Adam Smith: Klimaaktivist
- 27.04.2023
- Lesezeit ca. 4 min
Und jetzt alle!
Wenn CO2-Bepreisung der Grundstein der globalen Klimapolitik sein soll, dann muss sie in allen Lebensbereichen, in allen Ländern und für immer gelten. Klingt unmöglich? Vergessen wir nicht, dass sich die Welt in Paris völkerrechtlich verpflichtet hat, die Emissionen zurückzufahren. Wenn Europa der erste klimaneutrale Kontinent wird, weil das EU-ETS funktioniert und mit wachsendem Wohlstand vereinbar ist, dann wird es Nachahmer finden.
Bleiben wir daher zunächst in Europa. Noch sind die Mitgliedstaaten in vielen Bereichen selbst verantwortlich. Österreich organisiert die Besteuerung in den Sektoren, die nicht vom ETS erfasst sind, seit Oktober 2022 in Form einer Steuer in Höhe von 30 Euro je Tonne CO2. Der Preis steigt dieses Jahr auf 35 Euro und dann jährlich um jeweils 10 Euro, bis er 2025 bei 55 Euro je Tonne ankommen wird.[1] Anschließend soll das System in ein Emissionshandelssystem überführt werden.
Auch eine Ebene darüber ist man nicht untätig. Erst im April 2023 gab es weitreichende Beschlüsse: Bis spätestens 2027 wird die EU ein zweites ETS einführen, das die Bereiche Gebäude und Straßenverkehr umfasst. Beide Sektoren gehören zweifellos noch zu den Sorgenkindern. Damit würden dann EU-weit rund drei Viertel der CO2-Emissionen einem einheitlichen Bepreisungsmechanismus unterliegen. Bei der Einbindung möglichst vieler Sektoren gilt es, keine Zeit zu verlieren. Je später der Einstieg erfolgt, desto stärker dürften dann die Preise steigen müssen, um die Einsparziele zu erreichen. Beim ETS I hat schon die langjährige Perspektive auf steigende Preise ausgereicht, um Aktivitäten anzureizen. So viel Zeit hat man nun aber nicht mehr.
Wenn die geplanten Maßnahmen kommen, dann werden Treibhausgasemissionen in Europa bald lückenlos bepreist sein. Doch damit ist noch nichts gewonnen. Die EU verzeichnet etwas mehr als sechs Prozent der globalen Emissionen. Allein kann sie das Klima also nicht retten. Wie bekommt man das europäische System auf die ganze Welt ausgeweitet? Oder gibt es vielleicht andernorts ebenfalls gute oder sogar bessere Systeme, die sich als Benchmark eignen?
Das EU-ETS war zwar das erste System seiner Art. Inzwischen liegt der Emissionshandel aber voll im Trend (vgl. Abbildung 5). Das größte System ist inzwischen das chinesische. Es umfasst sogar mehr Emissionen als das EU-ETS. Der Preis ist zwar viel niedriger; das kann aber auch einfach darauf hindeuten, dass die Vermeidungskosten in China eben sehr niedrig sind. Wichtig ist nur, dass die Blasen in der Abbildung im Laufe der Zeit nach rechts wandern und kleiner werden (da mehr Bereiche und Gase abgedeckt werden, die Caps aber sinken müssen).
Ein globales Emissionshandelssystem ist wohl illusorisch. Vielmehr wird es darum gehen, die bestehenden Systeme zu akkordieren. Das Mittel der Wahl könnte hier ein Klimaclub sein, wie ihn der spätere Wirtschaftsnobelpreisträger William Nordhaus schon in den 1990er-Jahren vorgeschlagen hat:[2] In dem Klub könnten sich die wichtigsten Wirtschaftsregionen der Welt zusammenschließen, die über eine vergleichbar ambitionierte CO2-Bepreisung verfügen. Andere Länder können beitreten, wenn sie den Preis übernehmen oder einen Mindestpreis sicherstellen. Länder, die sich nicht dafür qualifizieren, werden über Handelssanktionen – zum Beispiel in Form von Einfuhrzöllen – so (oder schlechter) gestellt, als ob sie eine eigene CO2-Bepreisung eingeführt hätten.
