Viele mögen die Vermögensverteilung als ungerecht betrachten. Doch Gerechtigkeit ist schwer messbar.
Österreich weist im europäischen Vergleich bei der Einkommensverteilung eine geringe Ungleichheit aus. Das ist auch eine Leistung des Sozialstaats, der über Steuern, aber auch über Geld- und insbesondere über Sachtransfers einen Ausgleich schafft.
Anders ist es allerdings um die Vermögensverteilung bestellt. Diese ist typischerweise in allen Ländern ungleicher verteilt, weil Vermögen im Laufe des Lebens aufgebaut wird. Österreich rangiert hier innerhalb der Eurozone im Spitzenfeld. Allerdings lässt die Datenbasis zur Vermögensverteilung zu wünschen übrig. Zwar wissen wir seit der Wirtschafts- und Finanzkrise mehr, die Datenlage der Vermögen liegt aber noch immer weit hinter der der Einkommen zurück. Dementsprechend sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen.
Datenbasis und das Schätzen der Superreichen
Das umso mehr, als die Erhebung auf Umfragen basiert. Die Befragten nennen ihr Vermögen und ihre Verbindlichkeiten: Also wie viel Geld sie haben, wie hoch das Vermögen in Wertpapieren ist sowie die Höhe der Verbindlichkeiten wie Konsum- oder Immobilienkredite. Darüberhinaus müssen aber auch eine Reihe von Sachgegenständen geschätzt werden: Immobilien, Autos, Kunst und vieles mehr. Am Ende ist es, wie der Name schon sagt, eine Schätzung.
Es gibt verschiedene Methoden, mit denen versucht wird, diese Schätzungen zu verbessern. In einigen Ländern passen die nationalen Notenbanken selbst die Umfrageergebnisse an, aber nicht überall. Befürworter von Erbschaft- und Vermögensteuern fokussieren sich dabei auf die Erfassung zusätzlicher Datenpunkte der „Superreichen”. Das ist verständlich, will man ja die vermeintliche Notwendigkeit dieser Steuer hervorheben und nebenbei die potenziellen Einnahmen möglichst groß erscheinen lassen. Die Ergebnisse aus solchen Analysen sollten aber niemanden wirklich überraschen. Wenn durch diese, durchaus anspruchsvollen, Modelle sehr große Vermögen künstlich den Umfragedaten hinzugefügt werden, führt dies zwangsläufig zu einer höheren Vermögenskonzentration. Ein anderes Ergebnis wäre gar nicht möglich. Und, ob diese neuvermessene Vermögensverteilung tatsächlich genauer ist, wissen wir nicht. Auch diese Verteilung ist eine Schätzung.
Die Frage stellt sich also: Wozu das Ganze? Ein Aufschluss darüber bietet der hier erschienene Blogbeitrag. Im erwähnten Text wird vor einer Zunahme der Vermögenskonzentration und politischer Einflussnahme gewarnt. Gleich im ersten Satz ist zu lesen, dass die Reichsten immer reicher werden und der Vermögensanteil der „Überreichen“ stetig zunehme. Im Umkehrschluss ist damit gemeint, dass es den Reichen auf Kosten der Armen immer besser gehe. Was natürlich nur über staatliche Eingriffe – wie einer saftigen Vermögensteuer – korrigiert werden könne. Worauf sich diese Aussagen stützen, erfährt der Leser leider nicht. Weder die Analysen der Oesterreichischen Nationalbank noch jene der OECD oder der Credit Suisse teilen diese Schlussfolgerung. In Österreich ist die Vermögenskonzentration seit Anfang der Erhebung konstant oder allenfalls leicht rückläufig. Auf globaler Ebene sinkt sie, was natürlich auch mit Veränderungen im Abstand zwischen den Ländern zu tun hat.
Haben einige wenige Reichen zu viel, oder die meisten anderen zu wenig?
