Außenhandel

Das lange Warten auf die Alm-Avocado  

Österreich verkauft seine Produkte stolz in alle Welt. Doch wenn die Welt uns etwas verkaufen will, regiert das Misstrauen. Das Nein zu Mercosur und anderen Handelsabkommen ist schizophren und verbaut Chancen für die Zukunft.

Freihandel ist etwas Wunderbares: Er macht es österreichischen Winzerinnen und Winzern möglich, ihre Top-Weine in alle Welt zu verkaufen. Auch die Industrie schätzt offene (Handels)grenzen sehr; viele heimische Betriebe sind Weltmarktführer in globalen Nischenmärkten. Österreichische Bio-Lebensmittel verkaufen sich ebenfalls prächtig im Ausland. Ohne die Erfolge der Exportwirtschaft wären wir nur ein kleines Land in der Mitte Europas. Dank dieser Exporte sind wir ein besonders reiches kleines Land. Darauf kann man stolz sein. 

Gut ist nach Meinung vieler Bürgerinnen und Bürgern wie auch der Politik alles, was Österreich dem Ausland verkauft. Das bringt Arbeitsplätze und sichert Einkommen. Nicht so gut und fallweise sogar gefährlich ist alles, was das Ausland uns verkaufen will.

Leider hat der Freihandel auch eine düstere Seite: Bei Importen ist äußerste Vorsicht geboten, vor allem, wenn es um Lebensmittel geht. Rindfleisch aus Argentinien zum Beispiel schmeckt zwar gut, schadet aber den österreichischen Bäuerinnen und Bauern und wegen der langen Transportwege auch dem Klima. Kartoffeln aus Polen müssen nicht sein, wir haben ja selber genug. Und ist es wirklich notwendig, mitten im Winter Weintrauben zu essen, noch dazu solche aus Südamerika? Wer weiß, womit die gespritzt wurden und unter welchen Bedingungen die armen Pflücker arbeiten mussten!

Bringen wir es auf den Punkt: Gut ist nach Meinung vieler Bürgerinnen und Bürgern wie auch der Politik alles, was Österreich dem Ausland verkauft. Das bringt Arbeitsplätze und sichert Einkommen. Nicht so gut und fallweise sogar gefährlich ist alles, was das Ausland uns verkaufen will. Gelegentlich müssen wir Ausnahmen machen, weil es dummerweise noch immer keine Alm-Avocados gibt und innerhalb der österreichischen Grenzen auch keine nennenswerten Erdölvorkommen. Aber grundsätzlich gilt, dass uns Importware suspekt ist, weshalb die Tore des Freihandels bitte nur in eine Richtung offen sein sollten.

Kann es sein, dass Österreich in dieser Frage ein wenig schizophren ist? Bräuchten wir vielleicht alle ein paar Sitzungen beim Psychiater?

Die EU verhandelt derzeit über eine Adaptierung des eigentlich schon seit 2019 paktierten Freihandelsabkommens mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer will gar nicht erst wissen, was bei den aktuellen Gesprächen herauskommen könnte. Er hat sich bereits festgelegt: Wir sind dagegen. Ausnahmsweise muss der ÖVP-Chef nicht befürchten, dass seine Aktivitäten von der politischen Konkurrenz zu Hause kritisiert werden. Gegen Mercosur sind – mit Ausnahme der Neos – alle Parteien. 

Die Argumente sind die gleichen wie schon bei anderen Handelsabkommen: Heimische Interessen und die Gesundheit der Österreicher seien in Gefahr. Das Klima würde leiden, wenn etwa Brasilien zu gute Geschäfte mit Europa machte und dadurch vielleicht auf die Idee käme, noch mehr Regenwald abzuholzen. Insgesamt würden europäische Standards sinken, weil woanders in der Welt angeblich nicht mit der gleichen Sorgfalt produziert wird wie bei uns. 

Zwischendurch kommen auch noch schwerere Geschütze zum Einsatz: Die armen österreichischen Steuerzahlenden könnte über private Schiedsgerichte von internationalen Großkonzernen auf Milliardensummen verklagt, unsere Biobäuerinnen und -bauern von genmanipulierenden Lebensmittelriesen verdrängt und womöglich sogar das Wasser privatisiert werden. All diese Drohungen gab es schon rund um den Abschluss der Freihandelsabkommen mit Japan und mit Kanada. Doch die Klagewelle und die Chlorhuhn-Invasion blieben aus; beides war nur ein Hirngespinst. Wenigstens aus dieser Erfahrung hätten wir etwas lernen können. 

Die Angst vor der bösen Welt jenseits der Grenzen schadet Österreich nicht nur ökonomisch, sondern auch geopolitisch.

Vielen Menschen ist offenbar nicht klar, dass auch Importe Arbeitsplätze schaffen und unseren Wohlstand mehren. Nicht wenige Produkte können wir uns nur leisten, weil sie ganz oder teilweise im Ausland produziert werden. Wann haben Sie zuletzt Schuhe für unter 100 Euro von einem österreichischen Produzenten gekauft? Auch auf das Smartphone made in Austria werden wir wohl noch sehr lange warten. Der Einbahn-Freihandel funktioniert also nicht. Wir müssen endlich umdenken und auch im Kopf die Zollschranken aufheben.

Die Angst vor der bösen Welt jenseits der Grenzen schadet Österreich (und ein paar anderen Ländern in Europa, die ähnlich denken) nicht nur ökonomisch, sondern auch geopolitisch. Derzeit ginge es etwa darum, die Abhängigkeit von China zu reduzieren. Dafür wäre ein Abkommen mit den Mercosur-Staaten äußerst hilfreich. Auch die Sanktionen gegen Russland würden besser wirken, wenn die EU mehr auf internationale Partner setzen könnte. Doch Kooperation gibt es nur bei gegenseitigem Vertrauen. Solange die eine Seite der anderen grundsätzlich schlechte Absichten unterstellt, kann dieses Vertrauen nicht entstehen. 

Österreich ist keine Insel, die sich selbst genügt. Wir brauchen den freien Handel, um unseren Wohlstand zu sichern. Daran sollte die Politik denken, bevor sie das nächste Mal Nein sagt.

Wem die Gesellschaft am Herzen liegt, der fördert Vermögensaufbau. Nur so wird die Abhängigkeit von der Politik reduziert. Auch um zu vermeiden, dass in der nächsten Krise wieder alle Bürger als Bedürftige auserkoren werden. Zudem müssen wir auch lernen, unser Geld besser anzulegen. Wir sparen viel, aber wir sparen falsch. Das Land braucht nicht nur weitere steuerliche Entlastungen, sondern auch eine bessere Finanzbildung. Statt uns über steigende Mieten zu beschweren, müsste die Politik hinterfragen, warum wir eine der geringsten Eigentümerquoten der EU haben.

Gastkommentar von Hanno Lorenz für den “Standard” (20.07.2023).

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