Eigenheim doch in Reichweite
- 16.11.2017
- Lesezeit ca. 3 min
Eine Gesellschaft mit mehr Eigentümern und weniger Mietern wäre eine mit einer gleicheren Vermögensverteilung. Eine Replik auf Martin Schürz' Vorstellungen. – Kommentar von Hanno Lorenz.
Was ist die bessere Lösung: Ärmere reicher zu machen oder Reichere ärmer? Für Martin Schürz, Vermögensforscher bei der Nationalbank, ist die Sache klar: Besser die Reichen über eine Erbschaftssteuer ärmer zu machen, damit mehr Gleichheit herrscht. Schürz beklagt auch, kaum jemand in Österreich könne allein mit Arbeit zu einem Eigenheim kommen (“Warum das Eigenheim für viele außer Reichweite ist”, erschienen am 30. Oktober 2017). Das ist leider allzu oft richtig. Praxisfremd bzw. irreführend ist hingegen die Berechnung, die Schürz anstellt, und das führt folgerichtig auch nicht zur besten Lösung. Gefragt wäre vielmehr eine Politik, die es leichter macht, zu eigenen vier Wänden zu kommen.
Keiner spart 30 Jahre
Schürz rechnete vor, wie viel die Bezieher bestimmter Einkommen in Österreich sparen (können), und stellte dem die Wohnungspreise gegenüber. Was der Ökonom völlig ausblendete: Praktisch kein Mieter spart 30 Jahre und kauft dann. Der Normalbürger weiß, dass es schlauer ist, in einigen Jahren des Sparens einen Grundstock zu schaffen und dann einen Kredit für den Kauf aufzunehmen. Statt Miete zu bezahlen, zieht er um und bedient den Kredit. Nach entsprechend vielen Jahren gehört ihm die Immobilie. Dieses Modell empfiehlt sich umso mehr, da die EZB ja seit Jahren und auch noch auf absehbare Zeit für historisch niedrige Zinsen sorgt.
Das eigentliche Problem besteht erstens darin, dass in kaum einem anderen Land die öffentliche Hand einen so großen Anteil vom erwirtschafteten Einkommen der Arbeitnehmer einbehält wie in Österreich. Wenn so wenig Netto vom Brutto bleibt, wird es mit dem Vermögensaufbau schwierig. Eine Maßnahme dagegen wäre, die Sozialabgaben zu senken, die auch Geringverdiener voll treffen. Ja, man hat es schon oft gehört, aber das Kranken- und Pensionswesen ließe sich wirklich günstiger organisieren als über 22 Träger mit entsprechend vielen Funktionären. Leistungskürzungen müssten also nicht sein.
Eigentümergesellschaft
Zweitens wäre es wichtig, dass die Politik mit ihren Maßnahmen stärker auf eine Gesellschaft von Eigentümern abzielt als darauf, bei Wählern etwa mit günstigen Gemeindewohnungen Punkte zu sammeln. Ein Schritt in diese Richtung wäre, die Zinsen für Fremdkapital steuerlich absetzbar zu machen. Auch sollten langjährige Mieter von Gemeinde- oder Genossenschaftswohnungen mehr Möglichkeiten haben, das von ihnen bewohnte Objekt ab einem gewissen Zeitpunkt zu kaufen. Die Einnahmen daraus könnten in den dringend nötigen Bau neuer Wohnungen gesteckt werden – schließlich steigen die Mieten vor allem deswegen, weil das Angebot zu gering ist.
Eigene vier Wände
Nicht zuletzt wäre eine Gesellschaft mit mehr Eigentümern und weniger Mietern eine mit einer gleicheren Vermögensverteilung. Gerade weil dort viel mehr Menschen ihre vier Wände auch besitzen, sind die Vermögensunterschiede in Ländern wie Spanien und Italien geringer als in Österreich. Und ein kleinerer Unterschied zwischen Reich und Arm ist ja genau das, was Martin Schürz anstrebt.
Gastkommentar von Hanno Lorenz im „Standard“, 12.11.2017
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