Mindestlöhne: Gibt es Spielraum nach oben?
- 09.06.2016
- Lesezeit ca. 2 min
In welchen Branchen der Mindestlohn angehoben werden könnte - und wo dies Jobs kosten würde
Österreich verügt über ein komplexes Mindestlohnsystem auf Basis von Kollektivverträgen, welche fast 98 Prozent aller Arbeitnehmer in Österreich abdecken. Die vorliegende Studie untersucht, wie sich der kürzlich gemachte Vorschlag, den Mindestlohn auf 1.700 Euro anzuheben, in den verschiedenen Branchen auswirken würde. Unsere Berechnungen zeigen, dass eine Umsetzung dieser Idee mehr Schaden als Nutzen stiften würde.
Einleitung
Während in vielen europäischen Ländern ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn gilt, herrscht in Österreich ein komplexes Mindestlohnsystem auf Basis von Tarifverhandlungen (”Kollektivverträge“). Der Lohn von fast 98 Prozent aller Arbeitnehmer in Österreich ist durch diese Kollektivverträge abgedeckt; nur wenige Branchen sind davon ausgenommen. Die Tarifverhandlungen führen die beiden Sozialpartner, also der Österreichische Gewerkschaftsbund für die Arbeitnehmer und die Wirtschaftskammer Österreich für die Arbeitgeber.
Diese Tarifverhandlungen finden regelmäßig für mehr als 450 unterschiedliche Branchen statt. Die verhandelten Mindestlöhne unterscheiden sich nicht nur zwischen den verschiedenen Sektoren, sondern sind außerdem je nach Dauer der Beschäftigung sowie Art der Arbeit unterschiedlich hoch.
Neuere theoretische Betrachtungen (Brown et al., 2015) kommen zu dem Schluss, dass ein Mindestlohn, der höher ausfällt als der bisher bezahlte Lohn, Auswirkungen sowohl auf das Angebot als auch auf die Nachfrage an Arbeitskräften haben kann:
Auf das Angebot an Arbeitskräften wirkt sich der sogenannte Jobannahme-Effekt aus (job acceptance effect): Wenn der erhöhte (Mindest)Lohn über dem sogenannten Reservationslohn liegt – das ist jener Lohn, ab dem Menschen bereit sind, zu arbeiten – dann nehmen diese einen Job auf und die Beschäftigung in der betrachteten Gruppe steigt.
Auf die Nachfrage von Arbeitskräften wirkt der sogenannte Jobangebots-Effekt (job-offer effect), und zwar negativ: Bei höheren Löhnen kann es für Unternehmen günstiger sein, ihre Arbeitnehmer durch Maschinen zu ersetzen (Substitutionseffekt). Höhere Löhne – und damit höhere Produktionskosten – können dazu führen, dass Produktionsstandorte langfristig in Länder mit geringeren Kosten ausgelagert werden. Durch eine Anhebung des Lohns ändert sich zudem der Lohnunterschied zwischen geringer und höher qualifizierten bzw. jüngeren und älteren Arbeitnehmern. Die durch die Erhöhung ihres Lohns teurer gewordenen Arbeitnehmer laufen Gefahr, durch höher qualifizierte bzw. ältere Arbeitnehmer ersetzt zu werden. Möglicherweise entstehen überdies insgesamt weniger neue Jobs. Die Beschäftigung sinkt.
Solange der positive Jobannahme-Effekt höher ist als der negative Jobangebots-Effekt, führt ein Mindestlohn oberhalb der bisher bezahlten Löhne also zu einem Mehr an Beschäftigung. Überschreitet jedoch der Mindestlohn eine gewisse Höhe, gehen Arbeitsplätze durch Umschichtung, Verlagerung der Produktion oder Automatisierung verloren und die Beschäftigung sinkt. Es gibt also eine optimale Höhe des Mindestlohns, den sogenannten Wendepunkt. Liegt der Lohn ober- oder unterhalb des Wendepunkts, bleibt die Beschäftigung unter dem, was theoretisch möglich wäre.
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