Wo am meisten kurz gearbeitet wurde
- 23.11.2020
- Lesezeit ca. 3 min
Eine kurzfristige Rettung mit langfristigen Problemen?
Es ist unumstritten, dass die Einführung der Kurzarbeit zu Beginn der Krise ein richtiger Schritt seitens der Politik gewesen ist.[1] Kurzarbeit trägt zum Erhalt von Arbeitsplätzen bei und Unternehmen können schneller reagieren, wenn die Nachfrage nach der Krise wieder zunimmt. [2] Zusätzlich können Kosten für Entlassungen und Neueinstellungen von Fachkräften vermieden werden und der Staat spart die Arbeitslosenunterstützung. Aber auch für Arbeitnehmer bringt die Kurzarbeit Vorteile.[3] Ohne Kurzarbeit wäre die Arbeitslosigkeit – insbesondere zu Jahresbeginn – deutlich stärker angestiegen. Dies hängt damit zusammen, dass im April einerseits die meisten Menschen tatsächlich an der Kurzarbeit teilnahmen und andererseits auch die Stundenreduktion mit 54 Prozent der normalen Arbeitszeit am höchsten ausgefallen ist, wie eine Sonderauswertung des AMS für die Agenda Austria zeigt.
Allein im April konnten so Schätzungen zufolge rund 560.000 Arbeitsplätze gerettet werden. Mit September waren rund 116.000 Menschen noch in Kurzarbeit, die durchschnittliche Reduktion der Arbeitszeit lag bei 32 Prozent. Das bedeutet, dass noch vor dem zweiten Lockdown die Existenz von mehr als 37.000 Jobs von der Kurzarbeit abhängig war. Der neuerliche Lockdown wird diese Zahl unweigerlich wieder steigen lassen.
Aktuell stellt die Kurzarbeit also eine wichtige Unterstützung für den Arbeitsmarkt dar. Allerdings führt anhaltende Kurzarbeit auch zu Problemen. So werden auf diese Weise Arbeitskräfte in Betrieben gehalten, die so nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Zudem verzögert sich der Strukturwandel, der durch Krisen immer vorangetrieben wird.[4] Auch eine Analyse des Krisenjahres 2009 für Deutschland kommt zum Schluss, dass die Kurzarbeit Arbeitsplätze nicht nachhaltig sichern kann, wenn eine dauerhafte Beschäftigungsperspektive fehlt.[5] Das führt zu einer ineffizienten Arbeitsverteilung, reduziert die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und wirkt sich im Aufschwung negativ aus.
Denn in der Kurzarbeit werden Mitarbeiter zur Reduktion ihrer Arbeit gezwungen, während andernorts bereits wieder Fachkräfte gesucht werden. Um zwei praktische Beispiele zu bringen: Während in Oberösterreich in einem boomenden Industriebetrieb dringend Arbeitskräfte gesucht werden, sind wenige Kilometer in einem anderen Produktionsunternehmen Mitarbeiter auf Kurzarbeit. Und während die Ferienhotellerie in den Bergen saisonal bedingt nach Fachkräften sucht, sind in der Stadthotellerie unzählige Beschäftigte auf Kurzarbeit. Zwar können sich vorübergehend positive Beschäftigungseffekte durch die Kurzarbeit einstellen, auf längere Sicht ergeben sich aber auch negative Effekte auf die Löhne von kurzarbeitenden Arbeitnehmern. Gleichzeitig sinken kurzfristig Wachstum und Investitionstätigkeit der betroffenen Firmen.[6]
Trotz der wirtschaftsstarken Sommermonate befinden sich noch immer mehr als 100.000 Menschen in Kurzarbeit. Zum Vergleich: Im Krisenjahr 2009 waren es in jedem Monat weniger als 40.000 Personen. Es ist zunehmend fraglich, ob die Kurzarbeit weiterhin das richtige Instrument ist. Je länger die Kurzarbeit andauert, desto weniger kann sie den Kriseneffekt abfedern und desto größer sind die Kosten für die Jahre nach der Krise.
Fußnoten
- Siehe auch Gabela & Sarmiento (2020). ↩
- Europäische Kommission (2012). ↩
- Cahuc (2019). ↩
- OECD (2020). ↩
- Crimmann & Wießner (2009). ↩
- Speckesser (2010) analysierte Kurzarbeit basierend auf zwei Datensätzen, dem deutschen Sozio-ökonomischen Panel (SOEP) und dem IAB-Betriebspanel. Dabei lag ein besonderer Fokus auf den Langzeiteffekten der Kurzarbeit auf Firmen und Arbeitnehmer. ↩
Mehr interessante Themen
Sozialer Wohnbau: Das Vermögen der (gar nicht so) kleinen Leute
Auch wenn es niemand glauben mag: Wohnen in Österreich ist vergleichsweise günstig. Die Wohnkostenbelastung der Haushalte beträgt im Schnitt rund 19 Prozent des verfügbaren Einkommens. Damit liegen wir im EU-Vergleich im Mittelfeld. Mieterhaushalte zahlen natürlich mehr als Eigentümer, aber mehr als drei Viertel von ihnen profitieren hierzula
Bildungskarenz: Ich bin dann mal weg!
Die Bildungskarenz war eine gute Idee, erfüllt aber nicht die von der Politik gesetzten Ziele – und wird immer teurer. An einer grundlegenden Reform führt kein Weg vorbei.
Die Schuldenbombe tickt: Wird Österreich das neue Italien?
Mehr als ein Jahrzehnt lang konnten sich Staaten kostenlos verschulden, die Zinsen lagen praktisch bei null. Damit sollten den Staaten Zeit erkauft werden, sich nach der Finanzkrise zu modernisieren. Statt diese Zeit aber für Reformen zu nutzen, wurde das vermeintliche Gratisgeld mit beiden Händen ausgegeben. Österreich muss seinen Ausgabenrausc
Was die Preise in Österreich so aufbläht
Die Inflation in Österreich hält sich hartnäckig. Fast acht Prozent waren es im Jahr 2023. Für das Jahr 2024 werden vier Prozent vorhergesagt. Während viele andere Länder schon aufatmen können, ist die Inflationskrise für uns also noch nicht vorbei. Warum tut sich gerade Österreich so schwer? Wir prüfen drei Thesen.
Balken, Torten, Kurven Zweitausenddreiundzwanzig
Die Zeit der Lockdowns und Ausgangssperren war vorbei, die Wirtschaft zeigte sich nach den verheerenden Corona-Jahren in bester Laune, nur die hohe Teuerung hat uns die gute Stimmung verdorben (vom Finanzminister einmal abgesehen – der freute sich).
E-Government: „Hobn’S kan Ausweis?“
Die öffentliche Verwaltung soll digitalisiert werden. Das verspricht die Politik seit Jahren. Diverse Angebote gibt es bereits, doch der große Durchbruch wollte bisher nicht gelingen. Das liegt nicht nur an der Regierung. Auch die Bürger müssten, im eigenen Interesse, etwas mehr Bereitschaft zur Veränderung aufbringen.