Griechenland: Ohne alte Schulden ins neue Glück?
- 26.06.2015
- Lesezeit ca. 4 min
Immer vehementer wird gefordert, Griechenland jene Schulden zu erlassen, die es ohnehin nie zurückzahlen kann. Dabei sind die hohen Verbindlichkeiten keineswegs das größte Problem des Landes.
Griechenland wird, so heißt es allerorten, seine Schulden ohnehin nie zurückzahlen können. Warum also nicht der Forderung von Alexis Tsipras nach einem Schuldenschnitt und einer „politischen Lösung“ (frisches Geld mit wenigen Auflagen) nachgeben? So könnten die Hellenen doch endlich aus dem Austeritäts-Jammertal herauskommen und neu durchstarten.
Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand wäre freilich, dass Griechenland nach diesem Neustart ohne finanzielle Hilfen von außen auskommt. Danach sieht es bedauerlicherweise ganz und gar nicht aus. Griechenland fehlt es nämlich noch immer an Produktivität und damit an Wettbewerbsfähigkeit:
Die Hellenen liegen weit unter dem EU-Durchschnitt und gehören zu den Euro-Ländern mit den niedrigsten Werten. Nach dem Euro-Beitritt hat Griechenland zunächst die Löhne massiv erhöht, weit über das hinaus, was erwirtschaftet wurde. Das gilt vor allem für die staatsnahe Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung. Die niedrige Produktivität bei einem immer noch zu hohem Lohnniveau zeigt, dass die Wirtschaft und damit das griechische Volk immer noch unter einem aufgeblähten Staatsapparat leidet. Daran hat Tsipras, der eine neue Politik versprochen hat, genauso wenig geändert wie seine Vorgänger aus den „Altparteien“.
Erfolgreiche Reformen in Irland, Spanien und Portugal
Besonders auffällig: Seit dem Ausbruch der Krise 2008 ist es Krisenländern wie Irland, Spanien und Portugal gelungen, die Produktivität um das Drei- bis Vierfache dessen zu steigern, was Griechenland zugelegt hat. Dafür wird vielerorts der „Austeritätskurs“ verantwortlich gemacht – doch das gilt natürlich auch für Länder wie Irland, Spanien und Portugal. Diese Länder haben allerdings im Unterschied zu Griechenland Reformen durchgeführt, vor denen sich Athens Regierungen der letzten Jahre gedrückt haben.
Dies bestätigt selbst Jürgen Habermas in der „Süddeutschen Zeitung“, der zwar die Politik Angela Merkels nicht gutheißt, aber grundsätzlicher Antipathien gegenüber der Regierung von Alexis Tsipras unverdächtig ist: Diese hätte, so der Philosoph, „ihre Absicht glaubhaft machen müssen, die fällige Modernisierung von Staat und Wirtschaft durchzuführen, einen Lastenausgleich vorzunehmen, Korruption und Steuerflucht zu bekämpfen“.
Drehen an der Steuerschraube greift zu kurz
Ein Blick auf die Vorschläge, die Tsipras & Co. den Institutionen in den letzten Tagen vorgelegt haben, bestätigt diesen Befund. Da soll die Unternehmensbesteuerung auf ein Niveau steigen, bis auch der letzte Investor lieber nach Bulgarien geht. Zudem wehren sich die Regierungsparteien gegen die Forderung der Gläubiger, von 4,27 Milliarden Euro an Verteidigungsausgaben 400 Millionen Euro zu kürzen – obwohl Athen gemessen an seinem BIP doppelt so viel für die Streitkräfte ausgibt wie Deutschland (von Österreich gar nicht zu reden). Was künftiges Wachstum bringen würde – die Liberalisierung des Arbeits- und Strommarktes, sowie Privatisierungen – ist für die Syriza-Hardliner ohnehin tabu. Statt dessen wird lieber die Mehrwertsteuer auf verarbeitete Lebensmittel von 13 auf 23 Prozent angehoben und verbissen für den Erhalt der Steueroase Mykonos gekämpft.
Das Drehen an der Steuerschraube, und vor allem darauf setzen auch noch die jüngsten Vorschläge aus Athen, greift daher zu kurz. Im Gegenteil: Höhere Steuern für Private wie Unternehmen werden erst recht kein Wachstum zulassen. Bleibt es also bei dem, was derzeit diskutiert wird, ist ein Schuldenschnitt sinnlos: Griechenland wird dann nämlich weiter Schulden machen müssen und in ein paar Jahren wieder dort stehen, wo es heute ist. Zumal die Belastung des griechischen Haushalts durch den Zinsendienst gemessen an der Wirtschaftsleistung derzeit niedriger ist als in Ländern wie Portugal oder Irland. Das ist also nicht das Problem. Vielmehr, dass dem griechischen Fass noch kein Boden gegeben wurde.
Es sieht also ganz danach aus, als müssten sich die Gläubiger zwischen einem Ende mit (einem zeitlich begrenzten) Schrecken und einem Schrecken ohne Ende entscheiden.
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