Der Wohlstand muss wachsen, nicht die Steuerlast
- 16.09.2021
- Lesezeit ca. 5 min
Die Menschen noch mehr zu schröpfen, ist sicher der falsche Weg. Das Hochsteuerland Östereich braucht keine neuen Abgaben, eine Ausgabenbremse muss ebenso her, wie dringende Reformen und Effizienzsteigerungen.
Schulden schießen in extreme Höhen, die Ausgaben explodieren, die Einnahmen kollabieren. Corona hat dem Staatshaushalt einiges abverlangt und kam zum schlechtesten Zeitpunkt. Denn eigentlich würden andere Zukunftsthemen Geld benötigen. Klimawandel und Digitalisierung sind die Herausforderungen der Zukunft. Die Talsohle der Corona-Krise haben wir bereits hinter uns. Die heimische Wirtschaft befindet sich wieder im Aufschwung. Jetzt müssen wir das Fundament stärken und für die nächste Krise vorbeugen.
Vom linken Momentum Institut und dessen Chefökonom kommen dazu aber keine Ideen, wie ein kürzlich erschienener Kommentar der anderen (siehe „Warum wir uns die Steuerbremse sparen sollten“, 8. 9.) zeigt. Er warnt ohne Ironie vor einer „Steuerbremse“. Ihm sind die Abgaben zu niedrig, die Belastungen zu gering. Auf das muss man erst mal kommen in einem Hochsteuerland wie Österreich. Ein Durchschnittsverdiener muss bereits jetzt von jedem erwirtschafteten Euro 47 Cent an den Staat abführen. Vielleicht wäre eine Steuerbremse doch keine so schlechte Idee.
Falsche Anreize
Verfallende Infrastruktur, Armut, Verderben: Der Staat dürfe nicht sparen. Man solle doch nur nach Deutschland schauen! Gut, schauen wir hin. Denn es schadet nicht, sich ein genaueres Bild zu machen: Viele Jahre lang stagnierten die Investitionen des deutschen Staates (in Relation zum BIP) – aber das änderte sich, nachdem Deutschland die Schuldenbremse eingeführt hatte. Der budgetierte Betrag des Verkehrsetats für 2020 lag auf einem Rekordniveau. Auch Förderprogramme für die Deutsche Bahn werden jährlich neu aufgelegt. Diese wartet nur darauf, dass der Bund die Streckennetze renoviert. Ansonsten müsste sie selbst dafür aufkommen.
Hier sind falsche Anreizstrukturen am Werk, die dazu führen, dass Instandhaltungsarbeiten erst dann stattfinden, wenn sie unaufschiebbar sind. Mit der Schuldenbremse hat das aber nichts zu tun. Ihr Resultat stattdessen: genügend finanzieller Spielraum. Denn in der Krise werden die Regeln natürlich ausgesetzt, um diesen Spielraum auch nutzen zu können. Schuldenbremsen oder Ausgabenregelungen sind nie das Problem der Staaten. Genug Geld ist da. Es wird nur oft an den falschen Stellen ausgegeben. Nicht nur in Deutschland. Auch in Schweden. Gerade erst wurde bekannt, dass ein schwedischer Beamter sich selbst angerufen hat, um nur ja keine echten Anrufe entgegennehmen und arbeiten zu müssen. Kaputtsparen sieht anders aus.
Immer nur „mehr Geld“ zu fordern ist ein verständlicher Reflex. Aber keine Antwort auf komplexe Herausforderungen. Ökonomen wie Oliver Picek vergessen dabei auch völlig auf die negativen Konsequenzen. Denn Verschuldung oder höhere Steuern sind keine Instrumente, die unbegrenzt eingesetzt werden sollten. Zum Glück gibt es in der ökonomischen Werkzeugbox aber auch andere Mittel: Reformen oder Effizienzsteigerungen, um nur zwei zu nennen.
Eine Pensionsreform wäre der erste Streich, denn der Staat schießt hier jährlich mehr als 20 Milliarden Euro zu. Der zweite wäre eine Digitalisierungsoffensive, um die Verwaltung effizienter zu machen. Die anstehende Pensionierungswelle der Beamten bietet sich an, um dort neue, zukunftsträchtige Konzepte umzusetzen. Sogar ohne Entlassungen vorzunehmen.
Denn entgegen Piceks Kommentar sind sich in einem Punkt alle einig: Es braucht stärkere Investitionen in den Klimaschutz. Auch das Thema Pflege wird uns in den kommenden Jahren begleiten. Gerade deswegen müssen wir uns überlegen, wie wir genügend finanziellen Spielraum schaffen – ohne die Bürger noch stärker zu belasten.
Die Lebensqualität der Österreicher muss erhalten bleiben. Der Kuchen muss besser verteilt werden. So lauten zwei der Argumente. Man kann mit dem Status quo an Lebensqualität zufrieden sein, wir sind es nicht. Wir wollen die Lebensqualität weiter steigern, damit so viele Menschen wie möglich ein größeres Stück von einem immer größeren Kuchen abbekommen können. Mit Verschuldung ohne Ende und steigenden Steuern wird dies aber schwierig. Im besten Falle schränken wir dadurch das Wachstum ein. Im schlimmsten Falle wird es uns ähnlich gehen wie den Italienern. Stagnation wäre die Folge.
Eine Ausgabenbremse würde das vom Staat verteilte Kuchenstück nicht kleiner machen, wie oft behauptet. Es würde zunächst gleich groß bleiben. Die Schulden, der Teil des Staats-Kuchenstücks, der für die Zinsen aufgewandt wird, würde immer kleiner werden. Der restliche Teil könnte damit sogar wachsen. Der Wohlstand der Menschen in Österreich würde inflationsbereinigt sogar stärker wachsen. Sie würden mit der Zeit also einen immer größeren Kuchen vorfinden. Ist das nicht erstrebenswerter als der Status quo?
Nicht neue Steuern würden Österreich den notwendigen Handlungsspielraum für Investitionen bescheren, sondern eine Bremse der Ausgaben. Unser Vorschlag: Die Ausgaben des Staates sollten nicht stärker als die Inflation steigen, bis die Schuldenquote wieder auf 60 Prozent reduziert wurde. Denn neue Steuern würden Österreich im internationalen Wettbewerb und als Wirtschaftsstandort noch unattraktiver machen. Anstatt die Unternehmen und die Bevölkerung stärker zu belasten, sollte der Staat bei sich selbst beginnen. Die gute Nachricht: Österreich hat hier enormes Potenzial.
Gastkommentar von Heike Lehner und Marcell Göttert im “Standard” (16.09.2021).
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