Konjunktur & Wachstum

Warum Österreich Veränderung braucht

Viele Menschen fürchten, dass ihre Nachkommen auf den hohen Staatsschulden sitzen bleiben, während sie selbst kein Vermögen mehr aufbauen können. Die künftige Regierung sollte dies mit drei Reformen verhindern.

In Österreich wird leidenschaftlich gern kritisiert und nur dann gelobt, wenn es unbedingt sein muss. Ausländische Beobachter tun sich da bedeutend leichter. So lobt etwa der Internationale Währungsfonds (IWF) Österreich als ein Land mit einem beachtlich hohen Lebensstandard, einem hohen sozialen Ausgleich und einer konkurrenzfähigen Wirtschaft. Ein Land, in dem das Risiko in die Armut abzurutschen zwar vorhanden, aber vergleichsweise niedrig ist und in dem die Einkommen nach Steuern und Sozialleistungen so gleichmäßig verteilt sind wie sonst nur noch in den skandinavischen Wohlfahrtsstaaten.

Womit sich natürlich eine Frage aufdrängt: Warum sollte eine Regierung an diesem Erfolgsmodell auch nur die geringste Kleinigkeit ändern? Ganz einfach: Weil ein Großteil unseres Wohlstands nicht erwirtschaftet wurde, sondern geliehen ist. Und weil viele Menschen längst erkannt haben, dass sich die Welt in einer atemberaubenden Geschwindigkeit und Tiefe verändert, und weil sie ahnen, dass das erst der Anfang ist.

Die Angst, dass nachkommende Generationen auf den hohen Schuldenbergen sitzenbleiben, ist nicht ganz unberechtigt.

Viele Bürger würden deshalb gerne wissen, wie die Sozialsysteme finanziert werden können, wenn die Zahl der Einzahler stetig sinkt und jene der Empfänger im Zuge der demografischen Entwicklung rasant wächst. Sie plagt die nicht ganz unberechtigte Angst, dass nachkommende Generationen auf den hohen Schuldenbergen und den steigenden Kosten der Wohlfahrtssysteme sitzen bleiben, während die Wertschöpfung in andere Teile der Welt abwandert. Viele Eltern fragen sich, in welche Schulen sie ihre Kinder schicken sollen, damit diese in der digitalisierten Welt von morgen ein selbstbestimmtes Leben führen können. Schon heute kann sich kaum noch jemand erklären, wie sich junge Menschen jemals ein kleines Eigenheim erarbeiten sollen, um frei und unabhängig leben zu können.

Die künftige Regierung sollte diese Fragen neben anderen (wie etwa das Klima) adressieren. Einige Antworten liegen glücklicherweise auf der Hand. Zum Beispiel jene: 

Arbeit muss sich wieder lohnen. 

Nur vier Länder in der EU belasten den Faktor Arbeit stärker als Österreich. Gemessen an den Arbeitskosten haben österreichische Arbeitnehmer die fünftniedrigsten Nettolöhne der Union. Das führt zu völlig absurden Situationen: Will etwa eine vollzeitbeschäftigte Durchschnittsverdienerin um 600 Euro ausmalen lassen, muss sie 1087 Euro erwirtschaften, um die Malerrechnung bezahlen zu können. Dem Maler bleiben davon netto gerade einmal 261 Euro übrig, während 826 Euro in die Staatskassen fließen.

Das muss sich ändern, den Bürgern muss mehr von dem bleiben, was sie erwirtschaften. Alle Steuersätze auf Arbeit sollten sinken, der Eingangssteuersatz auf 15, der Spitzensteuersatz auf 45 Prozent. Jeder Mitarbeiter sollte bis zu 3000 Euro im Jahr an Gewinnausschüttung erhalten können, ohne dass auch nur ein Cent davon an die Sozialversicherung oder an das Finanzamt geht. „Gegenfinanziert“ werden sollte das nicht mit höheren Steuern, sondern mit gebremsten Mehrausgaben. Es geht also nicht um das Kürzen öffentlicher Ausgaben, sondern lediglich darum, dass der Staat weniger zusätzlich ausgibt als geplant. Es ist nämlich kein großes Geheimnis, dass die Republik ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem hat. 

Die Kinder aus der Sackgasse holen. 

Jedes Kind sollte bestmögliche Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben vorfinden, ungeachtet seiner sozialen Herkunft.

