Schulden sind nicht gratis
- 09.04.2021
- Lesezeit ca. 3 min
Nach der Krise muss Österreich die Schulden abbauen und Reformen einleiten. Denn die nächste Krise kommt bestimmt.
Die Schuldenstände steigen und steigen und niemanden scheint es zu jucken. Dabei sind die Zahlen schon recht eindeutig. 97 Prozent der Wirtschaftsleistung. In derartige Höhen stiegen die Schuldenstände in der Eurozone zuletzt an. Österreich liegt hier bei 79 Prozent. In einer fernen Vergangenheit war 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts mal die Obergrenze – diesen Wert hat Österreich übrigens kein einziges Mal seither erreicht. Heute ist das nicht mehr als ein Eintrag in den Geschichtsbüchern. Aber Moment! Sollen wir ausgerechnet in der Krise die Schulden drosseln? Natürlich nicht. Das Problem hoher Schulden liegt nicht an steigenden Ausgaben in Krisenzeiten. Die Unterstützung durch staatliche Maßnahmen ist wichtig, um die Krise abzufedern.
Die Probleme entstanden schon davor. Weil die Schuldenstände zwischen den Krisen nicht ausreichend reduziert wurden. Zu hohe Staatsschulden sind nicht nur ein Problem für den Staatshaushalt, sondern auch für die Geldpolitik. Normalerweise sollte eine Zentralbank für Preisstabilität verantwortlich sein. Im Falle der EZB wäre dieses Ziel bei einer Inflationsrate von knapp zwei Prozent erreicht. Die Staaten sind für ihre Schuldenstände verantwortlich. Dafür, dass sie zahlungsfähig bleiben. Das ist die Theorie. In der Praxis sieht es leider anders aus.
Die Schuldenstände sind während der Coronakrise explodiert. Und sie werden durch die aktuelle EZB-Politik noch weiter befeuert. Die Staatsanleihenkäufe der EZB laufen mittlerweile seit Jahren und wurden in der Krise noch weiter erhöht. Diese Ankäufe führt sie zwar als eine von Staaten unabhängige Zentralbank durch. Mit dem Ziel der Preisstabilität. Aber trotzdem wird Neuverschuldung für die Staaten dadurch immer attraktiver. Reformwillen und Schuldenreduktion sind in vielen Eurostaaten nur noch Fremdwörter.
Die EZB wird ihre Politik ändern müssen, spätestens wenn die Inflation bei zwei Prozent liegt. Im Wirtschaftsaufschwung wird sie wieder an dieser Marke kratzen. Wenn die Bevölkerung wieder konsumiert und Unternehmen investieren. Sollte die EZB die Anleihen verkaufen, werden sich die Euroländer nicht mehr so günstig verschulden können. Dass dann bestimmte Staaten wie etwa Italien Probleme mit seiner Zahlungsfähigkeit bekommen könnten, ist keine Überraschung.
Sollte die EZB im Aufschwung die Anleihen tatsächlich wieder verkaufen, zeigt sie, dass sie als unabhängige Notenbank die Oberhand behält. Tut sie es nicht, ordnet sie sich den Staaten unter. Kauft sie weiter Anleihen, würde die Inflation vermutlich weiter steigen. Die EZB hätte in ihrer Rolle versagt, wäre zum Finanzierungsinstrument der Staaten verkommen.
Dieses Phänomen ist weitreichend bekannt: In den 1970er und 1980er Jahren hatte die Fiskalpolitik die Geldpolitik nicht nur in den USA fest im Griff. Auch in Japan ist nicht ganz klar, wer hier nun das Sagen hat: Die Bank of Japan oder die japanische Regierung.
Um nicht in dieses Dilemma zu kommen, benötigt es nach der Krise eine klare Verpflichtung zu Reformen und einer Reduktion der Schuldenstände. Denn es zeigt sich: Staaten mit Schuldenbremsen erholten sich in der Vergangenheit im Wirtschaftsaufschwung nach Krisen besser. Diese Fiskalregeln wurden während den Krisen ausgesetzt. Aber die Staaten hatten dadurch mehr Spielraum.
Das bedeutet, dass wir nach der Krise die Budgetkonsolidierung angehen müssen. Die notwendigen Reformen wie etwa die des Pensionssystems sollten ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. Denn die nächste Krise kommt bestimmt.
Gastkommentar von Heike Lehner in der “Die Presse” (09.04.2021).
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