“Gierflation”? Die Gier mag real sein – aber schuld an der Inflation ist sie nicht.
- 07.09.2023
- Lesezeit ca. 4 min
Wie passt nun „sellers’ inflation“ in das ökonomische Konzept?
So weit also die gängige Erklärung: Der Preis bringt Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht; wenn die Nachfrage steigt oder das Angebot zurückgeht, erhöhen sich die Preise.
Aber fliegen die höheren Preise etwa von allein in die Auslagen? Nein. Die unsichtbare Hand des Marktes greift nicht selbst zum Etikettiergerät. Hinter den beschriebenen Effekten stecken im Einzelnen immer Unternehmensentscheidungen. Sie antworten mit höheren Preisen auf ein gesunkenes Angebot bei gleichbleibender Nachfrage. Dass der Staat durch zahlreiche Hilfsmaßnahmen und eine expansive EZB-Geldpolitik die Nachfrage angetrieben hat, sorgte dabei noch für zusätzlichen Preisdruck. Auch dass derzeit viele den in Corona-Zeiten entgangenen Konsum nachholen wollen – was man auch an den vollen Flughäfen sehen kann –, ist nicht gerade hilfreich.
Seller’s inflation liefert Erzählungen über ebendiese Unternehmensentscheidungen. Der Begriff beschreibt, wie Unternehmen während und nach Corona plötzlich veränderte Wettbewerbsbedingungen vorfanden, weil die Produkte ihrer Konkurrenten im Hafen von Shanghai feststeckten. Oder wie Unternehmen in Branchen, in denen Preise sehr langfristig fixiert werden, aus Unsicherheit über die nahe Zukunft die Preise sicherheitshalber stärker erhöhten. Die Unternehmen sind freilich immer noch sogenannte Preisnehmer; sie schreiben also keine Wunschpreise in ihre Werbeprospekte, sondern die Marktsituation diktiert ihnen, welche Preise möglich sind. Aber in der aktuellen Lage erlaubt der Markt eben manchen Unternehmen, höhere Preise zu verlangen. Dass Effekte einiger weniger Unternehmen allerdings auf der Makroebene zu einer Inflation dieses Ausmaßes bzw. überhaupt zu messbaren Effekten auf der Makroebene führen sollen, scheint mehr als fraglich. Dass Anbieter die Preise anheben, ist das Symptom von Inflation, nicht der Auslöser!
Nun mag es vielen nicht gefallen, dass Unternehmen bei großer Nachfrage und begrenztem Angebot die Preise erhöhen. Doch das gehört zum Wesen unseres marktwirtschaftlichen Systems und ist sehr nützlich: Preise drücken Knappheiten aus. Solange noch jemand eine Ware zu einem bestimmten Preis kaufen möchte, wird auch dieser Preis verlangt werden und nicht weniger. Hohe Gewinnaufschläge motivieren andere Hersteller, in den Markt einzusteigen und selbst zu etwas niedrigeren Preisen anzubieten. Dadurch wird das Angebot ausgeweitet und die Nachfrage kann wieder bedient werden. Bis dahin leiten die hohen Preise die knappen Güter dorthin, wo sie am dringendsten gebraucht werden und wo daher die höchste Zahlungsbereitschaft besteht. Diese Funktion eines Marktes kann für Einzelne bittere Konsequenzen haben, muss aber sein, damit die Preise irgendwann wieder sinken können. Freilich darf diese Preissetzung durch den Markt nicht dazu führen, dass sich Menschen lebenswichtige Dinge nicht mehr leisten können. Deshalb kann es notwendig sein, Bedürftige zu unterstützen. Das ist in Österreich umfangreich passiert. Allerdings wurden nicht nur die Bedürftigen mit Hilfsgeldern ausgestattet, sondern alle.
Mehr interessante Themen
Sozialer Wohnbau: Das Vermögen der (gar nicht so) kleinen Leute
Auch wenn es niemand glauben mag: Wohnen in Österreich ist vergleichsweise günstig. Die Wohnkostenbelastung der Haushalte beträgt im Schnitt rund 19 Prozent des verfügbaren Einkommens. Damit liegen wir im EU-Vergleich im Mittelfeld. Mieterhaushalte zahlen natürlich mehr als Eigentümer, aber mehr als drei Viertel von ihnen profitieren hierzula
Bildungskarenz: Ich bin dann mal weg!
Die Bildungskarenz war eine gute Idee, erfüllt aber nicht die von der Politik gesetzten Ziele – und wird immer teurer. An einer grundlegenden Reform führt kein Weg vorbei.
Die Schuldenbombe tickt: Wird Österreich das neue Italien?
Mehr als ein Jahrzehnt lang konnten sich Staaten kostenlos verschulden, die Zinsen lagen praktisch bei null. Damit sollten den Staaten Zeit erkauft werden, sich nach der Finanzkrise zu modernisieren. Statt diese Zeit aber für Reformen zu nutzen, wurde das vermeintliche Gratisgeld mit beiden Händen ausgegeben. Österreich muss seinen Ausgabenrausc
Was die Preise in Österreich so aufbläht
Die Inflation in Österreich hält sich hartnäckig. Fast acht Prozent waren es im Jahr 2023. Für das Jahr 2024 werden vier Prozent vorhergesagt. Während viele andere Länder schon aufatmen können, ist die Inflationskrise für uns also noch nicht vorbei. Warum tut sich gerade Österreich so schwer? Wir prüfen drei Thesen.
Balken, Torten, Kurven Zweitausenddreiundzwanzig
Die Zeit der Lockdowns und Ausgangssperren war vorbei, die Wirtschaft zeigte sich nach den verheerenden Corona-Jahren in bester Laune, nur die hohe Teuerung hat uns die gute Stimmung verdorben (vom Finanzminister einmal abgesehen – der freute sich).
E-Government: „Hobn’S kan Ausweis?“
Die öffentliche Verwaltung soll digitalisiert werden. Das verspricht die Politik seit Jahren. Diverse Angebote gibt es bereits, doch der große Durchbruch wollte bisher nicht gelingen. Das liegt nicht nur an der Regierung. Auch die Bürger müssten, im eigenen Interesse, etwas mehr Bereitschaft zur Veränderung aufbringen.