Konjunktur & Wachstum

Gibt es (wirtschaftliches) Leben ohne russisches Gas?

Wie abhängig ist Österreich/Europa derzeit von Russland? 

Europa und Österreich sind zu einem hohen Grad von russischem Gas abhängig. So stammen vor allen Dingen ein Großteil der Gasbezüge Ost- und Mitteleuropas aus Russland (siehe Abbildung 1). In Westeuropa spielt Norwegen als Lieferant eine relativ große Rolle, in Südwesteuropa LNG. Österreich bezieht 80,24 Prozent seines Gases letztlich aus Russland. Zudem spielt die Bedeutung des Gases in der Energieversorgung eine Rolle. Wenn dies berücksichtigt wird, ist ersichtlich, dass russisches Gas vor allen Dingen im Osten Europas ein wichtiger Energieträger ist. Abbildung 2 zeigt, dass die Abhängigkeit von russischem Gas hier besonders groß ist. Österreich nimmt mit 21,8 Prozent einen Platz im Spitzenfeld ein. In Westeuropa besteht hingegen nur eine sehr geringe Abhängigkeit. Gas benötigt zudem eine spezielle Infrastruktur für die Lieferung, sodass ein Wechsel zu alternativen Verkäuferländern nicht so einfach möglich ist. Auch bei Erdöl und Kohle ist Russland der wichtigste Lieferant der EU-Länder. Jedoch könnten wir diese leichter mit Importen aus anderen Ländern ersetzen.

Wieso steigen die Gaspreise in der EU viel stärker als in den USA?

Weil die EU deutlich stärker von russischem Gas (aber auch Erdöl) abhängig ist als die USA, die selbst mehr Gas fördern als sie verbrauchen. In den USA spielt die Förderung von Schiefergas mittels Fracking eine große Rolle. Ein derzeit diskutierter Ausstieg aus russischem Gas (oder ein Lieferstopp von Seiten Russlands) würde sich also viel stärker in der EU bemerkbar machen als in den USA. Dieses hohe Risiko einer Angebotsknappheit treibt die Preise in der EU, die derzeit ungefähr zehn Mal so hoch liegen wie jene in den USA. Daneben spielt aber beim Erdgas auch der Transport eine wichtige Rolle für das Preisniveau. Sowohl der Transport für Flüssiggas (LNG) als auch für Erdgas aus Pipelines macht sich deutlich beim Endpreis bemerkbar. Beim Erdöl hingegen sind die Unterschiede der Transportkosten kein großer Faktor. 

 

Welche Alternativen gäbe es zu Russland bei diesem Importstopp? 

Hier gibt es unterschiedliche Schätzungen. Jedoch gehen selbst die optimistischsten nicht davon aus, dass das gesamte russische Gas durch andere Anbieter oder andere Energieträger ersetzt werden kann. In jedem Fall müssten zusätzliche Anteile durch Pipelinegas aus nordafrikanischen Ländern, aber auch aus Norwegen oder Polen importiert werden. Außerdem müsste stärker auf LNG gesetzt werden. Allerdings sind sowohl die Pipelinekapazitäten als auch die Anlandemöglichkeiten für LNG begrenzt. Beide können kurzfristig nicht schnell vergrößert werden. Darüber hinaus wird man mit hohen Kosten rechnen müssen, wenn man um jeden Preis russisches Gas vermeiden möchte. 

Auch durch Gaseinsparungen kann man Unabhängigkeit gewinnen. Jedoch bedeutet das, dass der private Verbrauch von Gas, die Nutzung in der Industrie oder die Verstromung eingeschränkt werden müsste. Es bedeutet auch, dass Atom- und Kohlekraftwerke in der EU länger am Netz bleiben müssten. Das alles lässt sich nur in geringem Ausmaß umsetzen. Alles in allem könnte man bei einem Importstopp eine Versorgungskrise nicht ausschließen. Am kritischsten ist dabei der Winter. 

Mit welchen ökonomischen Kosten müsste Österreich bei einem vollkommenen Importstopp rechnen? 

Verhängen die USA, Kanada und die EU ein Embargo auf russisches Erdöl, würde die Wirtschaftsleistung Russlands dauerhaft um 1,2 Prozent sinken, wie das IfW schätzt. Die Auswirkungen für die Mitgliedsstaaten der EU wären sehr unterschiedlich. Für Österreich wären die Folgen aufgrund der Substitutionsmöglichkeiten von russischem Öl mit 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) kaum spürbar.   

Ganz anders sieht die Situation im Falle eines Embargos von russischem Gas aus, das nur sehr schwer zu ersetzen ist. Eine Studie aus Deutschland schätzt die jährlichen Kosten eines solchen Falls auf 2,2 Prozent des deutschen BIP. Dieser Effekt setzt sich zum einen aus den höheren Energiekosten und daraus folgenden Auswirkungen auf Produktion und Konsum zusammen. Annahme hinter dieser Schätzung ist, dass die Abhängigkeit von russischem Gas kurzfristig durch Ersatzimporte von LNG, vor allem aber durch Einsparungen in der Verstromung von Gas, in etwa halbiert werden könnte. Andere Einschätzungen kommen zu doppelt so hohen gesamtwirtschaftlichen Verlusten. Aufgrund der hohen Abhängigkeit Österreichs von russischen Energieimporten sowie den stärker begrenzten Ausweichmöglichkeiten (kein Atomstrom und keine aktiven Kohlekraftwerke) dürften die Auswirkungen für Österreich stärker ausfallen, sofern es überhaupt gelingt nennenswerte Anteile russischen Gases zu ersetzen. Falls nicht, werden die Auswirkungen deutlich drastischer ausfallen. Österreich wäre in einer Rezession.

Was bedeutet die Energiekrise für unsere Wettbewerbsfähigkeit? 

Sie sinkt. Wir sind stärker von steigenden Energiepreisen betroffen als andere Regionen der Welt. Damit werden unsere Produkte im Verhältnis teurer – aber nicht besser. Gleichzeitig könnten andere Regionen davon profitieren, dass wir Öl oder Gas jetzt statt aus Russland von ihnen importieren – zu höheren Preisen. Während anderen Wirtschaftsräumen deutlich günstigere Alternativen zur Verfügung stehen. Etwa Russland oder den USA.

Welche Folgen hätte ein Importstopp für die Energieversorgung? Stünden Blackouts an der Tagesordnung? 

In jedem Fall steigt das Risiko dafür deutlich an. Momentan erzeugt Österreich 13,5 Prozent seines Strombedarfs mit Hilfe von Gaskraftwerken (siehe Abbildung 3). Besonders wichtig sind diese in den Wintermonaten, wenn die erneuerbare Energie nicht mehr zur Deckung ausreicht. Da braucht Österreich derzeit alle vorhandenen Reservekraftwerke, um die Nachfrage zu befriedigen. Ob dieser Bedarf dann in Zukunft mit Stromimporten aus anderen Ländern gedeckt werden kann, ist mehr als fraglich. Blackouts sind möglich. 

Wie geht es in den nächsten Winter? 

Hoffentlich gut vorbereitet. Wir sollten bis dahin möglichst große Anteile russischer Importe durch Alternativen ersetzt haben, sodass die Gasspeicher so gut gefüllt sein werden wie nur möglich. Hier könnte Gas aus Nordafrika, Norwegen oder Polen einen Teil kompensieren. Auch LNG wäre denkbar. So könnte man auch Frackinggas aus den USA aufkaufen. Allerdings sind aufgrund begrenzter Kapazitäten selbst geringe Steigerungen nur schwer realisierbar. Auch eine neuerliche Prüfung der Schiefergasförderung im Waldviertel sollte erfolgen. Zur Gänze wird dies russisches Gas keinesfalls ersetzen können. Derzeit sind die österreichischen Gasspeicher nur zu ca. 15,5 Prozent gefüllt, wobei die großteils zum Export vorgesehen sind und nicht für den heimischen Markt. Auf der anderen Seite sollten die Einsparpotentiale ausgelotet worden sein. Darüber hinaus sollte die Kaufkraft der Bürger gestärkt werden, um die hohen Energiepreise besser zu verkraften. Dafür wäre neben einer weiteren Senkung der Steuern die Abschaffung der kalten Progression ein langfristig wirkendes Mittel. Bedürftige sollten außerdem zusätzlich gezielt finanziell unterstützt werden. Eine Förderung per Gießkanne für alle Bürger ist klar abzulehnen. 

Welche Folgen hat der Ukraine-Konflikt auf die Preise in Österreich?  

Die Preise in Österreich werden noch stärker ansteigen. Das umfasst aber nicht nur die hier bereits abgehandelten Energiepreise. Es betrifft auch die Preise für weitere Produkte der Fertigungskette, die sich aufgrund höherer Energiepreise verteuern. Zudem sind durch den Ukraine-Krieg weitere Engpässe bei Zulieferern (Autoindustrie) ebenso zu erwarten wie Ernteausfälle. Die Ukraine ist einer der weltweit größten Weizenerzeuger. Je länger der Krieg dauert, desto unwahrscheinlicher ist es, dass heuer eine Weizenernte in der Ukraine eingefahren werden kann. Wodurch mit steigenden Brotpreisen zu rechnen ist, in Ländern Nordafrikas wird bereits mit Versorgungskrisen gerechnet.

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