Einen echten Klimaklub gibt es zwar noch nicht.[3] Die Idee, importierte Güter mit einem Zoll in Höhe der nicht im gleichen Ausmaß bepreisten CO2-Emissionen im Herstellungsprozess zu belegen, wird in der EU aber mit der Einführung des CBAM im Jahr 2023 schon verfolgt. Bis 2034 sollen ihm alle Sektoren unterliegen. Er soll verhindern, dass emissionsintensive Produktion ins Ausland verlagert wird und die dort hergestellten Produkte dann importiert werden (Carbon Leakage). Formiert sich daraus wirklich irgendwann ein Klimaclub, dem immer mehr Länder beitreten, dann wird es mit der Zeit immer weniger Zölle brauchen. Das Instrument soll sich selbst abschaffen.
Fußnoten
- Die Bepreisung enthält einen Preisstabilisierungsmechanismus, der dafür sorgt, dass der Preisanstieg im Folgejahr um die Hälfte reduziert/erhöht wird, wenn die Energiepreise in den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres um mehr als 12,5 Prozent steigen/sinken sollten (Köppl et al., 2021). ↩
- Nordhaus (2015). ↩
- Die G7 haben im Jahr 2022 bereits einen „Klimaklub“ gegründet. Er hat jedoch eher symbolischen Charakter (https://www.g7germany.de/resource/blob/974430/2153140/a04dde2adecf0ddd38cb9829a99c322d/2022-12-12-g7-erklaerung-data.pdf?download=1). ↩
Mehr interessante Themen
Sozialer Wohnbau: Das Vermögen der (gar nicht so) kleinen Leute
Auch wenn es niemand glauben mag: Wohnen in Österreich ist vergleichsweise günstig. Die Wohnkostenbelastung der Haushalte beträgt im Schnitt rund 19 Prozent des verfügbaren Einkommens. Damit liegen wir im EU-Vergleich im Mittelfeld. Mieterhaushalte zahlen natürlich mehr als Eigentümer, aber mehr als drei Viertel von ihnen profitieren hierzula
Bildungskarenz: Ich bin dann mal weg!
Die Bildungskarenz war eine gute Idee, erfüllt aber nicht die von der Politik gesetzten Ziele – und wird immer teurer. An einer grundlegenden Reform führt kein Weg vorbei.
Die Schuldenbombe tickt: Wird Österreich das neue Italien?
Mehr als ein Jahrzehnt lang konnten sich Staaten kostenlos verschulden, die Zinsen lagen praktisch bei null. Damit sollten den Staaten Zeit erkauft werden, sich nach der Finanzkrise zu modernisieren. Statt diese Zeit aber für Reformen zu nutzen, wurde das vermeintliche Gratisgeld mit beiden Händen ausgegeben. Österreich muss seinen Ausgabenrausc
Was die Preise in Österreich so aufbläht
Die Inflation in Österreich hält sich hartnäckig. Fast acht Prozent waren es im Jahr 2023. Für das Jahr 2024 werden vier Prozent vorhergesagt. Während viele andere Länder schon aufatmen können, ist die Inflationskrise für uns also noch nicht vorbei. Warum tut sich gerade Österreich so schwer? Wir prüfen drei Thesen.
Balken, Torten, Kurven Zweitausenddreiundzwanzig
Die Zeit der Lockdowns und Ausgangssperren war vorbei, die Wirtschaft zeigte sich nach den verheerenden Corona-Jahren in bester Laune, nur die hohe Teuerung hat uns die gute Stimmung verdorben (vom Finanzminister einmal abgesehen – der freute sich).
E-Government: „Hobn’S kan Ausweis?“
Die öffentliche Verwaltung soll digitalisiert werden. Das verspricht die Politik seit Jahren. Diverse Angebote gibt es bereits, doch der große Durchbruch wollte bisher nicht gelingen. Das liegt nicht nur an der Regierung. Auch die Bürger müssten, im eigenen Interesse, etwas mehr Bereitschaft zur Veränderung aufbringen.