Was nichts daran ändert, dass Österreich eine auch im europäischen Vergleich hohe Vermögenskonzentration aufweist. Dies gilt unabhängig davon, ob man die Daten um Reichenlisten ergänzt oder nicht. Hierfür wurden auf europäischer Ebene verschiedene Gründe erkannt. Es gibt hierzulande beispielsweise einen hohen Mieteranteil, das heimische Immobilienvermögen befindet sich also in den Händen einiger Weniger. Was nicht nur daran liegt, dass sich viele Menschen keine eigene Immobilie mehr leisten können. Sondern auch daran, dass der Staat seit Jahrzehnten über strenge Regulierungen und Preisobergrenzen die Miete fördert. Aber auch der Sozialstaat spielt eine gewichtige Rolle. Je stärker dieser ausgebaut ist, desto mehr Risikoabsicherung übernimmt dieser für die Haushalte. Da sich der Staat um einen kümmert, spart man weniger und sorgt nicht vor. Der Staat macht das schon. Ganz offensichtlich wird das im Pensionssystem. Länder mit gut ausgebautem öffentlichen Pensionssystem haben häufig eine höhere Vermögensungleichheit bei den privaten Vermögen. Im Umkehrschluss haben Länder, in denen die private Vorsorge stärker betont wird, eine geringere Vermögenskonzentration. Auch der Kapitalmarkt in Österreich ist unterentwickelt. Firmenvermögen liegt oft in den Händen weniger Unternehmer. Die Hälfte der Österreicher verfügt über ein Nettovermögen von weniger als 83.000 Euro. Im Durchschnitt der Eurozone sind es knapp 100.000, in Spanien sind es 120.000 und in Italien 130.000 Euro.
Immer wieder gibt es Warnungen, dass große Vermögen zu einer politischen Einflussnahme führen. Auf den ersten Blick klingt das plausibel. Wie jeder andere auch wollen diese Personen ihren Besitz schützen. Tatsächlich spenden wohlhabende Personen auch an politische Entscheidungsträger. Aber das gilt in Österreich nicht nur für die Reichen. Vor allem die Verbindung zwischen politischen Parteien und Sozialpartner wirken massiv auf politische Entscheidungen ein. Sollten die Reichen tatsächlich einen so starken Einfluss auf Österreichs Politik nehmen, so sind sie offenkundig damit nicht sehr erfolgreich. Steuern und Abgaben liegen im EU-Spitzenfeld, ebenso Regulierungen und Bürokratie. Ja, Österreich hat keine Erbschaft- und Vermögensteuern. Ein Paradies für Kapitalisten ist die Republik dennoch nicht. Demgegenüber ist der Machteinfluss der Sozialpartner ungleich größer. Sie werden bei Gesetzen nicht nur um eine Stellungnahme gebeten, in vielen Fällen schreiben sie die Gesetze. Mitarbeiter sitzen im Parlament und oft gleich direkt in den Regierungen. Darüber hinaus sitzen sie in vielen öffentlichen Einrichtungen und verwalten Milliardenbeträge durch Vertreter in Organisationen wie den Sozialversicherungen.
Zu wenig Vermögen oder zu wenig Steuern?
Entsprechend haben die Autoren der Arbeiterkammer natürlich recht, wenn sie sagen, dass die Politik einen Einfluss auf die Vermögenssituation hat. Aber eben nicht nur auf der Betonung der Abgabenseite, sondern viel mehr auf der Seite des Vermögensaufbaus. Es ist keinesfalls so, dass Länder mit einer stärkeren Besteuerung von Vermögen zu einer gleicheren Verteilung kommen. Niemand, auch nicht ärmere oder mittlere Vermögensgruppen, würden in Österreich zusätzlich Vermögen aufbauen, müssten sie dieses versteuern. Österreich krankt am Vermögensaufbau für die breite Gesellschaft, was nicht an zu niedrigen Substanzsteuern liegt, sondern an zu hohen Steuern auf Einkommen.
Viele mögen die Vermögensverteilung als ungerecht betrachten. Da Gerechtigkeit schwer messbar ist, lässt sich die Frage nach der Fairness aber nicht wissenschaftlich beantworten. Wer an dieser Situation aber wirklich etwas ändern will, der braucht Ideen, wie wir den Menschen mehr Raum zum Vermögensaufbau lassen. Noch höhere Steuern leisten das jedenfalls nicht. Ganz im Gegenteil.
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