Das große Impfversagen
- 10.04.2021
- Lesezeit ca. 3 min
Wer zu spät kommt, den bestraft das Virus. Sowohl Österreich als auch der Rest der EU haben den Impfprozess bisher leider gründlich versemmelt.
Kleine Staaten wie Israel, aber auch große wie Großbritannien oder die USA sind deutlich schneller. Die Verhandlungen mit den Herstellern liefen zu lange, die Zulassungen ebenfalls – und zu allem Überdruss wurde auch noch der „falsche“ Impfstoff bestellt. Von der schon im vergangenen Jahr versprochenen Auferstehung nach Ostern ist auch 2021 keine Spur. Selbst, wenn wir genügend Impfstoffe hätten, würde es bis zu elf Wochen dauern, bis wir auf dem Impfstand von Israel von Ende März wären. Diese elf Wochen könnten uns bis zu 14 Milliarden Euro kosten.
Begonnen hat das Unheil mit dem Solidaritätsgedanken der EU: Die gemeinsame Impfbeschaffung sollte dazu führen, dass kein Mitgliedsstaat auf der Strecke bleibt und bessere Verträge mit den Anbietern aufgesetzt werden können. Ein grundvernünftiger Gedanke, der unter anderem durch seine schlechte Umsetzung vieler EU-Institutionen allerdings dazu geführt hat, dass nun alle Mitgliedsstaaten auf der Strecke bleiben. Dass Österreichs Strategie noch miserabler war, ist nur das Tüpfelchen auf dem i. Jetzt schert ein Land nach dem anderen aus und bestellt Sputnik V. Obwohl mit BioNtech der wichtigste Impfstoff mitten in Europa entwickelt wurde, suchen viele EU-Mitgliedsländer nun in Russland um Hilfe. Europa gibt kein gutes Bild ab.
Diese schlechte Umsetzung ist Wasser auf den Mühlen der EU-Skeptiker. Die Mitgliedsstaaten haben an einem Strang gezogen und versagt. Nun gerät auch der europäische Corona-Wiederaufbaufonds ins Wanken gerät. Die Auszahlung der Gelder des Fonds hängt nämlich von den Unterschriften aller Mitgliedsstaaten ab. Einige Regierungen haben diese noch nicht abgegeben. Deutschland wurde diese Unterschrift nun bis auf weiteres vom Bundesverfassungsgerichtshof untersagt. Auch, wenn alle Mitgliedsstaaten auf kurz oder lang dem Aufbaufonds zustimmen, kann es durchaus zu weiteren Verzögerungen kommen. Das bedeutet, dass Gelder für den Wirtschaftsaufschwung verspätet an die Mitgliedsstaaten ausgezahlt werden und die EU-Staaten weiter zurückfallen.
Der Wiederaufbaufonds und die gemeinsame Impfstrategie hätten zwei Leuchtturmprojekte werden sollen. Sie hätten signalisieren sollen, dass die EU solidarisch handelt und Krisen gemeinsam überwinden kann. Diese Signalwirkung hätte die EU bitter notwendig nach ihrer kurzen aber schmerzvollen Vergangenheit, nach der Finanz-, der Euro- und nun der Corona-Krise. Aus dem Signal der Hoffnung ist ein Signal der Warnung geworden.
Der Internationale Währungsfonds hat kürzlich klargestellt: Die Staaten, die die Pandemie gut meistern und rasch in den Wirtschaftsaufschwung starten können, werden auch wirtschaftlich profitieren. Zu diesen Profiteuren wird die EU nicht gehören. Staaten wie die USA und – ausgerechnet – das Vereinigte Königreich kommen schneller voran. Sie liegen im Rennen schon weit vorne, während Europa noch seine Laufschuhe sucht. Wie gesagt: Europa gibt kein gutes Bild ab.
Gastkommentar von Heike Lehner in der “Wiener Zeitung” (10.04.2021).
Mehr interessante Themen
Abgabenlast im EU-Vergleich
Auch die Mehrwertsteuereinnahmen steigen durch die hohe Inflation rasch an. Im internationalen Vergleich zählt Österreich zu den absoluten Hochsteuerländern. Die Belastung verteilt sich dabei gleichmäßig über die Sozialversicherungsabgaben, direkte sowie indirekte Steuern. Direkte Steuern wie auf Arbeit, Kapitalerträge oder andere Einkommen
Inflationsraten in der EU
Wenn man die in der Eurozone übliche Inflationsmessung – den sogenannten Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) – heranzieht, kann man erkennen, dass in vielen Eurostaaten die Inflationswelle im Oktober 2022 ihren Höhepunkt erreicht hat. Mit einer Ausnahme: In Österreich wurde im Jänner 2023 eine zweite Spitze in Höhe von 11,6 Prozent
Emissionshandel führt zu größeren CO2-Reduktionen als andere Maßnahmen
Entsprechend erfolgreich zeigt sich die bisherige Bilanz des ETS im Vergleich zu alternativen Reduktionsformen in der EU. Gegenüber 2005 konnten die Emissionen im ETS um 37 Prozent reduziert werden (vgl. Abbildung 4). In den übrigen Bereichen, die von den einzelnen Mitgliedstaaten im Zuge der Effort Sharing Regulation (ESR) mit einer bunten Misch
Der CO2-Ausstoß wird über die Zeit immer teurer
Wer eine Tonne CO2-Äquivalent ausstoßen will, muss ein Emissionszertifikat verbrauchen. Hat ein Unternehmen Zertifikate übrig, dann kann es zumindest einen Teil davon für die Zukunft ansparen; wer mehr benötigt, kann auf die kommenden Jahre anschreiben. Außerdem werden die Zertifikate an der Börse gehandelt (= Trade). Wer klimaschonend wirts
Der europäische Wirtschaftsmotor stottert
Wir müssen reden. Europa – Wiege der industriellen Revolution und des damit verbundenen Wirtschaftswachstums – hat ein Problem.
Förderungen im EU-Vergleich
Im Jahr 2021 lag Österreich in puncto Hilfsbereitschaft der öffentlichen Hand EU-weit auf Platz zwei. Je Einwohner flossen 3.837 Euro; mehr waren es nur noch in Luxemburg. Da man das reiche Großherzogtum jedoch kaum mit anderen Ländern vergleichen kann, ist es sinnvoll, die Zahlen in Bezug zum jeweiligen Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu setzen. Do