Beschäftigung

Verdienen Sie, was Sie verdienen?

Die SPÖ hat plötzlich erkannt, dass Arbeitnehmer von ihren Löhnen kaum noch leben können. Als hätte die Partei damit überhaupt nichts zu tun.

Hin und wieder ist es gar nicht schlecht, auch banale Dinge beim Namen zu nennen. Etwa, dass die Verschmutzung der Umwelt diese nicht wirklich sauberer macht. Oder dass eine gute Bildung für unsere Nachkommen nicht das Schlechteste ist. Und ja, Staatsbedienstete sind für die Bürger da, nicht umgekehrt. Erkenntnisse dieser Art bewegen zwar nicht die Welt, deren Einsatz ist aber weitgehend ungefährlich. Das dachte sich wohl auch der Chef der ÖVP, als er vergangenen Mittwoch die Nation über deren Lage informierte. Die ist, um es kurz zu machen, eigentlich ganz gut, könnte aber besser sein. Hierzulande sind nämlich die Steuern etwas hoch, wie Michael Spindelegger bemerkt hat. Österreich sei „das fünftgierigste Abkassiererland“ der industrialisierten Welt. Wer hätte das gedacht?

Überhaupt scheinen die heranrückenden Wahlen den Blick auf allerlei Probleme freizulegen. So ist der Kanzlerpartei SPÖ aufgefallen, dass viele Erwerbstätige von ihrer Arbeit kaum noch leben können. Was nicht gelogen ist. Jüngst veröffentlichte Daten des international tätigen Beraters Ernst& Young deuten allerdings darauf hin, dass die Sozialdemokraten an der falschen Stelle nach der Lösung des Problems suchen. Nicht geldgierige Unternehmer halten ihre Beschäftigten kurz, sondern die von der Sozialdemokratie geführte Regierung. Innerhalb der EU gibt es mit Belgien und Frankreich nur zwei Staaten, die sich noch zügelloser an den Erwerbseinkommen der Bürger bedienen als die Republik Österreich.

Taktische Meisterleistung. Die öffentliche Hand schnappt sich 55,77 Prozent eines durchschnittlichen Arbeitseinkommens. Wie das bei einem Spitzensteuersatz von 50 Prozent überhaupt möglich ist? Nun ja, indem man die vom Staat geschickt verschleierte Belastung etwas besser sichtbar macht. Das Versteckspiel beginnt mit der Verwendung des Begriffs „Dienstgeberbeitrag“. Diese von den Unternehmern abzuführenden Abgaben sind in Wahrheit ganz normale Lohnkosten, nur anders etikettiert. Werden sie zu den „normalen“ Bruttolöhnen addiert, kennen die Beschäftigten ihr wahres Markteinkommen. Also jenen Betrag, den sie hereinspielen müssen, um ihre Jobs dauerhaft behalten zu können. Auch in dieser Kategorie liegt Österreich hinter Belgien und Frankreich EU-weit auf Platz drei: Ein an die Beschäftigten ausgezahlter Euro kostet die österreichischen Arbeitgeber im Schnitt 2,11 Euro.

Der Begriff „Dienstgeberbeitrag“ ist also nichts anderes als ein propagandistischer Trick, der die Arbeitnehmer glauben lässt, mit diesen Kosten nichts zu tun zu haben. Komplettiert wird die Verschleierung der Abgabenbelastung durch einen weiteren Geniestreich: Die Arbeitgeber werden vom Staat genötigt, kostenlos die gesamte Lohnverrechnung für die Beschäftigten abzuwickeln und auch noch gratis die Steuern und Abgaben für die öffentliche Hand einzutreiben. Deshalb denken die Bürger hierzulande in „Netto“, nicht in „Brutto“. Mit dem für die Politik angenehmen Effekt, dass sich in den Augen der Beschäftigten nicht der Staat in räuberischer Manier an ihren Einkommen vergeht – sondern die gewinnsüchtigen Unternehmer einfach nur schlecht zahlen. Hut ab!

Bruttolöhne auszahlen. Gern vergessen wird in diesem Zusammenhang die Konsumstrafsteuer, die den ausgiebig belasteten Arbeitseinkommen aufgeschlagen wird, wenn sie ausgegeben werden: Zehn Prozent Umsatzsteuer für Lebensmittel und Miete, 20 Prozent für alles andere. Deshalb darf ein Erwerbstätiger unter dem Strich auch nur mehr über 44,23 Prozent seines monatlich Erwirtschafteten verfügen. Das wiederum bedeutet, dass Angestellte hierzulande im Schnitt bis zum 23. Juli für den Staat schuften, um dessen permanent wachsende Kosten einigermaßen abzudecken. In den verbleibenden fünf Monaten darf dann das Geld für Wohnen, Essen, Kleidung, Urlaub und Sonstiges aufgetrieben werden.

Der „soziale“ Staat kennt selbst bei niedrigen Einkommen kein Erbarmen: Wer 1500 brutto verdient, kostet den Arbeitgeber 1968,90 Euro. Davon darf sich der Arbeitnehmer 1149 Euro behalten, also rund 58 Prozent. Nach Abführung der Umsatzsteuer bleibt in etwa die Hälfte. Im Gegensatz zum Vater Staat war Herr Hotzenplotz also ein geradezu mitfühlender Mann.

Wer den hemmungslosen Zugriff des Staates auf die Arbeitseinkommen wirklich bekämpfen will, pflastert nicht auf Kosten der Bürger das Land mit hübschen Plakaten zu, sondern propagiert das Schweizer Modell: Dort werden die Steuern nicht vom Arbeitgeber abgeführt, sondern von den Beschäftigten selbst. Ein derartiges Modell wäre in Österreich geradezu revolutionär: Das Protestpotenzial gegen die staatliche Abzocke erhöhte sich schlagartig. Den Beschäftigten wäre sofort klar, wie dafür zu sorgen wäre, dass sie von ihrer Arbeit besser leben können: Indem die Politik die Kosten des aufgeblasenen Staatswesens reduziert und den Arbeitnehmern mehr von ihren Einkommen lässt.

Regierende Moderatoren. Nun müsste nur noch jemand den Herren Faymann und Spindelegger flüstern, dass sie es sind, die seit geraumer Zeit Teil der Regierung sind. Das wiederum wäre jener Ort, der in demokratischen Systemen dafür vorgesehen ist, erkannte Missstände zu ändern, statt sie nur zu moderieren. Vielleicht könnte bei dieser Gelegenheit auch jemand den Chef der ÖVP dezent darauf hinweisen, dass seine Partei mit dem Finanz- und dem Wirtschaftsministerium zwei Ressorts besetzt, deren vordringliche Aufgabe nicht so sehr in der Pflege staatlicher Buchsbäume liegt. Die ÖVP scheint auch zu vergessen, dass sie seit Februar 1987 ohne Unterbrechung in der Regierung sitzt und seither jede Steuererhöhung mitgetragen hat – zum Wohl der Partei, um nicht auf die Oppositionsbank wechseln zu müssen.

Der Herr Bundeskanzler ist wiederum lange genug in der Partei, um zu wissen, dass niemand die Arbeitskosten so erfolgreich nach oben getrieben hat wie „seine“ SPÖ. Um sich dann mit großen Augen darüber zu wundern, dass viele Menschen von ihrer Arbeit kaum noch leben können.

Womit man wieder sieht: Hin und wieder ist es nicht so schlecht, auch banale Dinge beim Namen zu nennen.

Foto-Credit: Jürgen Fälchle / Fotolia.com

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