Sprachverwirrung bei der Entbürokratisierung 

Die Regierung hat bekanntlich der Bürokratie den Kampf angesagt. Nach dem wenig ambitionierten „ersten großen Wurf“ im Entbürokratisierungsministerrat vor zwei Wochen brauchte Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS) nur wenige Tage, um einen Fahrplan für sein Ressort nachzulegen.

Erfreulicherweise enthält er nicht nur wild zusammengestoppelte Einzelmaßnahmen, sondern bietet eine Reihe von vernünftigen Vorschlägen. Doch eine davon lässt schon aufhorchen: Sprachfeststellungen in den Schulen sollen künftig nur noch einmal pro Jahr (statt bislang zweimal) durchgeführt werden. Das soll die gestressten Lehrkräfte entlasten.

Diese Priorität ist – gelinde gesagt – interessant. Waren es nicht die NEOS, die im Wahlkampf plakatierten, dass „Deutsch kein Wahlfach“ sei? Fällt die „Mission Deutsch“ nun dem pinken Entbürokratisierungsfuror zum Opfer? Oder war dieser Punkt nur Bildungsstadtrat Wiederkehr wichtig, Bildungsminister Wiederkehr aber nicht?

Dass Migration die Schulen vor Herausforderungen stellt, ist wohl kaum ein Geheimnis. Das Bildungssystem schafft es einfach nicht, die Zielgruppen zu erreichen, die das am dringendsten bräuchten. Der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund in Österreich liegt laut PISA – der größten Bildungsstudie unter 15-jährigen Jugendlichen – bei knapp 27 Prozent; in kaum einem anderem EU-Land ist der Anteil noch höher. Das können die Schulen natürlich nicht ändern; aber dass Schüler mit Migrationshintergrund in Mathematik deutlich schlechter abschneiden als solche ohne, vielleicht schon.

Das Problem wird sichtbar, wenn man genauer auf die PISA-Daten blickt: Der Leistungsabfall zwischen Kindern ohne Migrationshintergrund und jenen mit Migrationshintergrund ist enorm hoch. Doch nicht nur das: Differenziert man zwischen den hierzulande geborenen Kindern mit Migrationshintergrund (den Migranten zweiter Generation) und den im Ausland geborenen Migranten, dann sind die Leistungsrückstände gar nicht so groß. Das ist verheerend, heißt es doch, dass es kaum einen Unterschied macht, ob Kinder mit Migrationshintergrund in Österreich geboren wurden oder nicht.  

Doch statt dieser Realität ins Auge zu blicken und den Spracherwerb und die gezielte Unterstützung von Schülern mit Migrationshintergrund in den Fokus zu rücken, bemitleidet die Regierung lieber die armen Lehrer, die die Sprachfeststellungen durchführen sollen. Davon abgesehen, dass die erste Testung ohnehin schon im Kleinkindalter stattfinden müsste, entlastet die Streichung einer zweiten, jährlichen Testung zwar das Personal – Schülern mit Sprachproblemen ist damit aber nicht geholfen. Nur durch regelmäßiges Prüfen und entsprechendes Anpassen der Unterstützung kann der Spracherwerb und damit auch die Integration funktionieren. Hier wird an der falschen Stelle gespart.

Der Migrationsanteil in Österreichs Schulen wird weiter steigen. Umso fataler ist dieser Schritt in die falsche Richtung. Und was hat das eigentlich mit Bürokratieabbau zu tun? Wer echte Entbürokratisierungspotenziale sucht, wird in anderen Bereichen sicher mühelos fündig.

(erstmals erschienen im Kurier am 20.12.2025) 

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