Staatshaushalt

Dürfen’s ein bisserl höhere Steuern sein?

Tax Freedom Day. Glauben Sie nicht der Werbung! Die Steuern in Österreich sind hoch, eine strukturelle Entlastung ist noch nicht in Sicht.

Zahlen Sie schon niedrigere Steuern? In so mancher Zeitung haben Sie in den vergangenen Monaten und Jahren allerlei Inserate mit lächelnden Menschen und großen Versprechen betrachten dürfen. Auf Steuerzahlerkosten wurden da der Familienbonus oder die “Entlastung Österreich” beworben, wie bereits die Steuerreformen ein paar Jahre zuvor.

Selbst für den statistischen Pedanten lässt sich kaum erkennen, wo es mit der Steuerlast in Österreich merklich nach unten gehen soll.

Tatsächlich scheint es Steuerreformen mittlerweile in größerer Regelmäßigkeit als Fußballweltmeisterschaften zu geben. 2016 war es zuletzt so weit, seit heuer gilt der Familienbonus, und im September wird noch ein “Steuerreformgesetz 2020” im Parlament beschlossen. Doch die hohe Frequenz lässt die Wirkung immer schneller verblassen: Selbst für den statistischen Pedanten lässt sich kaum erkennen, inwiefern es mit der Steuerlast in Österreich merklich nach unten gehen soll. Denn was in Österreich als “Steuerreform” gilt, ist meist ein Mix aus Be- und Entlastungen und das Drehen an sehr kleinen Schrauben.

Darauf wird auch der heurige “Tax Freedom Day” hinweisen. An diesem “Steuerzahlergedenktag” haben die Österreicher ihre Schuldigkeit getan, in die allgemeine Kassa einzuzahlen. Ab dem 5. August wird für die eigene Tasche gewirtschaftet. Bis dahin sind mit den Einkommen über die verschiedenen direkten und indirekten Steuern sowie Sozialabgaben die öffentlichen Töpfe gefüllt worden. Das hat heuer immerhin um ein paar Tage kürzer gedauert als noch im Vorjahr.

Steuereinnahmen sprudeln

Die Steuereinnahmen sind um 1,15 Milliarden Euro höher als im Vorjahr.

Doch vom türkis-blauen Marketing-Mantra der “Entlastung Österreichs” ist sich recht wenig ausgegangen. Werfen wir einen Blick auf die jüngsten Daten aus dem Finanzministerium, den Budgetvollzug. Die Lohnsteuereinnahmen sind im ersten Halbjahr weiter gesprudelt – dem Familienbonus zum Trotz. Die Arbeitnehmer haben 5,3 Prozent mehr eingezahlt als im selben Zeitraum des Vorjahrs, ein Plus von 676 Millionen Euro. Und die Unternehmen haben sogar wieder um 9,6 Prozent mehr Körperschaftsteuer abgeliefert als noch 2018, um 321 Millionen Euro mehr. Summa summarum sind die Steuereinnahmen um 1,15 Milliarden Euro höher als im Vorjahr. Bereits im ersten Halbjahr sind die Einnahmen fast so stark gestiegen, wie man es für das Gesamtjahr erwartet hatte. Wenn jemand in der österreichischen Budgetpolitik die Erwartungen aller übertrifft, dann sind es eben die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen.

Dass Österreich dringend eine Steuerreform braucht, die diesen Namen auch verdient hat, ist offensichtlich. Das gilt nicht nur für die Durchschnittsverdiener, die laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung so stark mit Abgaben belastet sind wie nur in vier anderen Industrienationen. An diesem Spitzenplatz hätte auch die viel beworbene “Entlastung Österreich” der türkis-blauen Koalition bis 2022 kaum etwas geändert. Auch bei Unternehmenssteuern gibt es Handlungsbedarf: Gerade Investitionen in forschungsintensive, digitale und zukunftsträchtige Geschäftszweige werden in anderen Ländern deutlich mehr geschätzt, Investitionsfreibeträge und Abschreibungsmodalitäten belohnen jene, die einen Standort stärken, indem sie um- und ausbauen.

