Ich bin alt genug, um mich noch daran erinnern zu können, dass Ronald Reagan, Margaret Thatcher und sämtliche Bushs in ihrer Amtszeit von politischen Gegnern manchmal mit Adolf Hitler verglichen wurden. Ich stand damals weiter links als heute, aber dass da etwas nicht ganz stimmen konnte, habe ich trotzdem kapiert.
Als Deutscher bin ich mit dem Wissen aufgewachsen, dass der Holocaust etwas bis dahin Einmaliges war und unvergleichbar mit allen anderen Völkermorden der Geschichte. Gleichzeitig aber war und ist für manche Linke fast jeder Politiker, der nicht mit verbundenen Augen das Parteiprogramm der Grünen oder zumindest der SPD unterschreibt, eine Art Wiedergeburt von Adolf Hitler. Wie, zum Teufel, passt das zusammen? Die Nazis waren einmalig, und gleichzeitig steht fast an jeder Straßenecke der nächste Führer.
Inzwischen rangiert bei uns in Deutschland der österreichische Kanzler weit oben in der Hitparade der Hitlers. Ich denke mal, dass Adolf Kurz immer noch knapp hinter Adolf Trump liegt, aber gleichauf mit Adolf Salvini, Adolf Orbán und kurz vor Englands Adolfetta May. Eine Satirezeitschrift hat für Kurz den Spitznamen „Baby-Hitler“ eingeführt, mit der Schlagzeile „Endlich möglich: Baby-Hitler töten“. Regionale Jugendorganisationen der Grünen, der Linken und der SPD haben gegen einen Deutschlandbesuch von Kurz mit dem Hinweis protestiert, er sei der neue Hitler. In der relativ einflussreichen Tageszeitung, die als honorig gilt, hieß es über Kurz: „Der Beelzebub mit dem Bärtchen hätte seine wahre Freude an diesem neuen Machertypen – besser gesagt: Machertypchen“. Als Kurz im deutschen Fernsehen interviewt wurde, hat die eisige Tonlage der Moderatorin Sandra Maischberger mich dann auch tatsächlich ein bisschen an den sowjetischen Staatsanwalt bei den Nürnberger Prozessen erinnert.
Natürlich gibt es auch Stimmen in Deutschland, die Kanzler Kurz nicht ganz so negativ sehen wie Hitler. Er ist von deutschen Journalisten auch schon, deutlich maßvoller, als „Bursche“, „Minusmensch“, „blöd“, „Pimpf“, „Kontrollfreak“, „unternehmerfreundlich“ und „Schnösel“ bezeichnet worden. Mitunter wird wirklich differenziert berichtet, zum Beispiel habe ich bei der Meldung, Kurz habe für alle Österreicher die Sechzigstundenwoche eingeführt, die Ergänzung gefunden, die sei aber „freiwillig“. Der deutsche Schauspieler Armin Rohde hat sich sogar Gedanken über Kurz‘ Rehabilitierung gemacht. Eine Kunstakademie solle ihn aufnehmen, „egal, was er vorlegt“, Hitler ist ja an der Aufnahmeprüfung gescheitert.
Was ich nicht begreife: Bei uns in Deutschland wird immer die Europäische Union in höchsten Tönen gepriesen, es gibt dazu keine Alternative, wir sind Freunde und Partner auf ewig. Sobald aber die Freunde anders wählen oder eine andere Koalition, bilden als die deutsche Regierung es sich wünscht, ist es mit der Freundschaft vorbei. „Gute Freunde kann niemand trennen“, so hieß mal ein Schlagerhit von Franz Beckenbauer. Wenn in Frankreich Präsident Macron so weitermacht, weiterhin Wünsche von Angela Merkel ablehnt und Trump minutenlang die Hand schüttelt, ist er womöglich der nächste Hitler, und Hitler hat dann die Atombombe. Eigentlich müssten wir schleunigst in dieses unkontrollierbare Staatengewusel einmarschieren, um den Faschismus zu verhindern. Aber im Moment ist unsere Bundeswehr den österreichischen Truppen nicht ganz gewachsen, gebt uns fünf Jahre Zeit.
Herzlich grüßt
Harald Martenstein
Harald Martenstein ist ein deutscher Star-Journalist. Er ist u.a. Redakteur des „Tagesspiegels“ und Kolumnist der „Zeit“. Von Jänner bis Dezember 2019 schreibt er für die Agenda Austria die monatliche Kolumne „Martensteins Österreich“.
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