Was vor Jahren einmal als Fachkräftemangel bei Ingenieuren und Programmierern begann, hat sich längst zu einem veritablen Wachstumshindernis ausgeweitet. Rund 80 Prozent der österreichischen Unternehmen berichten von Arbeitskräftemangel; über die Hälfte von ihnen muss Aufträge ablehnen, weil die Beschäftigten fehlen.[1] Und die wenigen, die es noch gibt, wollen immer weniger arbeiten. Die Jahresarbeitszeit pro Beschäftigten ist während der Corona-Pandemie um über 100 Stunden gefallen und hat sich davon nie richtig erholt. Und so bleiben mitten in der wirtschaftlichen Flaute über drei Prozent der Stellen in Österreich unbesetzt; so viele wie fast nirgendwo in der EU. Das ist auch das Ergebnis steuerlicher Fehlanreize: Wer von 20 auf 40 Stunden aufstockt, bekommt netto nur 68 Prozent mehr Geld. Und wer sich gleich ganz zur Ruhe setzen will, kann das via Korridorpension im besten Alter tun.
Leute zu finden, ist also das erste Problem. Sie zu bezahlen, das zweite. Schon vor Beginn der Tariflohnverhandlungen haben wir von der Agenda Austria gewarnt, dass uns ein stures Festhalten an der Benya-Formel Wettbewerbsfähigkeit kosten würde.[2] Nun sind die Abschlüsse in vielen Branchen zwar überraschend niedrig ausgefallen. Doch jetzt, da wir die Lohnentwicklung in ganz Europa bis Herbst 2026 abschätzen können, lautet das Urteil: Es reicht nicht. Wir driften dem Euroraum noch immer davon (vgl. Abbildung 5). Die Lücke, die wir seit 2022 aufgerissen haben, wird sich dieses und – bei aller Lohnzurückhaltung – auch nächstes Jahr sogar vergrößern. Seit 2020 haben wir bei den Arbeitskosten Deutschland, Frankreich und Schweden überholt und liegen nun auf Platz 5 in der EU (vgl. Abbildung 6).
Auch für die Lösung des Arbeitskostenproblems braucht es einen Mentalitätswandel. Die fast vollständige Kollektivvertragsabdeckung und die Gutsherrenart, mit der sich Gewerkschaften und Kammern als Hüterinnen des Status quo verstehen, haben ausgedient. In Schweden einigten sich Gewerkschaften und Industrievertreter schon in den 1990er-Jahren auf ein koordiniertes System, in dem die Bedingungen der exportorientierten Industrie den Takt angeben; ihre Lohnsteigerungen sollen sich an den Lohnabschlüssen in den relevanten Zielländern ausrichten. Alle anderen Branchen haben sich dann daran zu orientieren. Auch bei uns sollten diejenigen zuerst verhandeln, die ihre Produkte am Weltmarkt unterbringen müssen. Beamte und Pensionisten können erst an den Verhandlungstischen Platz nehmen, wenn die Abschlüsse in der gewerblichen Wirtschaft fixiert sind. Mit einem Ende der Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern würde außerdem die Tür für individuelle Haustarifverträge, wie sie in anderen Ländern längst üblich sind, offenstehen.
Und wie besetzen wir nun die 140.000 offenen Stellen? Bevor wir die 400.000 Arbeitslosen mit der Peitsche zu den Jobs treiben und die Teilzeitkräfte in der Fabrik einschließen, muss sich Arbeit erst einmal wieder lohnen. Das allein wird das Problem nicht lösen, aber in einem Land mit einer der weltweit höchsten Abgabenbelastungen auf den Faktor Arbeit ist jede Entlastung ein Zweck an sich. Eine Kombination aus einer Flat Tax, mit der jemand, der doppelt so viel arbeitet, netto auch doppelt so viel im Börsel hat, und einem degressiven Arbeitslosengeld, das am Anfang höher ist und dann mit der Zeit absinkt, wäre ein guter Anfang. Und auch ein bisschen sanfter Druck wäre nicht verkehrt. Eine Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln zum Beispiel oder eine Abschaffung der geringfügigen Hinzuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslose.
Einen Punkt können wir den Dienstgebern aber nicht ersparen. Wenn der Faktor Arbeit immer knapper und teurer wird, dann sendet der Markt ein klares Signal: Sie müssen ihre Arbeitskräfte produktiver einsetzen. Vierzig gesunde Männer, die zu Stoßzeiten mit gelben Warnwesten im Bahnhof Wien Mitte Fahrkarten kontrollieren, können nicht die Zukunft sein. Wenn wir nicht produktiver werden – und wir liegen in diesem Punkt auch im EU-Vergleich weit hinten –, dann wird der Arbeitsmarkt zu einem blinden Wettlauf um immer mehr Köpfe. Statt sich mit Personal nur so vollzusaugen, könnte auch der öffentliche Dienst stärker auf Digitalisierung setzen. Und wo bleiben eigentlich die selbstfahrenden LKWs oder die Küchenroboter in der Gastronomie? Keine Traumvorstellung, mag sein. Aber wie war das mit den mechanischen Webstühlen?
Fußnoten
Damit die österreichische Wirtschaft wieder wachsen kann, ist Veränderung nötig. Das Stichwort lautet: schöpferische Zerstörung.
(Über) 100 Jahre Interventionsspirale im österreichischen Wohnungsmarkt
Die Mietpreisbremse für den freien Markt wird kommen. Und mit ihr eine ganze Reihe an unbeabsichtigten Nebenwirkungen. In Österreich haben wir über 100 Jahre Erfahrung mit Mietpreiseingriffen. Nur gelernt haben wir nichts daraus.
Warum Österreichs Schüler so wenig über Wirtschaft wissen. Und warum das nicht gut ist.
Was ist ein Markt? Wie bilden sich Preise? Was ist der Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn? Viele Österreicher wissen das nicht; die Welt der Ökonomie ist ihnen ein Rätsel und deshalb oft auch unheimlich. Ein Schulfach Wirtschaft würde diese Defizite schon bei den Jüngsten beheben – und eine Menge Irrtümer aus der Welt schaffen.
Eine ökonomische Anleitung zum radikalen Förderstopp
Das Geld ist knapp. Das österreichische Doppelbudget 2025/26 pfeift aus dem letzten Loch. Streichen wir doch einfach ein paar Förderungen, meinen nun manche. Doch leichter gesagt als getan. Am Ende traut sich ja doch wieder keiner, den Rotstift anzusetzen. Die Agenda Austria schreitet mutig voran. Und streicht. Alles.
Über Gemeindefinanzen und Prioritäten.
Österreichs Gemeinden kommen mit ihrem Geld nicht mehr aus. Mal wieder. Eine Überraschung ist das nicht. Denn der österreichische Föderalismus ist eine Fehlkonstruktion.
Die österreichischen Löhne eilen davon. Aus der Rezession kommen wir aber nur heraus, wenn auch die Privathaushalte anfangen, sich an den Kosten der Misere zu beteiligen. Hoffentlich ist es dafür nicht schon zu spät.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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