Was ist von Christian Kerns “Plan A” zu halten?
- 12.01.2017
- Lesezeit ca. 3 min
Brauchbare Lösungen, aber das Programm bleibt auch vieles schuldig: Eine Analyse der Agenda Austria anhand von vier wichtigen Themen.
Welche sind jene Aufgaben, deren Lösung für Österreich im beginnenden neuen Jahr am dringlichsten ist? Auch wenn die Antwort für jeden einzelnen wohl unterschiedlich ausfällt: Es gibt schmerzhafte Stellen, die besonders vielen weh tun. Dazu gehören Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, die erstickende Bürokratie und nicht zuletzt ein Bildungssystem, das gefährlich viele 15-Jährige produziert, die nicht sinnerfassend lesen können.
Bundeskanzler Kern hat vor kurzem eine programmatische Rede gehalten und seinen “Plan A” (“A wie Anpacken. A wie Austria”) vorgelegt, wo er auf etwa 140 Seiten darlegt, wie Österreich die Zukunft meistern solle. Wie sind nun die Lösungsvorschläge von Christian Kern zu bewerten, gerade was die vier oben genannten neuralgischen Punkte betrifft? Ist das der Weg, der Österreich nach vorne bringt?
- Arbeitslosigkeit: Die meisten Vorschläge laufen darauf hinaus, dass es der Staat richten soll – etwa neue Jobs durch öffentliche Investitionen oder eine Beschäftigungsgarantie für Langzeitarbeitslose über 50. Dabei sollte es doch darum gehen, gute Bedingungen für die Entstehung neuer Jobs in der Wirtschaft zu schaffen. Auch die Idee, den Zugang von Ausländern zum heimischen Arbeitsmarkt zu beschränken, ist defensiv – und noch dazu ziemlich sicher gegen EU-Regeln. Einen Mindestlohn von 1500 Euro einführen zu wollen, ist natürlich populär. Was Kern verschweigt: Dies wird auch Jobs kosten, zum Beispiel im Handel.
- Wohnungsnot/steigende Mieten: Zuerst das Positive. Es soll für private Anleger attraktiver werden, sich an gemeinnützigen Wohnbauträgern zu beteiligen. Das kann nicht schaden. Die weiteren Vorschläge würden das aktuelle Problem, das zu geringe Angebot an Wohnungen, jedoch nur verschärfen. Die Mietzuschläge zu begrenzen, Befristungen zu erschweren, Steuern und Versicherungen aus den Betriebskosten herauszunehmen – all das bringt keine einzige neue Wohnung, während Österreichs Bevölkerung aber spürbar wächst. Im Gegenteil: Vermieter werden es sich überlegen, ob sie dann eine Wohnung nicht lieber leer stehen lassen. Da wäre es besser, die laut Rechnungshof zu hohen Gebühren für Müll und Wasser unter die Lupe zu nehmen.
- Erstickende Bürokratie: Hier macht der “Plan A” etwas Hoffnung. So soll etwa für Fragen des Baurechts oder der Raumordnung nur mehr ein Gesetzgeber zuständig sein, was für Unternehmen Erleichterungen brächte. Es klingt auch gut, wenn es heißt: “Wir müssen nicht jeden Moment unseres Arbeits- und Geschäftsalltags regeln” oder “Alles ist erlaubt, wenn es nicht verboten ist!” Und eine wirklich gute Idee ist die Einführung der sogenannten “Sunset Clause”: Gesetze sollen grundsätzlich für eine bestimmte Frist beschlossen werden.
- Bildungssystem: Die Vorschläge des Kanzlers beinhalten zwei große positive Schritte. Denn die SPÖ verabschiedet sich erstens vom ewigen Streitthema Gesamtschule und möchte auf anderem Weg dafür sorgen, dass alle Kinder gute Bildungschancen haben: zwei verpflichtende, aber kostenlose Kindergartenjahre; Geld für die Schulen nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern nach einem Sozialindex; Anreize für besonders gute Lehrer, an sogenannten “Problemschulen” zu unterrichten. Zweitens: Etwas zwischen den Zeilen versteckt, aber am Ende doch tritt der Kanzler dafür ein, dass das gesamte Bildungswesen zur Sache des Bundes wird. Diese beiden Punkte und der klar festgehaltene Wille, dass Österreich im internationalen Vergleich Spitzenplätze anstreben soll, sind aus Sicht der Agenda Austria sehr zu begrüßen.
Fazit: Der Bundeskanzler hat ein Programm vorgelegt, das brauchbare Lösungen anbietet, aber auch vieles – zum Beispiel einen Plan für das nicht nachhaltig finanzierbare Pensionssystem – schuldig bleibt.
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