Die Reform der Bildungskarenz ist nicht perfekt, aber sie ist ein klarer Fortschritt. Die SPÖ zeigt ungewohnten Reformwillen – ein kleiner Hoffnungsschimmer.
Die Bildungskarenz war ein Paradebeispiel für den organisierten Missbrauch des österreichischen Sozialsystems. Gedacht war sie für Niedrigqualifizierte, in Anspruch genommen wurde sie vor allem von Akademikern für eine bezahlte Auszeit auf Steuerzahlerkosten. „Fliegen Sie in die spanische Kultmetropole Barcelona und perfektionieren Sie Ihre Spanischkenntnisse in unserer akkreditierten Sprachschule. Wenn Sie Ihre Bildungskarenz in Spanien lieber mit etwas Erholung an der Küste verbinden wollen, haben Sie die Option, nach Málaga zu reisen“, wie einer der führenden Anbieter auf seiner Website schrieb. Für wen Spanien nicht das richtige Reiseziel war, konnte sich ja möglicherweise für den Englischkurs auf Honolulu erwärmen. Oder für einen Yoga-Lehrer-Kurs im fernen Asien. Wohin es auch immer ging, die Steuerzahler waren dabei.
Auffallend beliebt war die Bildungskarenz auch bei jungen Müttern, die von der Baby-Karenz nahtlos in die „Weiterbildung“ wechselten. Womit sich im Idealfall beide Elternteile gleichzeitig um das Neugeborene kümmern konnten. Das ist schön für jede junge Familie, war aber nicht der Zweck der Übung. Dasselbe gilt für die vielen Unternehmen, die umsatzschwache Zeiten dazu nutzten, teure Mitarbeiter in der Bildungskarenz zwischenzuparken. Oder die Auflösung von Arbeitsverträgen mit dem Angebot einer kleinen Auszeit zu versüßen.
Aber die Zahlen hat sie auf ihrer Seite. Von der zuletzt 635 Millionen Euro teuren Bildungskarenz landete nur ein Bruchteil bei jenen Menschen, für die sie gedacht war. Der Großteil der Bezieher kehrte nach der Bildungskarenz in dasselbe Berufsumfeld mit demselben Einkommen zurück, nur wenige schafften den Aufstieg. Künftig gibt es strengere Anwesenheitspflichten. Wer wieder studiert, muss regelmäßig Prüfungserfolge nachweisen und die 26-Wochen-Wartefrist zwischen Eltern- und Bildungskarenz beendet die nahtlose Verlängerung der Babypause. Die Arbeitgeber müssen sich ab einem Bruttolohn von 3.225 Euro mit 15 Prozent an den Kosten der Weiterbildung beteiligen, das macht das Parken von Mitarbeitern in der Bildungskarenz zumindest teurer. Und die Fokussierung auf Geringqualifizierte folgt dem ursprünglichen Zweck des Instruments.
Die neue „Weiterbildungszeit” ist nicht perfekt, aber sie ist deutlich besser als das alte System. Die Grundfrage bleibt aber nach wie vor unbeantwortet: Warum sollen die Steuerzahler überhaupt die Weiterbildung von Beschäftigten bezahlen? Weiterbildung ist allen voran eine private Aufgabe. Unternehmen, die besser gebildete Mitarbeiter haben wollen, sollen das selbst finanzieren. Arbeitnehmer, die sich weiterbilden möchten, können das in ihrer Freizeit und auf eigene Kosten tun. Sie werden mit höheren Einkommen entschädigt. Und wer einen Masterabschluss hat und seit Jahren gut verdient, braucht keinen Zuschuss von der Billa-Kassiererin. Der Staat sollte sich auf jene beschränken, die wirklich Hilfe brauchen: Langzeitarbeitslose und Menschen ohne Ausbildung.
Dass die Parteien noch in der Lage sind, Korrekturen vorzunehmen, die im Interesse der steuerzahlenden Bevölkerung liegen. Ermutigend sind auch die jüngsten Lohnabschlüsse der Metaller. Nach Jahren überzogener Forderungen haben die Arbeitnehmervertreter erkannt, dass die heimischen Unternehmen auch Kunden brauchen, die für die explosionsartig gestiegenen Arbeitskosten zu zahlen bereit sind. Mit dem Abschluss unterhalb der Inflationsrate liegt Österreichs Industrie zwar noch immer um rund zehn Prozent über dem westeuropäischen Durchschnitt, aber zumindest hat sich der Abstand nicht weiter vergrößert.
Jetzt fehlt nur noch eine Reform der aus dem Ruder gelaufenen Sozialhilfe. Niemandem ist zu erklären, wie ein Paar mit drei Kindern in Wien knapp 4.000 Euro netto im Monat bekommen kann, das ist mehr als viele Vollzeitbeschäftigte nach Hause bringen. Anreize statt staatliche Rundumversorgung wäre auch hier das Stichwort. Die SPÖ hat mit der Reform der Bildungskarenz bewiesen, dass sie zu unpopulären Korrekturen bereit ist. Den Schwung sollte sie mitnehmen.
Kolumne von Franz Schellhorn in der “Presse” (27.9.2025).
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