Und jetzt? – Kommentar zur Nationalratswahl
- 17.10.2017
- Lesezeit ca. 4 min
Die künftige Regierung wird den Blick der Bevölkerung wieder nach vorn richten müssen. Dazu braucht es vor allem einmal eines: eine positive Erzählung. – Kommentar von Franz Schellhorn
Endlich. Die Wahlen sind geschlagen, und damit ist auch der wohl schmutzigste aller Wahlkämpfe vorbei. Was bleibt, ist ein schwer vergiftetes politisches Klima und die Frage, ob es die künftige Regierung schaffen wird, den Blick der Bevölkerung wieder nach vorn zu lenken, den Menschen wieder Mut zu machen und sie davon zu überzeugen, keine Angst vor der Zukunft haben zu müssen.
Wer nach vorn schaut, setzt sich ambitionierte Ziele, die auch erreichbar sind. Dabei wird es weniger darum gehen, dass die Bürger weiter mit 60 in Frühpension gehen können. Sondern um eine deutliche Verbesserung des öffentlichen Leistungsangebots. Ob es nun um die Qualität der Kindergärten geht, um die Schulen und Universitäten, um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, um die Gesundheitsversorgung, den Zugang zum Unternehmertum, die Haushaltspolitik oder um die Infrastruktur: In all diesen zukunftsrelevanten Bereichen muss ein Land wie Österreich in der Gruppe der besten zehn Länder zu finden sein.
Österreich muss dorthin, wo andere Länder bereits sind
Also dort, wo Länder wie die Schweiz, Schweden oder die Niederlande längst sind. Nicht um in der Statistik zu glänzen, sondern um sicherzustellen, dass wir in der Welt von morgen nicht auf den Kosten unseres gut ausgebauten Sozialstaates sitzen bleiben, während die Wertschöpfung in andere Erdteile abwandert. Was es jetzt braucht, ist eine klare Wegbeschreibung, wie Österreich wieder nach vorn kommt, wie also die nächste Regierung die Welt von morgen zu gestalten gedenkt. Das ist gar nicht so schwierig, wie es klingen mag:
- Am Beginn steht die positive Erzählung. Österreich ist heute eines der wettbewerbsfähigsten Länder der Welt, deutlich mehr als die Hälfte unseres Wohlstands wird jenseits der Staatsgrenzen erwirtschaftet. Der Wirtschaftsstandort Österreich ist also nicht abgesandelt, doch er steht unter Druck. Aber wir Österreicher werden diesem Druck standhalten und die Herausforderungen meistern. Wer, wenn nicht wir?
- Erfolgsgeschichten leuchten den Weg. Viele vergleichbare Länder mit ähnlich gelagerten Problemen haben diese längst gelöst.
- So haben die Deutschen ihren Staatshaushalt dank der niedrigen Zinsen in die Balance gebracht. Nicht um des Sparens willen, sondern um den Bürgern zu zeigen: Seht her, der Staat kommt mit den Rekordeinnahmen auch aus, er wird also nicht noch tiefer in die Taschen der Bürger greifen. Das schafft Vertrauen.
- Das traditionell sozialdemokratische Schweden hat ähnlich hohe Steuern und Abgaben wie Österreich, aber nur halb so hohe Schulden. Weil die Schweden ihren John Maynard Keynes zu Ende gelesen haben und in guten Jahren jene Überschüsse erwirtschaften, mit denen sie die Defizite der Krisenjahre mehr als ausgleichen. Nicht um der Überschüsse willen, sondern um sicherzustellen, dass die politischen Entscheidungen im schwedischen Parlament getroffen werden und nicht auf den Finanzmärkten.
