“ werden

Fast jede zweite Gemeinde des Landes kann ihre Ausgaben nicht mehr decken. Das ist mysteriös. Am angeblich so „harten Sparkurs“ der Regierung liegt es nicht.

Wer dieser Tage durch eine der vielen Gemeinden des Landes schlendert, könnte unweigerlich zum Schluss kommen, dass in der Republik bald die Lichter aus gingen. Und zwar wortwörtlich: Einigen Ortschaften fehlt das Geld, um die kaputten Glühbirnen in den Straßenlaternen auszutauschen, andere verzichten darauf, die Löcher in den Straßen zu kitten oder sperren ihre Freibäder nicht mehr auf, weil sie den Betrieb nicht mehr finanzieren können. Das alles wäre ja noch zu verschmerzen, platzten nicht Schulen und Kindergärten aus allen Nähten, weil das Geld für deren Ausbau nicht mehr da ist, wie aus der „Zeit im Bild“ zu entnehmen war.

Das ist bedrückend, aber auch ein wenig mysteriös. Wie nämlich ein Blick in die nackten Zahlen zeigt, sind die Kassen der Gemeinden keineswegs leer. Sie sind prall gefüllt wie nie zuvor. So hatten die Kommunen im abgelaufenen Jahr um 31 Prozent mehr Geld zur Verfügung als im Jahr 2019. Einer Zeit, in der die kommunale Welt noch eine heile war und es den Gemeinden an nichts fehlte. Klar, auch die Kommunen blieben von der Teuerung nicht verschont – aber die lag im genannten Zeitraum nicht bei 31, sondern bei nicht einmal 26 Prozent. Die Einnahmen sind also viel schneller gestiegen als die Preise. Von kaputtgesparten Gemeinden kann also keine Rede sein.

Warum also der finanzielle Ausnahmezustand? Ganz einfach: Die Ausgaben der Gemeinden sind außer Kontrolle geraten, sie sind innerhalb von sechs Jahren um 39 Prozent nach oben geschnellt. Der größte Kostentreiber sind wenig überraschend die Personalkosten. Österreich ist neben Belgien das einzige Land in Europa, in dem die Löhne der Beschäftigten mehr oder weniger automatisch um die Inflationsrate erhöht werden. Diese eigenwillige Art der Lohnfindung bekommt nicht nur die Wirtschaft schmerzhaft zu spüren, sondern auch der Arbeitgeber Staat. Das umso mehr, als die Zeit der Pandemie nicht dazu genutzt wurde, Überstunden und Urlaube abzubauen oder Arbeitsabläufe zu digitalisieren. Sondern dazu, zusätzliche Beschäftigte einzustellen.

Hinzu kommen steigende Kosten für Projekte, die sich nur mit Nullzinsen finanzieren lassen. Für viele Bürgermeister gab es in der Zeit des unbeschränkt verfügbaren Gratisgelds kein Halten mehr: Veranstaltungszentren und großzügige Freizeitanlagen wurden aus dem Boden gestampft, Bauhöfe ausgebaut, gemeindeeigene Kläranlagen errichtet und die Bevölkerung mit allerlei kommunalen Segnungen wie dem „Gratis“-Kindergarten erfreut. Seit 2019 sind die Gemeindeschulden um fast die Hälfte auf 24 Milliarden Euro emporgeschnellt.

Was wir hier erleben, ist also keine Folge eines knallharten staatlichen Sparkurses. Der „eisern sparende Staat“ gibt heuer um 8,1 Milliarden Euro mehr aus als 2024. Nein, was wir hier erleben, ist das Ergebnis jahrelanger fiskalischer Verantwortungslosigkeit. Es ist die rotweißrote Variante des kommunalen „Moral Hazard“: Das Geld wird mit beiden Händen ausgegeben, wenn es zu null Prozent Zinsen verfügbar ist – wird es aber knapp, jammert man über den unmenschlichen Sparkurs, in der sicheren Erwartung, dass am Ende die Steuerzahler einspringen werden. Genau das darf nicht passieren. Die Gemeinden müssen ihren finanziellen Schlendrian selbst korrigieren. Und zwar nicht, indem wieder für alle Gemeinden die Grundsteuern erhöht werden. Das können die finanziell angeschlagenen Kommunen tun, damit deren Bürger auch spüren, wie schlecht ihre Gemeinde wirtschaftet.

Möglicherweise schauen sich die Gemeinden ja auch einmal an, welche Potenziale die digitalisierte Welt zu bieten hat. Wie sie mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz Arbeitsabläufe vereinfachen und damit auch Personal einsparen können, statt immerzu neues einzustellen. Vielleicht wäre es auch nicht ganz verkehrt, sich mit anderen Gemeinden zusammenzutun, um Kosten zu sparen. Österreich hat über 2.000 Gemeinden; Nordrhein-Westfalen hat bei doppelter Bevölkerungsgröße nicht einmal 400. Und dann gäbe es natürlich auch noch die Option, sich von gemeindeeigenem Vermögen zu trennen, um Schuldenberge abzutragen und die Zinslast zu stabilisieren. Das alles passt zwar nicht zur Erzählung der armen, kaputtgesparten Gemeinden, hätte aber im besten Fall beispielgebende Wirkung für den Bund und die Länder, auch ihre aus dem Ruder gelaufenen Ausgaben unter Kontrolle zu bringen. Statt im Land mit der zweithöchsten Einnahmenquote der gesamten EU immer noch höhere Steuern und Abgaben von den Bürgern einzufordern.

 Kolumne von Franz Schellhorn in der “Presse” (24.5.2025).

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