Wildwuchs im Winterpalais

Und während die Last im internationalen Vergleich schon hoch ist, so ist es die Komplexität schon zweimal. Unübersichtliche Kataloge an Steuerausnahmen, Förderungen, Freibeträgen und Absetzmöglichkeiten stapeln sich im Steuerbereich. Mehr als 700 hat der Rechnungshof einmal gezählt. Bevor eine Ökologisierung des Steuersystems ernsthaft angefangen werden kann, sollte dieser Wildwuchs einmal gerodet werden. Den Überblick über all die Ausnahmen, wie sie wirken und was sie kosten, hat man auch im ehemaligen Winterpalais des Prinzen Eugen, dem Sitz des Finanzministeriums, nicht so leicht.

Mehr als 700 Ausnahmen, Förderungen, Freibeträge und Absetzmöglichkeiten hat der Rechnungshof gezählt.

Verwirrt sind aber nicht nur diejenigen, die sich das österreichische Steuersystem zu genau ansehen, sondern auch viele, die angesichts der politischen Herausforderungen sagen, dass die Steuern sogar steigen müssen. Besonders humoristische Analytiker wenden dann ein, dass es den “Staat”, der die Steuern einhebt, gar nicht gebe. Das seien nämlich ohnedies allesamt wir. Wer so argumentiert, hält logisch zu Ende gedacht nur einen Wert nahe 100 Prozent für einen “sozial erwünschten” Steuersatz und das Nettogehalt für ein Taschengeld, das der wohlmeinende Finanzminister für die Ermöglichung der vielen Wohltaten einem zum Leben lässt. Tatsächlich gibt es viele Baustellen, auf denen die Solidargemeinschaft für und mit ihren Bürgern ambitionierter bauen muss. An vielen Stellen wird das aber nicht mehr, sondern besserer Mitteleinsatz sein müssen. Mehr noch: Für die nächste Regierung gibt es keine Alternative zum Sparen im “System Österreich”: also im Föderalismus, bei Förderungen, im Gesundheitssystem und bei den Pensionen.

Wobei sparen hier noch nicht einmal bedeuten muss, weniger Geld auszugeben, sondern die Ausgaben schlicht weniger stark wachsen zu lassen. Wenn die Vertreter des Staates aber meinen, dass sie immer höhere Steuern benötigen, um uns Bürgern dienen zu können, dann liegt bei ihnen die Beweislast: Dann müssen sie auch zeigen, wofür das Geld genau ausgegeben wird, welche Zwecke damit verfolgt und ob es keine günstigeren Alternativen gibt. Das bedeutet dann aber auch lückenlose Transparenz, wenn Steuermittel ausgegeben werden, und für Bürger und Kontrolleure ein Informationsfreiheitsgesetz, das seinen Namen verdient – und nicht einen Witz in einem Wort: Transparenzdatenbank.

Kein Gedanke an Steuerzahler

Die Hoffnung auf radikale Offenheit und Strukturreformen stirbt jedenfalls zuletzt. Tatsächlich wird die unmittelbare Zeit vor der Wahl am 29. September von vielem gekennzeichnet sein, aber viele Gedanken an die Steuerzahler werden in den letzten Sitzungen vor der Wahl im Parlament wohl nicht verschwendet werden. Was man als Politiker vom Geld verstehen muss, ist vor allem, dass man es von anderen bekommen muss. Es ist nämlich nicht so, dass der Staat so viel Geld einnimmt, wie er benötigt. Sondern es wird alles Geld ausgegeben, was er bekommt.

Wenn Vertreter des Staates meinen, höhere Steuern zu benötigen, liegt bei ihnen die Beweislast. Das bedeutet dann aber auch lückenlose Transparenz.

Das Motto der Übergangsregierung vom “Verwalten statt Gestalten” würde den Steuerzahler wohl noch länger schuften lassen. Das liegt an dem eigentümlichen Umstand, dass in Österreich nämlich automatisch steigende Steuern der Normalfall sind. Denn, wenn im Winterpalais von Prinz Eugen nur ein Finanzminister auf Zeit sitzt, dann muss man sich als Steuerzahler warm anziehen. Dann schlägt die kalte Progression nämlich ohne Unterlass zu. Gibt es nämlich keine Steuerreform und werden die Löhne und Gehälter einfach an die Inflation angepasst, dann liefern Sie jedes Jahr mehr ans Finanzministerium ab als im Jahr zuvor. Die Inflation bläht die Steuerbelastung auf, wenn nicht gegengesteuert wird.

Die einzig richtige Frage, die sich österreichische Steuerzahler so stellen können, bleibt ohnedies: Zahlen Sie schon höhere Steuern?

Gastkommentar von Lukas Sustala in der Tageszeitung Die Presse, 03.08.2019.

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