- Die Niederländer zeigen, wie mehr Wettbewerb dem öffentlichen Bildungssystem auf die Sprünge hilft. Nicht um des Wettbewerbs willen, sondern um Kindern aus allen sozialen Schichten eine gute Schulbildung zu bieten. Im egalitären Holland spielt es keine Rolle, ob sich die Eltern für eine staatliche oder eine private Schule entscheiden – das öffentliche Geld geht mit dem Kind zur Schule. Während Privatschulen in Österreich nur Kindern Wohlhabender offenstehen (und natürlich den Nachkommen von Politikern, die zwar gerne dem Staat das Wort reden, aber ihre Kinder dann doch in die Privatschule schicken).
- Die Briten wiederum reden nicht nur von der Entbürokratisierung, sondern ziehen sie auch durch. Neue Gesetze werden mit einem Ablaufdatum versehen, womit Regulierungen automatisch auslaufen. Nicht um des Entbürokratisierens willen, sondern um den Bürgern mehr Freiraum zu verschaffen, statt ihnen bei jedem Handgriff von sicherheitsvernarrten Staatsbeamten über die Schulter schauen zu lassen.
- Entschlossen regieren. Die Sozialpartner sollten nicht länger mit Regierungsarbeit belastet werden, sondern sich voll und ganz den Lohnverhandlungen widmen können. Und der Regierung bleibt nur eine wichtige Aufgabe: Couragiert und entschlossen regieren und fünf Jahre lang das tun, was sie für richtig hält. Auch wenn sie damit riskiert, abgewählt zu werden. Das ist das unternehmerische Risiko des Politikers, aber letztlich auch die große Chance, wiedergewählt zu werden: Politisches „Leadership“ ist nämlich das, was diesem Land seit Jahren fehlt.
Niemand weiß, wie das die nächsten Jahre laufen wird. Was wir aber wissen, ist, dass wir Österreicher die allerbesten Voraussetzungen für ein Leben in Wohlstand und sozialem Frieden vorfinden. Was andere Länder geschafft haben, kriegen wir allemal hin. Wir müssen nur noch wollen.
Kommentar von Franz Schellhorn im „profil“, 16.10.2017
Mehr interessante Themen
Man wird ja noch Kommunist sein dürfen
Franz Schellhorn meint, dass die Regierung selbst den Boden für die linken und rechten politischen Ränder bereite, indem sie die Menschen unterschiedslos für bedürftig erkläre und mit Geldgeschenken überhäufe.
Der schrittweise Ausstieg aus der Kurzarbeit
Ein Vorschlag der Agenda Austria
Wenn es von Seiten der Regierung zu keinen weiteren Einschränkungen kommt, sollte die kommende Phase für den schrittweisen Ausstieg aus der Kurzarbeit genutzt werden. Nach den gesundheitsbedingten Einschränkungen gilt es im wirtschaftlichen Aufschwung verstärkt auf die Schaffung neuer Jobs zu setzen.
Wie sich die Kurzarbeit-Reform auswirkt
Trotz Absenkung der Ersatzraten führt das vorgeschlagene Kurzarbeitsmodell dazu, dass Arbeitnehmer in Kurzarbeit weiterhin zumindest 80 Prozent des Nettoverdienstes vor der Kurzarbeit erreichen. Ist der Arbeitnehmer über die erforderliche Mindestarbeitszeit hinaus beschäftigt, entspricht der Verdienst in Kurzarbeit bis zu 96 Prozent des vorherig
Welche Regierung braucht Österreich?
Hierzulande wird viel darüber diskutiert, wie die künftige Regierungskonstellation aussehen könnte. Die wichtigste Frage wird nicht gestellt.
Die Macht der Pensionisten
Die Pensionisten werden eine immer wichtigere politische Machtbasis. Ihre Zahl ist zwischen 2002 und 2018 um rund 360.000 gewachsen, mittlerweile kommen fast 30 Prozent aller Stimmen aus der Bevölkerung im Ruhestand.
Was sich nach dieser Wahl ändern sollte
Im "freien Spiel der Kräfte" wurden Milliarden an zusätzlichen Ausgaben beschlossen -Geld, das sich der Staat von nachkommenden Generationen leiht, ohne sie zu fragen.