Der Erfolg dieser „linken“ Meinungsbildung kann sich sehen lassen. Österreich und alle seine Bewohner profitieren seit Jahrzehnten von einem Wirtschaftssystem, das ziemlich viele Menschen im Land für böse und ungerecht halten.
Der Kapitalismus und seine Familienmitglieder (wie etwa die Globalisierung und der Freihandel) genießen in Österreich ungefähr gleich viel Ansehen wie massenhaft auftretende Touristen: Sie mögen Geld bringen, nerven aber unendlich und haben alles in allem einen schlechten Ruf. Das Meinungsforschungsinstitut Gallup befragte die Österreicher, was sie von ausgewählten Wirtschaftssystemen halten.[1] Eine schlechte Meinung vom Kapitalismus hatten immerhin 56 Prozent. Da tröstet es nur wenig, dass der Kommunismus noch ein bisschen unbeliebter ist (siehe Abbildung 1).
In Standort-Rankings ist der schlechte Ruf, den unternehmerische Tätigkeit in Österreich genießt, längst zu einem Nachteil geworden: Das Competitiveness-Ranking des International Institute for Management Development (IMD) an der Business School in Lausanne listet Österreich im Bereich der Werte und Einstellungen zum Thema Wirtschaft auf Rang 53 von insgesamt 69 evaluierten Ländern[2] Bemerkenswert: Wir liegen sogar noch drei Plätze hinter dem sozialistisch regierten Venezuela.
Weitere österreichische Besonderheiten:
Ein wesentlicher Motor des Wohlstands ist die stark exportorientierte Industrie. Doch nur etwas mehr als die Hälfte der Österreicher ist sich – wie die Ergebnisse des Eurobarometers 2024 zeigen – der Vorteile bewusst, die freier Handel jedem Bürger bringt.[3]
Nur wenige junge Menschen hegen den Berufswunsch „Unternehmer“, was sich unter anderem in der Flaute bei innovativen Start-ups manifestiert.[4]
Die beliebteste Anlageform der Österreicher ist nach wie vor das Sparbuch (siehe Abbildung 2). Vergleichsweise wenige trauen sich, ihr Geld in Unternehmen (Aktien oder ETFs, also börsengehandelte Fonds) zu investieren; oft hapert es schlicht am dafür notwendigen Wissen. Das erschwert den Vermögensaufbau der Bürger und macht die Kapitalbeschaffung für Unternehmen schwierig. Studien zeigen immer wieder, dass die Österreicher zwar viel sparen, ihr Geld aber so ineffizient anlegen, dass es dabei nur wenig für den Sparer arbeitet.[5]
Nicht zuletzt hat die breite Unkenntnis über ökonomische Vorgänge und Zusammenhänge auch ganz praktische negative Folgen für viele Bürger: Wie der aktuelle Schuldenreport zeigt, gibt mehr als jeder fünfte Betroffene eines Privatkonkurses an, dass mangelndes Finanzwissen zu seiner misslichen Lage geführt habe.[6]
Was man nicht versteht, hält man leicht für gefährlich und/oder schlecht: Diese Zusammenhang gilt ganz besonders für die Österreicher und ihr Wirtschaftswissen. Viele Menschen setzen das Thema „Wirtschaft“ außerdem mit „Geld und Finanzen“ gleich – und da gilt dann das Motto „Über Geld spricht man nicht“. Es scheitert demnach auch oft am gesellschaftlichen Austausch über diese Belange.
Schon Kinder und junge Erwachsene fühlen sich in wirtschaftlichen Fragen gar nicht oder schlecht informiert. Entsprechend groß sind die Defizite, wie die Ergebnisse einer empirischen Befragung zeigen (siehe Abbildung 3)[7]: Mehr als 60 Prozent der befragten Schüler waren der Meinung, der Staat entscheide, was im- und exportiert wird. Ebenso viele waren der Überzeugung, dass Inflation die Kaufkraft stärke und mehr als die Hälfte stimmte der Aussage zu, dass höhere Zinsen die Staatsschulden reduzieren. Insgesamt ist unter den Schülern der Staatsglaube stark ausgeprägt. Eine große Gruppe gab weiter an, dass Mindestlöhne die Arbeitslosigkeit senken oder der Staat Löhne und Preise festlege. Da dürfte die Debatte um die Eingriffe in die Lebensmittelpreise doch für großes Staunen gesorgt haben.
Im Jugendbericht Wirtschaftsbildung der Youth Empowerment Participation (YEP) gab die Mehrheit der befragten Jugendlichen an, dass sie Wirtschaft als unnahbar, kompliziert und negativ erleben.[8] Nur 38 Prozent interessieren sich für wirtschaftliche Themen. Jugendliche sehen sich selbst nicht als aktiven Teil der Wirtschaft.[9] Häufig besteht jedoch der Wunsch nach lebensnahen Inhalten im Unterricht (z. B. Berufe und Arbeitswelten oder Geld und Finanzierung). Im YEP Jugendbericht Finanzbildung erklärten zwei Drittel der Schüler von allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS), dass sie sich nicht oder nur wenig mit Geld und Finanzen auskennen.[10]
Die Jungen wären durchaus bereit, ihre Wissensmängel zu beheben: In der alljährlich durchgeführten Ö3-Jugendstudie sagten zuletzt 83 Prozent, dass sie Finanzbildung als Schulfach einführen würden, wenn sie Bildungsminister wären (auf Platz zwei direkt nach Mental Health/Psychische Gesundheit).[11]
Außer in Schulen mit einem ökonomischen Schwerpunkt – der meist ohnehin erst nach der neunten Schulstufe greift – ist Wirtschaft seit dem Schulorganisationsgesetz aus dem Jahr 1962 Teil des Lehrplans für das Fach „Geographie und wirtschaftliche Bildung“. Diese Kombination ist problematisch, weil die zwei Bereiche nur in Teilen zusammenpassen. Ökonomisches Wissen sollte didaktisch so aufgebaut werden, dass ein persönlicher Bezugspunkt entsteht: Jeder Mensch ist Teil von Markt und Wirtschaft.
