EU-Corona-Rettungsschirm: Hilfe ohne Rückzahlung?
- 25.05.2020
- Lesezeit ca. 4 min
Deutschland und Frankreich wollen Milliardenhilfen schenken, Österreich hätte lieber Kredite.
Emmanuel Macron und Angela Merkel sind mit einem ambitionierten Plan vorangegangen: Um die verheerenden Folgen der Corona-Krise abzufedern, sollen 500 Milliarden Euro gemeinsam auf dem Kapitalmarkt aufgenommen werden. Und als Finanzhilfen an gebeutelte Gebiete fließen. Prompt kam Widerspruch von den selbst ernannten „Sparsamen Vier“, Österreich, Dänemark, Niederlande und Schweden, wo man unter anderem fordert, die Hilfen als Kredit zu vergeben.
Die Bevölkerung muss die Maßnahmen auch unterstützen
Nun scheinen es die südlichen EU-Mitgliedsstaaten geschafft zu haben: Ein neues Vehikel soll ihnen direkte Zuschüsse aus dem EU-Budget verschaffen, um durch die Corona-Krise zu kommen. Mit 500 Milliarden Euro soll dieser Wiederaufbaufonds gefüllt werden.
Das Geld leiht sich die EU-Kommission und verteilt es an die von der Krise am stärksten getroffenen Regionen. Der Unterschied zu den im Norden so gefürchteten Eurobonds ist: Erstens haftet jeder Staat nur für einen gewissen Beitrag, nicht für die gesamten Schulden. Zweitens muss das Geld von den Empfängern nicht zurückgezahlt werden, das erledigen alle EU-Staaten gemeinsam nach einem festgelegten Verteilungsschlüssel.
Nun steht außer Frage, dass Europa in dieser Krise zusammenstehen muss. Corona ist ein Test für Europa. Das Virus hat die Mitgliedsstaaten unverschuldet getroffen, jetzt müssen wir uns gegenseitig helfen. Nicht zu vergessen ist aber, dass es auch andere Möglichkeiten gegeben hätte: Etwa Kredite über den „Europäischen Stabilitätsmechanismus“ (ESM).
Diese wurden jedoch von Italien zurückgewiesen. Viele verbinden den ESM mit den Austeritätsprogrammen, die Griechenland zu erfüllen hatte. Außerdem würden die Kredite die Schuldenstände der Staaten erhöhen, während dies bei den Zuschüssen des neuen Fonds nicht der Fall wäre.
Italien oder Spanien sind nicht nur hoch verschuldet, sie wurden auch von Corona besonders getroffen. Daher würden ihnen die Zuschüsse doppelt helfen. Direkte Zuschüsse aus dem EU-Budget sind auch ehrlicher als ESM-Kredite zu vergeben, auf deren Rückzahlung man später ohnehin verzichten müsste.
Zudem kann die EU-Kommission Vorgaben machen, wie die Gelder aus dem Fonds verwendet werden sollen – es gibt also ein steuerndes Element. Der Fonds ist eine Lösung, die den Zusammenhalt stärken soll, ohne Regeln zu brechen. An sich eine gute Idee. Aber Vorsicht und Transparenz sind von essenzieller Bedeutung.
Geldtransfers vom Norden in den Süden stärken die EU nur, wenn die Bevölkerung der Nettozahler diese Politik langfristig unterstützt. Ein bloßer Verweis darauf, dass Österreich und Deutschland eng mit Spanien und Italien verwoben sind und auch die heimische Wirtschaft indirekt profitiert, wird nicht reichen. Man muss die Bevölkerung auf jedem Schritt der Reise mitnehmen und genau erklären, was sie zahlt, wofür und aus welchem Grund – nur dann kann dieser Europazug weiterfahren, ohne zu entgleisen.
Auch die guten Absichten hinter dem Plan, nämlich vorwiegend Italien und Spanien zu helfen, könnten zum Boomerang werden. Es sind ja alle EU-Länder von Corona betroffen, auch die „Nettozahler“ wie Österreich.
Deshalb wird die Bevölkerung auf Mittel aus dem Wiederaufbaufonds pochen. Andernfalls könnte es passieren, dass heimische Unternehmen pleite gehen müssen, während österreichisches Steuergeld über Umwege Firmen in Italien oder Spanien rettet. Eine Gefahr, die den Zusammenhalt in Europa sicherlich nicht stärken würde.
Gastkommentar von Heike Lehner auf der Contra-Seite im Kurier (25.05.2020).
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