Beschäftigung

Equal Pay Day

Für jeden Euro, den ein Mann verdient, bekommen Frauen nur 87 Cent. Frauen arbeiten jedes achte Jahr gratis. Nur weil sie Frauen sind, erhalten sie für die gleiche Leistung weniger Geld als Männer: Derartige Schauergeschichten liest man gerade rund um den Equal Pay Day häufig. Dieser „Gedenktag“ wird gleich zweimal begangen, einmal zu Beginn und einmal gegen Ende des Jahres. Unterschiedliche Stichtage machen es möglich.  

Heuer fällt der erste Equal Pay Day auf den 15. Februar. Warum? Der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen liegt nach aktuellen Berechnungen bei 12,7 Prozent. Nimmt man die 365 Tage eines Jahres als Basis, ergeben diese 12,7 Prozent rund 46 Tage. Vom 1. Jänner angezählt, arbeiten Frauen im Vergleich zu Männern also bis Mitte Februar gratis. Falls die Rechnung stimmt.  

Verdienen Frauen wirklich um 12,7 Prozent weniger als Männer? 

Zur Berechnung des Gender Pay Gap gibt es unterschiedliche Zahlen und Rechenmodelle. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen dem unbereinigten und dem bereinigten Gender Pay Gap.

Bereits in den Jahren vor der Krise erkannte man einen signifikanten Rückgang des Gender Pay Gaps. Weil sich das Gehalt von immer mehr vollzeitbeschäftigten Frauen an das höhere Gehalt der Männer annähert.

Der unbereinigte vergleicht alle erwerbstätigen Männer mit allen erwerbstätigen Frauen. Der vollzeitbeschäftigte Facharbeiter landet also in einem Topf mit der teilzeitbeschäftigten Kassiererin. 2020 betrug dieser Gender Pay Gap rund 36 Prozent. Aber die Zahl lässt eine wesentliche Tatsache außer Acht: Während 2020 rund 10 Prozent der unselbstständig beschäftigten Männer in Teilzeit arbeiteten, waren es bei den Frauen 48 Prozent. Vergleicht man nur Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Vollzeit, verringert sich der Unterschied auf die genannten 12,7 Prozent. Das ist noch immer viel, aber es gibt auch eine gute Nachricht: 2004 lag dieser Wert bei 22,5 Prozent; er hat sich seither also fast halbiert. Auch der unbereinigte Gender Pay Gap sank im gleichen Zeitraum deutlich. Es gibt Hinweise darauf, dass sich dieser Gender Pay Gap während Krisen reduziert. So auch im Jahr 2020. Gründe hierfür könnten sein, dass Männer weniger verdient haben. Während der Corona-Pandemie ist die Kurzarbeit zu nennen, die häufiger von Männern in Anspruch genommen wurde und somit ihre Gehälter reduziert hat. Gleichzeitig haben insbesondere gering verdienende Frauen ihre Vollzeitbeschäftigung verloren. Somit werden sie in dieser Statistik nicht mehr berücksichtigt. Besser verdienende Frauen blieben übrig und reduzierten den Gender Pay Gap weiter.  

Trotzdem erkannte man bereits in den Jahren vor der Krise einen signifikanten Rückgang des Gender Pay Gaps. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich auch nach der Krise dieser Trend weiterführt. Aber nicht deswegen, weil Männer weniger verdienen und Frauen ihre Jobs verlieren. Sondern weil sich das Gehalt von immer mehr vollzeitbeschäftigten Frauen an das höhere Gehalt der Männer annähert. 

Werden Frauen diskriminiert, weil sie Frauen sind? 

Nein, so einfach ist es zum Glück nicht. Der Gender Pay Gap lässt sich noch weiter bereinigen: Natürlich sollte man nicht das Gehalt eines vollzeitbeschäftigten Facharbeiters mit dem einer vollzeitbeschäftigten Kassiererin vergleichen. Viele Frauen wählen schlechter bezahlte Branchen als Männer. So arbeiten etwa im Gesundheits- und Sozialwesen mehr als 75 Prozent Frauen.  

Es gibt noch weitere Gründe für das niedrigere Gehaltsniveau: Frauen arbeiten öfter unter ihrer Qualifikation als Männer. Sie sind häufiger in kleinen, schlechter zahlenden Betrieben tätig. Sie verfügen seltener über eine Ausbildung in numerischen Fähigkeiten, die etwa in der (sehr gut zahlenden) IT-Branche gefragt sind. Sie erhalten seltener Boni und wenn, dann sind diese geringer als jene der Männer. Dieser letzte Punkt kann allerdings auch auf mögliche Diskriminierung hindeuten. Denn mit einem geringeren Verdienst sind häufig geringere Boni verbunden. 

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Kindererziehung. Lange Karenzzeiten bedeuten fehlende Berufserfahrung und führen zu Gehaltseinbußen. Außerdem wechseln viele ursprüngliche Vollzeit arbeitende Frauen nach der Karenz in einen Teilzeitjob. Das bringt nicht nur weniger Geld ein; manche Berufsangebote fallen auch ganz weg, weil sie sich nicht für eine Teilzeitlösung eignen. Oft arbeiten gut ausgebildete Frauen nach der Karenz also in schlechter bezahlten Positionen, die weit unter ihrer Qualifikation liegen. Diese Gründe führen dazu, dass Mütter im Vergleich zu kinderlosen Frauen auch noch lange nach ihrer Karenz weniger verdienen. Zehn Jahre nach der Karenz verdient die Durchschnittsmutter nur zwei Drittel ihrer kinderlosen Zwillingsschwester.  

Zehn Jahre nach der Karenz verdient die Durchschnittsmutter nur zwei Drittel ihrer kinderlosen Zwillingsschwester.  