Die Verknüpfung mit Geographie führt hingegen dazu, dass – sowohl vom Lehrplan als auch vom einzelnen Pädagogen – zwanghaft Teilbereiche gesucht werden müssen, die irgendwelche Schnittmengen aufweisen. Das sind aber meist nicht jene, die man bräuchte, um ein Grundverständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge zu erwerben.
Schon bei der Ausbildung der Lehrkräfte liegt der Fokus klar auf Geographie. Nur wenige Kurse vermittlen ökonomisches Basiswissen: 18 der 97 ECTS-Punkte[12] im Teilcurriculum behandeln explizit Wirtschaftskunde.[13] Und selbst in diesem begrenzten Stundenkontingent bleibt noch Raum für inhaltslose und ideologische Systemkritik. Die Wirtschaft ist also im besten Fall der Juniorpartner in der Fächerkombination. Um eine möglichst gute Symbiose zwischen Geographie und Wirtschaft zu erreichen, wird im Lehrplan auf einen strukturellen Aufbau des Wirtschaftswissens verzichtet.
Viele Pädagogen fühlen sich deshalb unsicher beim Thema Ökonomie. Sie vernachlässigen diesen Teil ihres Faches, verlegen ihn nach hinten oder lassen ihn teilweise ganz aus.
Statt die Wirtschaftskompetenzen der Lehrkräfte zu stärken, um diesem Problem zu begegnen, wird die Wirtschaftswissenschaft als solche in der Ausbildung der Lehrkräfte bewusst diffamiert: „Immer wieder wird international das schlechte Abschneiden von Schülern bei so genannten Wirtschaftswissenstests beklagt. […] Auch Erwachsene schneiden kaum besser ab, was beispielsweise die Untergruppen der Abiturienten, der Lehramtsstudierenden, der Manager und sogar der Ökonomen betrifft, wobei letztere durch inadäquate Bewertungen und Handlungen bereits mehrmals zur Herbeiführung und Verschärfung von Krisen beigetragen haben“, heißt es etwa im Lehrmaterial.[14]
Damit wir uns richtig verstehen: Natürlich soll es eine kritische Auseinandersetzung mit der Materie geben. Es wäre nur wichtig, erst die Grundlagen zu vermitteln, damit die Schüler auch verstehen, was zu kritisieren ist und worauf die Kritik basiert. Eine reine Systemkritik ohne vorgelagerte Einordnung hat mit Bildung wenig zu tun. Junge Lehramtsstudenten sollten ihre Ausbildung nicht mit dem Generalverdacht antreten, dass unser aktuelles Wirtschaftssystem die Menschheit in den Abgrund treibt. Denn bei aller in Einzelfällen berechtigten Kritik belegt die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte genau das Gegenteil.
In der jüngeren Vergangenheit gab es durchaus Bestrebungen, der Wirtschaft in den Lehrplänen mehr Raum zu geben. Auf die bessere Ausbildung der Lehrkräfte wurde bei diesen Bemühungen aber offenbar vergessen. Auch Weiterbildungsangebote in diesem Bereich bestehen noch immer allenfalls auf freiwilliger Basis.
Fußnoten
Warum Österreichs Schüler so wenig über Wirtschaft wissen. Und warum das nicht gut ist.
Was ist ein Markt? Wie bilden sich Preise? Was ist der Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn? Viele Österreicher wissen das nicht; die Welt der Ökonomie ist ihnen ein Rätsel und deshalb oft auch unheimlich. Ein Schulfach Wirtschaft würde diese Defizite schon bei den Jüngsten beheben – und eine Menge Irrtümer aus der Welt schaffen.
Eine ökonomische Anleitung zum radikalen Förderstopp
Das Geld ist knapp. Das österreichische Doppelbudget 2025/26 pfeift aus dem letzten Loch. Streichen wir doch einfach ein paar Förderungen, meinen nun manche. Doch leichter gesagt als getan. Am Ende traut sich ja doch wieder keiner, den Rotstift anzusetzen. Die Agenda Austria schreitet mutig voran. Und streicht. Alles.
Über Gemeindefinanzen und Prioritäten.
Österreichs Gemeinden kommen mit ihrem Geld nicht mehr aus. Mal wieder. Eine Überraschung ist das nicht. Denn der österreichische Föderalismus ist eine Fehlkonstruktion.
Die österreichischen Löhne eilen davon. Aus der Rezession kommen wir aber nur heraus, wenn auch die Privathaushalte anfangen, sich an den Kosten der Misere zu beteiligen. Hoffentlich ist es dafür nicht schon zu spät.
Die Budgetrede, die das Land braucht – die Finanzminister Markus Marterbauer aber so nie halten wird.
Jeder weiß: Auf einem Bein zu stehen, ist auf Dauer eine ziemlich wackelige Angelegenheit. Doch dem österreichischen Pensionssystem muten wir genau das zu. Es steht fast ausschließlich auf einem Bein: dem staatlichen Umlageverfahren. Zwar setzen viele Länder in Europa auf solche Systeme, doch kaum eines verlässt sich derart blind darauf wie Ö
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
Lernen Sie uns kennenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie müssen den Inhalt von reCAPTCHA laden, um das Formular abzuschicken. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten mit Drittanbietern ausgetauscht werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen