Aus der Klimakrise werden uns nicht jene führen, die den Untergang prophezeien. Sondern jene, die innovative Lösungen finden. Selbst über Atomkraft müssen wir reden.
Wirbelstürme fordern jährlich tausende Opfer, in Griechenland werden riesige Waldflächen ein Raub der Flammen, in Deutschland verschlingen reißende Fluten ganze Landstriche, in Kanada werden erstmals Lufttemperaturen von 49,5 Grad gemessen. Die Welt ist dem Untergang geweiht, wie alarmierenden Berichten täglich zu entnehmen ist. Die Redaktion der ZiB fragte einen Klimaaktivisten gar, ob im Jahr 2100 menschliches Leben auf der Erde überhaupt noch möglich sei. Der junge Mann meldete ernste Zweifel an.
Auslöser dieser nicht gerade euphorischen Aussicht war der aktualisierte Bericht des Weltklimarats IPCC. Dort ist zwar keine Rede vom Untergang der Menschheit, vielmehr wird nahegelegt, rascher und energischer zu handeln. UN-Generalsekretär Antonio Guiterres jedenfalls sieht die Zeit für einen „Code Red“ gekommen. Das ist ein Synonym aus der Militärsprache für die allerhöchste Alarmstufe.
Der amerikanische Ökorebell Michael Shellenberger hält das ebenso für übertrieben wie der dänische Statistikprofessor Björn Lomborg. Sie sprechen von einem wachsenden Klima-Alarmismus, der mehr schade als nütze. Insbesondere den allgegenwärtigen Untergangs-Hype halten die beiden für kontraproduktiv. Allein die Warnungen vor dem Überschreiten des gefürchteten „Point-of-no-return“ zeigten inflationäre Tendenzen, wie Lomborg in der New York Post schreibt. Schon vor einem halben Jahrhundert sagte die UNO, dass nur noch 10 Jahre Zeit blieben zu reagieren, so wie der damalige Vorsitzende des IPCC im Jahr 2007 der Menschheit nur noch fünf Jahre gab, die Weichen richtig zu stellen. Die Apokalypse aber sei ausgeblieben.
So argumentieren üblicherweise Menschen, die von der Ökobewegung als „Klimaleugner“ gebrandmarkt werden. Im Falle Lomborgs und Shellenbergers ist das schwierig. Letzterer kann auf eine langjährige Karriere als Umweltaktivist verweisen. Lomborg wiederum stützt sich in seiner Arbeit auf die Erkenntnisse des US-Ökonomen William Nordhaus, der als Begründer der Klimaökonomie 2018 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Beide Kritiker halten den Klimawandel für ein ernstes Problem und die Erderwärmung für großteils menschengemacht.
Das ändere aber nichts daran, dass die Staatengemeinschaft im Kampf gegen die Erderwärmung Billionen verschwende. Reduzierten alle industrialisierten Länder ihre CO2-Emmissionen morgen auf null, würde diese Anstrengung laut dem Standard-Klimamodell der UNO den Temperaturanstieg bis 2100 gerade einmal um 0,4 Grad bremsen, behauptet Lomborg. Die eingesetzten Mittel würden wenig gegen die steigenden Temperaturen ausrichten, gleichzeitig lösche die auf Verbote fokussierte Klimapolitik ganze Industrien aus, drücke die Wirtschaftsleistung nach unten und schade damit vor allem den Armen.
Die Proponenten von Fridays for Future und Extinction Rebellion lassen sich von derartigen Dingen nicht beeindrucken. Sie predigen Verzicht, denn nur er könne uns vor dem sicheren Untergang erlösen. Aber wie soll dieser Verzicht in den ärmsten Ländern der Welt aussehen? Also bei jenen Menschen, deren Ausweg aus der bitteren Armut nur über preisgünstige Energien führen kann? Derzeit sind nur Kohlenwasserstoffe günstig zu haben, deren Verbrennung aber enorme Mengen an Treibhausgasen freisetzt.
Die Welt braucht nicht Verzicht, sie braucht Innovationen. Wir können nicht zurück, wir müssen nach vorne. Aus der Klimakrise werden uns nicht jene führen, die vor dem Untergang warnen. Sondern jene, die echte Lösungen anbieten. Niemand sollte sich dafür schämen müssen, ein besseres Leben anzustreben. Dafür braucht es mehr Optimismus und deutlich mehr Geld für die Erforschung neuer Technologien. Wind, Sonne und Elektroautos allein werden es nämlich nicht schaffen. Die Palette reicht von der CO2-Speicherung im Boden über die Rückführung bereits ausgestoßener Kohlendioxide aus der Atmosphäre, der Entwicklung synthetischer Treibstoffe, CO2-neutralen Zements, Stahls und Dünger bis hin zu deutlich leistungsfähigeren Batterien. Große Hoffnungen ruhen auf der Speicherung riesiger Energiemengen, die über dunkle Tage und windstille Stunden helfen.
Für Österreicher besonders bitter: Ökorebell Shellenberger ist überzeugt, dass es ohne Kernenergie schwer zu machen sein wird. Bill Gates hat bereits groß in die Weiterentwicklung neuartiger Kern-Reaktoren investiert, die nicht nur deutlich sicherer sein sollen, sondern auch Atommüll in Energie umwandeln können.
Wenn es nicht gelingt, kostengünstige saubere Energiequellen für die gesamte Welt zu finden, werden alle Versuche, die Folgen des Klimawandels in den Griff zu kriegen, scheitern. Bis zum Ende des Jahrhunderts werden laut Lomborg drei Viertel aller globaler Emissionen aus Asien, Afrika und Lateinamerika kommen. Menschen in diesen Regionen wollen jenen Wohlstand genießen, der in unseren Breiten längst zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Diesen Menschen den Aufstieg zu verbieten, wird nicht gelingen. Wer das versucht, wird auch das Klima nicht retten.
Kolumne von Franz Schellhorn für “profil” (15.08.2021).
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