Die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Erwachsenen ist für rund 38 Prozent der Frauen der Grund, in Teilzeit zu arbeiten. Dem stehen nur fünf Prozent Männer gegenüber, die aufgrund von Betreuungspflichten in Teilzeit arbeiten. Der Anteil der Frauen in Teilzeit, die aufgrund Betreuungspflichten in Teilzeit arbeiten, ist in den vergangenen 15 Jahren kaum gesunken. Trotz der vielen Nachteile ist die Zufriedenheit mit Teilzeitjobs übrigens hoch: In einer Studie gaben 84 Prozent der Frauen und 81 Prozent der Männer in solchen Arbeitsverhältnissen an, dass sie nicht mehr arbeiten möchten.  Insgesamt sind die finanziellen Auswirkungen der Mutterschaft so stark, dass sie einen Großteil des Gender Pay Gap erklären. Man spricht deshalb auch vom Motherhood Pay Gap.Rechnet man alle genannten Faktoren heraus, bleibt am Schluss ein deutlich kleinerer, aber tatsächlich schwer erklärbarer Gehaltsunterschied übrig:  Dieser Gender Pay Gap liegt mit Daten von 2011 im untersten Einkommensdezil bei 3,4 Prozent und im höchsten Dezil bei 11,2 Prozent. Niedrige Löhne sind wohl deshalb weniger betroffen, weil sie meistens per Kollektivvertrag festgelegt werden. Weiter oben in der Gehaltspyramide geht es auch um das eigene Verhandlungsgeschick. Oft zeigt sich, dass Frauen weniger Geld verlangen als Männer.4 Natürlich kann auch Diskriminierung durch den Arbeitgeber an dieser Stelle eine Rolle spielen.  
 
Es gibt also viele Erklärungen, warum Frauen weniger verdienen als Männer. Und das ist  letztlich eine gute Nachricht: Würde man die genannten Faktoren ändern, ließe sich der Gender Pay Gap deutlich verkleinern.  

Wo liegt Österreich im Vergleich zu anderen EU-Ländern? 

Österreich befindet sich unter den EU-Ländern mit dem höchsten unbereinigten Gender Pay Gap und somit seit Jahren weit über dem EU-Durchschnitt.  Somit gesellen wir uns zu Ländern wie Lettland, Estland und Deutschland. 

Zusätzlich zu den oben genannten Gründen für den Gender Pay Gap ist aber auch das nach wie vor konservative Wertesystem mit einer entsprechenden Rollenverteilung zwischen Mann und Frau nicht außer Acht zu lassen. Institutionelle Voraussetzungen sind aber ebenfalls mangelhaft, wie etwa die fehlenden ganztägigen Kinderbetreuungsplätze. Auch die im europäischen Vergleich besonders langen Karenzzeiten wirken sich aus, weil es fast nur die Mütter sind, die sie in Anspruch nehmen. Im Vorjahr waren 96 Prozent aller Personen in Elternkarenz weiblich. 

Was sollte getan werden, um den Gender Pay Gap zu reduzieren? 

Gleichberechtigung bedeutet nicht, den Gender Pay Gap unter allen Umständen zu schließen. Die individuelle Entscheidungsfreiheit von Frauen und Familien soll erhalten werden. Aber genau an dieser Entscheidungsfreiheit lässt sich noch schrauben. Dies beginnt bereits im Schulalter, wo Mädchen für MINT-Fächer begeistert werden können. Es gibt mittlerweile mehr Hochschulabsolventinnen als Absolventen. Dennoch arbeiten sie häufiger in weniger gut bezahlten Branchen wie etwa dem Sozialbereich. Das heißt nicht, dass Frauen, die sich für Sozialberufe interessieren, in technische Ausbildungen gedrängt werden sollen. Aber schon kleinen Mädchen muss klar sein, dass sie genauso wie Buben jeden Beruf ergreifen können, den sie möchten.  

Das Geld folgt dem Kind, egal ob die Familie öffentliche oder private Kinderbetreuung in Anspruch nehmen will.

Die Karenz sollte auf höchstens ein Jahr pro Elternteil verkürzt werden. Und diese Karenzzeiten sollten nicht übertragbar sein. Damit das klappt, braucht es natürlich gut ausgebaute, ganztägige Kinderbetreuungsplätze. Während Wien hier Musterschüler ist, gibt es insbesondere im Westen noch Aufholbedarf. 2020 waren in Wien 94 Prozent aller Kindertagesheime länger als 9 Stunden geöffnet. In Vorarlberg waren es nur 38 Prozent. Ein gutes Instrument sind auch Kinderbetreuungsgutscheine, wie es sie etwa in Kärnten oder in Wien bereits gibt. Die Idee dabei: Das Geld folgt dem Kind, egal ob die Familie öffentliche oder private Kinderbetreuung in Anspruch nehmen will. In manchen Bundesländern kann das entscheidend sein. In Oberösterreich etwa ist fast jeder zweite Kinderbetreuungsplatz privat.  

Der Equal Pay Day bietet eine gute Möglichkeit, all diese Themen breit zu diskutieren. Allerdings sollten die guten Nachrichten nicht zu kurz kommen: Die Kluft ist kleiner und besser erklärbar geworden. Darüber darf man sich auch mal freuen.


Literatur:

Christl, M., Köppl-Turyna, M., Stürgkh, A. (2017). Mind the Gap. Eine Publikation der Agenda Austria. 

Köppl-Turyna, M. (2019). Kinder machen den Unterschied – Warum der Gender Pay Gap eigentlich ein Motherhood Pay Gap ist. Eine Publikation der Agenda Austria. 

Säve-Söderbergh, J. (2019). Gender gaps in salary negotiations: Salary requests and starting salaries in the field. Journal of Economic Behavior & Organization, 161, 35-51. 

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