Lagen wir falsch? Geht es den Spaniern in der Krise besser als uns?
- 23.02.2023
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Ziel 2: Werden die Ursachen der Inflation bekämpft?
Da Spanien direkt in die Preise eingreift, geht ihre Lenkungswirkung ein Stück weit verloren. Man sieht das am Gasverbrauch in beiden Ländern: Österreich hat im letzten Jahr um rund elf Prozent weniger Gas verbraucht als im Vorjahr; EU-weit lag der Rückgang bei 13 Prozent. Spanien hat seinen Verbrauch dagegen nur geringfügig reduziert. Dasselbe trifft auf Portugal zu, wo der iberische Gaspreisdeckel ebenfalls gilt. Während also die meisten europäischen Länder alle Hebel in Bewegung gesetzt haben, möglichst wenig Gas zu verbrauchen, wurde in Spanien keine Anpassung für nötig erachtet.
Nun könnte man einwenden, dass Gassparen in Spanien weniger wichtig ist, weil das Land bereits vor der Krise einen guten Zugang zu LNG hatte und nicht von russischen Lieferungen abhängig war. Für Österreich war das keine Option; hier fehlte es an Gas. Langfristig kann es sich für Spanien und einige andere Länder aber noch rächen, dass sie die Inflation in den verschiedensten Lebensbereichen zu unterdrücken suchen.
Das gilt besonders für Maßnahmen, die man nicht ewig durchhalten kann. Zum Beispiel wurde in Spanien die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel ausgesetzt. Vielleicht bleibt man sogar dauerhaft dabei; der Steuersatz betrug ohnehin nur vier Prozent. Doch in Österreich wäre so eine Maßnahme wohl nur temporär möglich. Unklar ist auch, in welchem Ausmaß die Supermärkte diese Steuersenkung weitergeben würden. Wenn die Aussetzung irgendwann endet, werden die Preise sprunghaft nach oben gehen. Dieses Phänomen war zu beobachten, als während der Corona-Pandemie die Mehrwertsteuer auf touristische Dienstleistungen ausgesetzt wurde.[1] Die Steuersenkung wanderte direkt in die Kassen der Betriebe, obwohl in dieser Branche eine Steuersenkung vielleicht eher weitergegeben werden würde als im Lebensmittelhandel. Schmerzlich wird uns hierzulande auch bewusst, dass die Aussetzung der Mieterhöhungen im regulierten Wohnungsmarkt im Jahr 2021 keine gute Idee war. Nun müssen die Haushalte die jahrelang verschleppten Valorisierungen auf einmal und zum ungünstigsten Zeitpunkt nachholen. Spanien hat auch dafür eine Lösung gefunden: eine Mietpreisbremse. Sie dürfte mit den sinkenden Verbraucherpreisen zwar wenig zu tun haben – 75 Prozent der Spanier wohnen im Eigenheim, daher spielen die Mieten auch im spanischen Warenkorb nur eine untergeordnete Rolle (3,6 Prozent).[2]
Die langfristigen Auswirkungen auf den ohnehin schon kleinen und teuren spanischen Mietwohnungsmarkt sind jedoch abzuwarten. Die Erfahrung mit Mietpreisbremsen lehrt, dass sie die Zahl der Mietwohnungen auf lange Sicht noch mehr reduzieren, weil sich der Immobilienmarkt dann stärker auf Eigentumswohnungen konzentriert. In diesem Fall profitieren vor allem Besserverdiener, die zu vergleichsweise preiswerten Eigentumswohnungen kommen. Sie sind es auch, die im Zweifel die wenigen, aber günstigen Mietwohnungen erhalten, da die Vermieter weiterhin auf den Lohnzettel schauen.
Daher: Nein. Spanien bekämpft keinesfalls die Ursachen der Inflation. Die künstlich niedrigen Preise lassen nur die Symptome auf den ersten Blick weniger stark erscheinen.
Aber auch Österreich taugt hier nicht als Vorbild. Indem die Teuerung für alle Haushalte weitreichend kompensiert wird und die Hilfen nicht nur Bedürftigen zugutekommen, wird die Nachfrage noch zusätzlich gestützt. Da die aktuelle Inflation durch eine Verknappung des Angebots getrieben ist, schiebt diese Politik die Teuerung sogar noch leicht an. Die EZB weist darauf hin, dass vor allem dauerhafte und nicht zielgerichtete Hilfen, die zudem Sparanreize entziehen (etwa den, weniger Energie zu verbrauchen), den Inflationsdruck in der Eurozone verschärfen könnten.[3] Auch wenn manche der Maßnahmen – wie in Spanien – kurzfristig inflationsdämpfend gewirkt haben, erwartet man in Frankfurt mit dem Auslaufen dieser Maßnahmen ab 2024 verstärkende Effekte auf die Teuerung.
Fußnoten
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