Beinahe ein Staatsgeheiminis ist hingegen, ob Ihre Kinder in einer guten oder schlechten Schule unterrichtet werden. Das wissen nur die Behörden, die Eltern dürfen es nicht erfahren. Eigenartig, denn jedes Kind sollte ungeachtet seiner sozialen Herkunft bestmögliche Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben vorfinden. Diese Aussicht bleibt vielen Kindern verwehrt. Jahr für Jahr verlassen Tausende junge Menschen die staatlichen Pflichtschulen, ohne ausreichend Lesen, Schreiben und Rechnen zu können. Fast jeder fünfte 15-Jährige kann nicht sinnerfassend lesen, ungefähr gleich viele beherrschen die Grundrechnungsarten nicht. Das sind Durchschnittsangaben, viele Schulen in größeren Städten wären mit diesen Werten hochzufrieden.

Am härtesten trifft es Kinder aus bildungsfernen Schichten, denen es an Deutschkenntnissen fehlt. Sechs von zehn Wiener Volksschülern haben eine andere Umgangssprache als Deutsch. In der Steiermark trifft das auf 20 und in Kärnten 17 Prozent der Volksschüler zu. Das heißt nicht, dass diese Kinder niemals ordentlich Deutsch lernen, aber es zeigt das Ausmaß des Bedarfs an frühkindlicher Sprachförderung. Allen voran in Gegenden mit vielen Zuwanderern.

Ähnlich war die Lage vor 20 Jahren in London. Öffentliche Schulen fielen bei nationalen Bildungstests mit verheerenden Ergebnissen auf. Unter der Labour-Regierung wurde daraufhin die „London Challenge“ ins Leben gerufen. Problemschulen bekamen mehr Geld und die Chance, besser zu werden. Sie wurden mit jenen Schulen vernetzt, die bessere Ergebnisse erzielten, die Direktoren konnten sich die Lehrer frei aussuchen und die für den Beruf weniger geeigneten auch kündigen. Innerhalb von fünf Jahren mussten die Schüler deutliche Fortschritte gemacht haben, andernfalls drohte den Schulen das Aus. Die Sache war ein Riesenerfolg, noch heute zählen die Londoner Schulen zu den besten öffentlichen des Landes. 

Daran sollte sich Österreich ein Beispiel nehmen. Voraussetzung dafür wäre mehr Autonomie und mehr Transparenz. So müssen die Ergebnisse der einzelnen Schulen bei den Bildungstests veröffentlicht werden, die Eltern haben schließlich ein Recht zu erfahren, wie gut die Schule ihrer Kinder abschneidet. Damit würde der Druck auf die Direktoren und in weiterer Folge auf die Behörden und Politiker steigen, das Problem nicht länger zu ignorieren. 

Länger leben, ein wenig länger arbeiten. 

Pro Jahr werden 20 Milliarden Euro mehr an die Pensionisten ausgezahlt als von den Aktiven in das System eingezahlt wird.

Spürbar ist bereits der Druck der Alterssicherung auf das Bundesbudget. Derzeit werden pro Jahr rund 20 Milliarden Euro mehr an die Pensionisten ausgezahlt als von den Aktiven in das öffentliche System eingezahlt wird. Nur um die Dimensionen klarzustellen: Das ist mehr als eine Hypo Alpe Adria jedes Jahr. Oder ein Fünftel des jährlichen Bundesbudgets, aus dem die Deckungslücke zu schließen ist. Warum das so ist? Weil wir heute um fast acht Jahre länger leben als zu Beginn der 1970er-Jahre, aber genauso früh in Pension gehen wie damals.

Um das Pensionsloch zu stabilisieren, muss das gesetzliche Pensionsantrittsalter mit der Lebenserwartung steigen. Wir müssen also jedes Jahr ein paar Monate später in Frühpension gehen, um jüngeren Generationen ein finanzierbares Pensionssystem zu hinterlassen. Und nein, Prognosen, wonach die Pensionsausgaben gemessen am BIP im Jahr 2060 nicht viel höher sein werden als heute, sind nicht beruhigend. Oder will jemand ernsthaft behaupten, die Wirtschaftsleistung des Jahres 2060 zu kennen, wo doch niemand sagen kann, wie das BIP des nächsten Jahres aussieht? Eben.

Die Bürger stellen sich den großen Herausforderungen der Zukunft bereits jeden Tag. Die künftige Regierung sollte damit beginnen, auch die öffentlichen Institutionen an die offensichtlichen Anforderungen anzupassen.

Damit auch nachkommende Generationen noch lobende Worte des IWF über die Wohlstandshochburg namens Österreich zu lesen bekommen.

Gastkommentar vor Franz Schellhorn in der Kleinen Zeitung (09.08.2019).

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