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Was bedeutet der russische Angriff auf die Ukraine für die Welt?

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Seit über drei Monaten kämpft die Ukraine gegen den Angriff der russischen Armee. Nach überraschenden Erfolgen zu Beginn der Invasion gerieten die ukrainischen Verteidiger zuletzt in Schwierigkeiten. Russland habe aus den eigenen Fehlern gelernt und die Strategie geändert, sagt Oberst Markus Reisner im Podcast. „Im Donbass gehen sie jetzt langsamer vor, greifen breit an und setzen stark auf die Artillerie. Das macht die ukrainischen Soldaten zunehmend mürbe. Seit ein paar Tagen gibt es Videos, in denen Soldaten an Präsident Selenski appellieren, dass sie sich nicht mehr in der Lage sehen, diese Stellungen zu halten.“

Russland habe aus den eigenen Fehlern gelernt und die Strategie geändert.

Eine Prognose über Sieg oder Niederlage traut sich der Experte nicht zu. „Als Historiker muss ich aber sagen, dass meistens jene Kriege besonders verheerend waren, in denen beide Seiten überzeugt waren, das richtige zu tun.“ Auf den Ukraine-Konflikt treffe das leider zu. „Wir müssen uns bewusst machen, dass Russland hier nicht nachgeben kann. Putin hat 20 Jahre lang das Narrativ aufgebaut, Russland sei wieder zurück und habe eine starke, moderne Armee. Das stünde bei einer Niederlage alles auf der Kippe.“

Bisher zu wenig beachtet wurde aus Reisners Sicht ein großes Problem abseits der militärischen Manöver. Es geht um die Folgen dieses Krieges für die Lebensmittelversorgung in anderen Teilen der Welt: Die Ukraine ist für 15 bis 20 Prozent der globalen Getreideproduktion verantwortlich. 25 Millionen Tonnen Weizen aus der Vorjahresernte sind noch im Land und müssten jetzt mit Frachtschiffen exportiert werden. Das geht aber nicht, weil die Hafenstädte am Schwarzen Meer entweder von den Russen zerstört wurden oder derzeit blockiert werden. Ein Transport mit der Eisenbahn scheitert an technischen Schwierigkeiten – etwa dem ukrainischen Breitspur-System – und wäre ohenhin nur für einen sehr kleinen Teil der Menge möglich. „Das heißt, 25 Millionen Tonnen Weizen können das Land nicht verlassen. Staaten wie Somalia, Jemen und Ägypten sind aber davon abhängig“, sagt Reisner. Für diese Situation gebe es derzeit keine Lösung. Wladimir Putin habe nun zwar angeboten, einige Häfen freizugeben. Was das genau bedeute, sei aber noch unklar, meint der Experte. „Wer darf dort anlegen? Sind es vielleicht nur Länder, die pro-russisch agieren?“ In Summe müsse man leider sagen, dass die Sanktionen des Westens bisher nicht den gewünschten Effekt erzielten.

Reisner plädiert für einen ehrlicheren Umgang mit Sicherheitspolitik.

 „Sind wir bereit, für die Demokratie und unser liberales Wertesystem einzutreten oder nicht? Wenn nicht, hat sich Europa selbst aufgegeben.“ Reisner will das nicht nur als Forderung nach mehr Waffen verstanden wissen. Ihm fehle derzeit auch das Bemühen, abseits des Schlachtfelds etwas zu bewirken. „Wo ist die Diplomatie? Wo sind die Verhandlungen? Wir müssen langsam beginnen, die Diplomatie wieder zu beleben.“

Die aktuelle Debatte über Österreichs Neutralität hält Reisner für einen Fortschritt.

Die aktuelle Debatte über Österreichs Neutralität hält Reisner für einen Fortschritt. „Es ist gut, dass wie wieder darüber nachdenken, wie diese Neutralität gestaltet sein soll. Wenn wir sie beibehalten, müssen wir sie besser ausstatten.“ Das betreffe nicht nur das Bundesheer. „Die umfassende Landesverteidigung war ein Konzept, das unsere Väter und Großväter noch kannten. Es ging darum, den Staat als ganzes resilient zu machen – damals gegenüber der Sowjetunion. Die Gasversorgung zum Beispiel ist kein militärisches Problem, sondern eines der wirtschaftlichen Landesverteidigung. Man muss das viel breiter denken.“

Markus Reisner, Jahrgang 1978, studierte Geschichte und Rechtswissenschaften in Wien und leitet die Forschungs- und Entwicklungsabteilung an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt. Er ist Oberst des Generalstabs und war für das Bundesheer bei zahlreichen Auslandseinsätzen unter anderem im Kosovo, in Afghanistan und im Tschad.


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