Wieder verschenkt die Regierung Geld an Pensionisten. Unmittelbar vor einer Wahl. Das führt das Pensionssystem ad absurdum. Und die Jungen zahlen drauf.
Wir lieben unsere Rituale. Zu Beginn jedes neuen Jahres werden wir bessere Menschen, die sich nur noch gesund ernähren und viel Sport betreiben. Pünktlich zum 1. Mai hissen wir die rotweißrote Fahne und kurz vor jeder Wahl lassen wir uns von der Politik ein kleines Pensionsgeschenk machen. Gewählt wird hierzulande ja immer irgendwo, dieses Mal eben in Oberösterreich. Weshalb die türkis-grüne Regierung noch schnell höhere Pensionen beschlossen hat. Sehr zur Freude der Bezieher „kleiner“ Renten, die mehr Geld erwarten dürfen als alle anderen. Für sie gibt es statt der gesetzlich vorgeschriebenen Inflationsabgeltung von 1,8 Prozent gleich drei Prozent mehr. Das ist nur menschlich, werden viele denken. Wer würde Mindestpensionisten nicht ein bisschen mehr Geld für den Lebensabend gönnen?
Der Vorsitzender der Alterssicherungskommission, Walter Pöltner, hat aus Protest gegen diese Art der Pensionspolitik seinen Rücktritt erklärt. Das ist schon deshalb überraschend, weil Pöltner ein gestandener Sozialdemokrat ist. Und welcher Sozialdemokrat könnte gegen mehr Geld für Mindestrentner sein? Das ist auch Walter Pöltner nicht. Ihn stört vielmehr, dass über das Pensionssystem Sozialpolitik betrieben und so das Versicherungsprinzip ausgehöhlt wird. Soll heißen: Wer weniger in das Pensionssystem eingezahlt hat, bekommt mehr heraus und umgekehrt. Und genau das sei systemwidrig, so Pöltner. Womit er völlig recht hat. Pensionisten mit mehr als 1543 Euro brutto im Monat haben seit dem Jahr 2011 an Kaufkraft verloren, wie meine Kollegen von der Agenda Austria errechnet haben. Je höher die Pension, desto größer die Einbußen.
Abgesehen davon ist diese Vorgangsweise auch nicht treffsicher. Nicht jeder Mindestpensionist ist arm. Viele Menschen haben andere Einkünfte. Und allein 200.000 Menschen haben nur kurz in Österreich gearbeitet und dementsprechend weniger in das Pensionssystem eingezahlt. Für sie ist die kleine Rente aus Österreich nur eine Zusatzpension. Sie bekommen aber eine kräftigere Erhöhung als jeder „Hackler“, der 45 Jahre kontinuierlich seine Beiträge abgeführt hat. Nicht nur Walter Pöltner findet das ungerecht. Seiner Ansicht nach sei der Kampf gegen Altersarmut über das Sozialsystem zu führen, nicht über außertourliche Pensionserhöhungen.
Die Bundesregierung dürfte den Rücktritt Pöltners gelassen hinnehmen. Immerhin sucht ein gewichtiger Störenfried von sich aus das Weite. Und bei der Mehrheit der Bevölkerung kommen außertourliche Pensionserhöhungen immer gut an. Für die Jüngeren ist der Abgang Pöltners hingegen ein weiterer unmissverständlicher Hinweis, dass hier etwas gewaltig aus dem Ruder läuft. Immerhin besteht die einzige Aufgabe der Kommission darin, die Balance zwischen den Generationen nicht aus den Augen zu verlieren. Und genau diese Balance ist längst nicht mehr gegeben. Oder um den Worten Pöltners zu sprechen: „Ich kann in der Politik keinen Ansatz der Verantwortung zwischen den Generationen erkennen“.
Ein messerscharfer Befund. Das heimische Pensionssystem ist ein Umlagesystem – die Aktiven zahlen die Pensionen der vorangegangenen Generation. Seit Jahren aber steigt die Zahl der Pensionisten deutlich schneller als jene der Erwerbstätigen, also der Einzahler. Nicht nur in Österreich, in ganz Europa. Österreich ist allerdings eines der wenigen Länder, die diesen Trend beharrlich ignorieren. Wir werden immer älter, gehen aber immer noch so früh in Pension wie vor vier Jahrzehnten. Die Menschen fallen nicht nur zu früh als Einzahler aus, sie beziehen auch länger eine Pension als vorangegangene Generationen.
Mit verheerenden finanziellen Folgen. Derzeit werden pro Jahr rund 59 Milliarden Euro an die Pensionisten überwiesen. Eingezahlt werden von den Aktiven und deren Arbeitgebern rund 35 Milliarden Euro. Die fehlenden 24 Milliarden Euro müssen aus dem jährlichen Bundesbudget zugeschossen werden. Nur um die Dimension dieses Betrages zu verdeutlichen: Das sind die gesamten Lohnsteuereinnahmen von Jänner bis Oktober. Mit anderen Worten: Die Arbeitnehmer arbeiten fast das ganze Jahr, um mit ihrer Steuerleistung das Finanzierungsloch im staatlichen Pensionssystem zu stopfen. In so einer Phase würde jede verantwortungsvolle Regierung gegensteuern. Sie würde das gesetzliche Pensionsantrittsalter erhöhen und einen funktionstüchtigen Arbeitsmarkt für Ältere schaffen. Zusätzlich zu einer großen Reform könnten immer noch Kleinstpensionisten aus einem sozialen Topf unterstützt werden – sofern sie tatsächlich bedürftig sind. Aber stattdessen führt die Regierung unter dem jüngsten Kanzler der Republik das System Werner Faymann fort und verschenkt Geld an die Pensionisten. Derselbe Sebastian Kurz, der noch vor Jahren das wachsende Defizit im staatlichen Pensionssystem zu Recht als eines der großen finanziellen Probleme dieses Landes erkannt hat. Verstehe diese Art der Politik, wer will. Walter Pöltner tut es nicht. Und dafür muss man ihm dankbar sein.
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