Und was ist mit uns Jungen?
- 22.01.2022
- Lesezeit ca. 3 min
Die steuererleichterte Behaltefrist hat ihre Berechtigung
Am Sparbuch gibt es schon lange keine Zinsen mehr. Und durch die hohe Inflation bekommt man real heute sogar noch weniger als in den vergangenen zwanzig Jahren. Immobilien sind für Durchschnittsverdiener sowieso unbezahlbar geworden. Passende Alternativen finden immer mehr Junge in Wertpapieren. Die Sparpläne beim Onlinebroker lassen sich via Smartphone-App bereits mit zweistelligen Kleinbeträgen befüllen. Ganz nach der eigenen Risikoeinstellung.
Nun sollen langfristig gehaltene Wertpapiere von der Kapitalertragsteuer ausgenommen werden. Die 2012 abgeschaffte Behaltefrist soll wieder eingeführt werden. Das bedeutet: Werden Wertpapiere nach Ablauf dieser Frist verkauft, wird der Kursgewinn nicht mehr besteuert. Das ist nur würdig und recht, wenn bereits versteuertes Geld erfolgreich veranlagt wird, sollte der Staat nicht noch einmal die Hand aufhalten.
Die Kritik aus dem linken Lager ließ nicht lange auf sich warten. Damit würde nur den Milliardären ein weiteres Steuergeschenk gemacht. Ein rein ideologisch motivierter Reflex: Denn tatsächlich würde es nicht schaden, jungen Sparern zu signalisieren: Beschäftigt euch mit dem Finanzmarkt, um langfristig anzulegen. Gerade jetzt wäre es für Junge an der Zeit zu sparen. Nicht nur für private Investitionen. Sondern auch für die Pension. Denn unser Pensionssystem steht auf wackeligen Beinen. Der Staat muss jährlich mehr als 20 Milliarden Euro zuschießen, um es überhaupt am Laufen zu halten. Trotz der unzähligen Empfehlungen globaler Organisationen wird der notwendige Umbau der staatlichen und der Ausbau der betrieblichen und privaten Vorsorge von der Politik seit jeher gekonnt ignoriert. Mehr als ein paar halbgare Reformen und das gescheiterte Produkt der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge gab es bislang nicht. Es sieht so aus, als ob die Pensionsreform erst dann angegangen wird, wenn es zu spät ist. Das bedeutet für Junge, dass sie nicht nur die Pensionen der Älteren bezahlen müssen, sondern auch noch ihre eigene Vorsorge angehen müssen. Denn auf die Politik ist in diesen Belangen kein Verlass.
Mit dieser Ausgangssituation haben sich viele junge Erwachsene bereits abgefunden. Die Pandemie hat dazu geführt, dass immer mehr ihr Geld in Wertpapiere stecken. Die nötige Finanzbildung holen sie sich im Internet. Womit sie sich allerdings nicht abfinden sollen, ist das verstaubte Bild des Spekulanten, das ihnen in Österreich aufgedrückt wird. Diese „Spekulanten“ haben zwar auch ihre Daseinsberechtigung – von der Realität eines Kleinsparers sind sie jedoch meilenweit entfernt. Jungen Erwachsenen geht es darum, sich um ihre Zukunft zu kümmern. Die Behaltefrist legt den Fokus genau auf dieses langfristige Ansparen. Sie bietet zumindest eine kleine Entlastung für genau diejenigen, die sich zurecht nicht mehr auf die Politik verlassen und deshalb mit ihrem Geld selbst privat vorsorgen wollen. Und das sollte der Staat honorieren, statt noch einmal zu kassieren.
Gastkommentar von Heike Lehner für den “Kurier” (22.01.2022).
Mehr interessante Themen
Was eine Arbeitszeitverkürzung kosten würde
Die Arbeiterkammer forderte jüngst eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich auf 36 Wochenstunden. Arbeitnehmer mit 40 Wochenstunden müssten um 11,1 Prozent produktiver werden, Arbeitnehmer mit 38,5 Wochenstunden müssten ihre Produktivität um rund 7 Prozent steigern. „Solche Produktivitätssteigerungen sind einfach unrealistisch“
Das lange Leben der kalten Progression
Auch wenn der Finanzminister gerne das Gegenteil behauptet: Die kalte Progression wurde nicht zur Gänze, sondern nur zu zwei Dritteln abgeschafft. Das letzte Drittel wird jeden Sommer von der Regierung verteilt. Wie stark die kalte Progression noch immer an den Finanzen der Bürger knabbert, zeigt eine Berechnung der Agenda Austria. Würden die ak
Wie Österreich seine Arbeitnehmer rasiert
In der Europäischen Union wird Arbeit nur in Belgien und Deutschland stärker belastet als in Österreich. Berücksichtigt man auch die in einigen Ländern übliche Versicherungspflicht (verpflichtende Versicherungen, die nicht vom Staat angeboten werden), liegt Österreich auf Platz vier. Hätte Österreich dieselbe Steuer- und Abgabenbelastung w
Zahlen Familien tatsächlich mehr Steuern als Mateschitz?
Große Aufregung im Neiddebatten-Land Österreich! Das Netzwerk Steuergerechtigkeit will ausgerechnet haben, dass der Milliardär Mark Mateschitz weniger Steuern zahlt als eine Mittelstandsfamilie. Das Netzwerk unterstellte Mateschitz ein fiktives Jahreseinkommen von 1,3 Milliarden Euro und leitete daraus seine Steuerleistung ab, die mit jener eine
Aus Staat wird privat
Hätte jemand vor zehn Jahren angefangen, jeden Monat 180 Euro aufs Sparbuch zu legen, dann hätte er zwar real einen Teil seines Vermögenszuwachses schon wieder an die Inflation verloren, trotzdem hat er fast 20.000 Euro zur Verfügung.
Hohe Kosten, niedrige Löhne
Öffentliche Debatten gibt es in Österreich mehr als genug. Aber über die explodierenden Arbeitskosten scheint trotzdem niemand reden zu wollen. Dabei steuert das Land genau hier auf ein gewaltiges Standortproblem zu, wie eine Auswertung der Agenda Austria zeigt.