Die Mietpreisbremse: Ein Perspektivwechsel
- 30.03.2023
- Lesezeit ca. 2 min
Die Empörung über die abgesagte Mietpreisbremse ist groß. Manche finden, sie wäre die gerechte Strafe für die Vermieter gewesen; der geplante Wohnkostenzuschuss sei dagegen ein Geschenk an sie. Beides ist falsch.
Stellen Sie sich vor, Sie führen ein Wohnungsunternehmen. Ihre Praktikanten haben aufmerksam die Wachstumsprognosen der Stadt Wien studiert und empfehlen Ihnen, hier ein paar Wohnungen zu errichten. Doch billig wird das nicht. Sie versuchen daher, Partner für das Projekt zu gewinnen. Auch die städtische Wohnbauförderung nehmen Sie in Anspruch und verpflichten sich damit, die Mieten niedrig zu halten. Mit etwas Glück gelingt das Vorhaben. Bald freuen sich ein paar nette Familien über eine neue Bleibe.
Doch es gibt ein Problem: Solchen wie Ihnen misstraut man in Wien grundsätzlich. Daher deckelt man Ihnen die Mieterhöhungen bei zwei Prozent pro Jahr. Nun gut, Ihnen würde das reichen. Aber Ihre Kalkulation steht doch plötzlich auf sehr wackligen Beinen: Bleibt die Inflation dauerhaft zu hoch, dann wird die reale Rendite schnell negativ. Ob Sie am Ende ruiniert sind, liegt nun allein in den Händen der EZB. Auf dieses Glücksspiel haben Ihre Partner keine Lust und gehen bald nicht mehr ans Telefon. Das Projekt platzt. Die netten Familien bestellen den Umzugsservice ab.
Was empfinden Sie gerade? Lassen Sie heimlich ein paar Tränen in den Kaviar tropfen? Vermutlich nicht. Sie rufen Ihre Praktikanten an und fragen, wo Sie stattdessen investieren könnten. Vielleicht tun Ihnen die netten Familien leid, aber ehrlicherweise gibt es nette Familien auch in Mailand oder in Bochum. Oder Sie bauen ohne Förderung und bestimmen die Mieten selbst. Oder gleich Eigentumswohnungen. Einziehen dürften dann aber in beiden Fällen andere Familien. Mit dickeren Umzugskartons.
Die Regierung hat gut daran getan, eine zusätzliche Mietpreisbremse abzusägen. Nicht um die fetten Gewinne von Vermietern wie Ihnen zu sichern, sondern um planbare Investitionsbedingungen zu schaffen, die wenigstens eine Inflationsanpassung erlauben. Mit dem Wohnkostenzuschuss unterstützt sie nun gezielt alle Haushalte, die Probleme mit der Rechnung haben. Das ist gut. Sollte das nicht ausreichen, muss aufgestockt werden.
Gastkommentar von Jan Kluge für die “Kleine Zeitung” (30.03.2023).
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