Einkommen

Retten wir die Benya-Formel oder unseren Wohlstand?  

Trotz schrumpfender Wirtschaftsleistung ziehen Österreichs Löhne immer weiter davon. Sehr zum Vergnügen der ausländischen Konkurrenz.

Österreich ist nicht nur budgetär, sondern auch wirtschaftlich ein europäischer Ausreißer. Wir stellen heuer die einzige Volkswirtschaft der EU, die schrumpfen wird – und die einzige, in der sich das Wachstum seit drei Jahren nicht mehr blicken lässt. Deutlich besser läuft es für die Beschäftigten: Während die Wirtschaft schrumpft, steigen die Löhne munter weiter. Sie werden Ende des Jahres um 28 Prozent höher liegen als vor sechs Jahren, in der Eurozone nur um 17 Prozent. Wie das möglich ist? Ganz einfach: Hierzulande kümmern sich die Löhne nicht um die Wirtschaftskraft, sie orientieren sich an der Inflationsrate. Das macht außer uns so gut wie niemand sonst auf der Welt. 

Erfunden hat diese Art der Lohnfindung der Gewerkschafter Anton Benya in den 1970er-Jahren. In einer Zeit, in der die Märkte noch geschlossen waren und Österreich als wirtschaftliche Filiale Deutschlands fungierte. Die „Benya-Formel“ hat sich in die DNA der Bevölkerung eingebrannt. Sie gehört zu Österreich wie die Pasterze zum Großglockner. Für die Sicherung der Kaufkraft ist nicht mehr die Zentralbank zuständig, sondern der Arbeitgeber. Die Sache hat nur einen Haken: Unternehmen können nur dann höhere Löhne zahlen, wenn sie die steigenden Arbeitskosten an ihre Kunden weiterreichen können. Oder wenn die Beschäftigten Jahr für Jahr produktiver werden. 

So wie sich die Pasterze immer weiter Richtung Gipfel zurückzieht, schmilzt leider auch die Zahl der Kunden, die bereit sind, für den teuren österreichischen Sonderweg zu bezahlen. Österreich hat hinter Luxemburg mittlerweile die zweithöchsten Arbeitskosten in der EU, weltweit betrachtet liegen wir an vierter Stelle. Hinzu kommt eine seit Jahren stetig schrumpfende Produktivität, weil wir weniger arbeiten. Die Folge: Wir werden immer teurer und verlieren immer mehr Kunden an die Konkurrenz im Ausland, die dieselbe Qualität günstiger anbieten kann. Das gilt vor allem für personalintensive Branchen wie den Tourismus, aber auch für die Industrie, die allein in den vergangenen zwei Jahren real über zehn Prozent an Wertschöpfung verloren hat. Das ist so, als hätte jeder zehnte Betrieb zugesperrt.  

Die Gewerkschaften quittieren diese Entwicklung mit einer lässigen Kaltschnäuzigkeit: Wer sich die hohen österreichischen Löhne nicht mehr leisten könne, verfüge eben über kein funktionierendes Geschäftsmodell.

Verlagert werde zudem ohnehin und das wahre Problem seien nicht die hohen Lohn-, sondern die hohen Energiekosten. Das kann man natürlich so sehen. Aber vielleicht sollten wir nicht so lange warten, bis immer mehr Unternehmen das Weite suchen oder alle Jobs digitalisieren, während wir unser Glück in der staatlichen Bürokratie versuchen müssen. Vielleicht wäre es nicht ganz blöd, die aus der Zeit gefallene Lohnfindung zu überdenken. 

Andere Länder machen es längst besser – Schweden zum Beispiel: Dort orientiert sich das Lohnniveau an der exportorientierten Wirtschaft. In Österreich gibt der geschützte Staatssektor den Takt vor. Das muss sich ändern. Genauso wie die Gangart der Arbeitgeber. Seit Jahren winken sie hohe Abschlüsse durch, um sich dann hinterher über die sinkende Wettbewerbsfähigkeit zu beklagen. Die Schwachstelle der Arbeitgeber sitzt ihnen nicht gegenüber. Sie sitzt in den eigenen Reihen. Es sind jene Unternehmen, die immer wieder signalisieren, keine drei Tage Streik durchstehen zu können. 

Das Thema ließe sich lösen, indem die Verhandlungen stärker auf die Betriebsebene verlagert werden. Dort gehören sie auch hin. Wer mehr bezahlen kann und will, soll das auch gerne tun. Aber nicht andere Unternehmen in die Geiselhaft nehmen, die das nicht können. Vielerorts können Betriebe in sogenannten Haustarifverträgen Abschlüsse verhandeln, die sich an der wirtschaftlichen Lage des jeweiligen Unternehmens orientieren. Das ist zwar anstrengender als die zentralisierte Verhandlung. Und Benya geriete dann vielleicht auch bald in Vergessenheit. Aber was versuchen wir hier eigentlich zu retten? Die Benya-Formel? Oder unseren Wohlstand? 

Gastkommentar von Franz Schellhorn im ‘profil’ (14.6.2025).

  

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