Innenpolitik

Die „ganz normalen Geschäfte“ der schlingernden Wien Energie

Wie es aussieht, wurde die Wien Energie gleich von mehreren „Tsunamis“ erfasst. Und blieb dabei stets das einzige Opfer der Branche. Dafür muss es gute Gründe geben.

So schnell kann’s gehen: Forderten führende Vertreter von SPÖ und der Gewerkschaft vor kurzem noch eine saftige Sondersteuer auf die „Übergewinne“ blendend verdienender Energieversorger, mussten sie dieser Tage ausrücken, um den rätselhaften Liquiditätsbedarf der Wien Energie zu verteidigen. Die Republik sah sich nämlich gezwungen, der 100-Prozent-Tochter der Stadt Wien im Eilverfahren eine Kreditlinie in Höhe von zwei Milliarden Euro einzuräumen, um das Unternehmen „flüssig“ zu halten. Wie viel Geld der kommunale Energieversorger wirklich brauchen wird, weiß das Unternehmen selbst nicht. Die Rede war von bis zu sechs Milliarden Euro, das wäre das Doppelte des Vorjahresumsatzes.

Während die SPÖ leidenschaftlich gegen die üblen Spekulanten dieser Welt zu Feld zieht, verjuxt die „rote“ Wien Energie Steuermilliarden an den Strombörsen.

Für die Opposition ist der Fall sonnenklar: Während die SPÖ leidenschaftlich gegen die üblen Spekulanten dieser Welt zu Feld zieht, verjuxt die „rote“ Wien Energie Steuermilliarden an den Strombörsen. SPÖ und Wien Energie sehen das anders. Es gebe keinen Skandal, sondern nur einen „Sturm im Wasserglas“. Die Wien Energie habe nur das gemacht, was alle Energieversorger tun: Strom über die Börse zu handeln. Im Winter produziere die Wien Energie viel Fernwärme, dabei falle als Nebenprodukt auch Strom an, der von der eigenen Kundschaft nicht gebraucht und deshalb Monate im Voraus über die Börse verkauft werde. Das sei ein „völlig normales Geschäft“, wie immer wieder betont wird.

Warum dieses „völlig normale Geschäft“ derart schief gehen konnte? SPÖ und Wien Energie haben dafür eine Reihe von Erklärungen, die eines gemeinsam haben: Schuld sind die anderen, nur die Wien Energie hat alles richtig gemacht. Besonders kläglich versagt habe die Bundesregierung, weil sie nicht rechtzeitig einen Schutzschirm über die Wien Energie und die ganze Branche gespannt hat. Deshalb sei es so gekommen, wie es eben kommen musste: Die Wien Energie wurde von „einem Tsunami“ überrollt, wie die nach vielen Tagen des eisernen Schweigens plötzlich wieder aufgetauchte Geschäftsführung betont. Gemeint ist damit der am Freitag vor einer Woche sprunghaft gestiegene Strompreis, der dazu führte, dass die Wien Energie die für ihre Termingeschäfte notwendigen Kautionen nicht mehr bezahlen konnte.

Diese Argumentationslinie ist ziemlich brüchig. Tsunamis zeichnen sich dadurch aus, völlig überraschend zu entstehen, um im Anschluss ganze Landstriche zu verwüsten. Wenn die Probleme in Wien ebenso unerwartet kamen, warum musste dann die Stadt dem Unternehmen im Laufe des Sommers bereits zweimal jeweils 700 Millionen Euro an Finanzhilfe bereitstellen? Dass Bürgermeister Michael Ludwig so hohe Summen in Gutsherrenart freihändig vergeben kann, ohne irgendjemanden fragen zu müssen, ist nur eine von vielen erstaunlichen Erkenntnissen dieser Woche. Bevor sich die „plötzlich von einem Tsunami erfasste“ Wien Energie vom Bürgermeister 1,4 Milliarden Euro holte, hatten bereits mehrere Unternehmen der Stadt Wien laut „Standard“ zwei Milliarden an Liquiditätshilfen bereitgestellt. Wie viel Geld von Banken gekommen ist, liegt noch im Dunkeln.

Wie es aussieht, wurde die Wien Energie also von einer ganzen Reihe an „Tsunamis“ erfasst – und blieb dabei stets das einzige Opfer der Branche.

Wie es aussieht, wurde die Wien Energie also von einer ganzen Reihe an „Tsunamis“ erfasst – und blieb dabei stets das einzige Opfer der Branche. Während andere Versorger die gehandelten Strommengen reduziert hatten, ging die Wien Energie aus freien Stücken Verpflichtungen ein, die weit jenseits der Finanzkraft des Unternehmens liegen. Zudem ist anzunehmen, dass für die Termingeschäfte sehr lange Laufzeiten gewählt wurden, weshalb die Wien Energie nicht mehr auf externe Katastrophen wie den Ukraine-Krieg reagieren konnte.

Warum ein Versorger mit vielen Kunden aber sehr niedrigen Kraftwerkskapazitäten mehr als die eigene Jahresproduktion im Voraus an der Börse vercheckt? Dafür scheint es derzeit nur eine schlüssige Erklärung zu geben: Weil die Wien Energie vielleicht doch am großen Rad gedreht hat, um mehr Geld für ihren spendablen Eigentümer zu verdienen. Das würde die gigantischen Summen erklären, die jetzt fehlen. Die Wien Energie bestreitet das, bleibt die Beweise für ihre Argumentation aber schuldig. Dabei müsste sie nur ihre Handelsstrategie offenlegen und diese plausibel erklären. Aber wer weiß, vielleicht stellt sich dann heraus, dass das „ganz normale Geschäft“ ja doch nicht ganz so normal war. Und die Schuld für die Misere nicht nur bei allen anderen zu finden ist.

Kolumne von Franz Schellhorn für die “Presse” (03.09.2022).

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