Was tun österreichische Unternehmer, wenn sie Geld brauchen? Sie rufen ihre Hausbank an. Das ist seit Jahrhunderten geübte Praxis. Die Bank wird die Sicherheiten checken und dann einen Kredit geben (oder eben nicht). Die Finanzierung der österreichischen Wirtschaft läuft vor allem über Kredite und nichtbörsennotiertes Eigenkapital (vgl. Abbildung 4).[1] Das Problem: Wenn die Banken an die kurze Leine genommen werden – wie das seit der Finanzkrise der Fall ist –, dann sind Kredite schwieriger zu bekommen. Andere Geldgeber gibt es in Österreich aber kaum. Auch die Finanzierung über deutsche oder französische Banken ist schwierig, da es die EU nie zu einem echten gemeinsamen Kapitalmarkt gebracht hat. Die seit der Finanzkrise mäßige wirtschaftliche Entwicklung Österreichs und Europas insgesamt wird allgemein zumindest zum Teil auf den schwachen Kapitalmarkt und die starke Fixierung auf Bankkredite zurückgeführt.
Doch die Fremdfinanzierung über Banken ist für viele neue Geschäftsmodelle nicht mehr zeitgemäß. Ein digitales Start-up hat oft lediglich eine Idee im Gepäck und vielleicht eine App oder andere immaterielle Vermögenswerte. Eine Bank kann auf dieser Grundlage keinen Kredit vergeben. Wenig überraschend schneidet Österreich daher bei der Zahl an Start-ups im internationalen Vergleich zumeist schlecht ab.[2] Start-ups sind aber für die Produktivitätsentwicklung eines Landes essenziell. Junge Unternehmen sind oft – neben ihrem Effekt auf Innovation und Markttransformation – für den Hauptanteil neu geschaffener Stellen verantwortlich.[3] Da in Österreich aber kaum private Investoren zur Verfügung stehen, springt häufig der Staat als Financier ein. Das funktioniert eher mäßig, da öffentliche Risikokapitalfinanzierung nachweislich schlechter performt als eine über private Geldgeber.[4] Es hat sich außerdem gezeigt, dass Unternehmen, die mit externem Eigenkapital finanziert werden, Marktchancen im Allgemeinen schneller wahrnehmen sowie einen höheren Professionalisierungsgrad, eine höhere Innovationsleistung und schnelleres Beschäftigungswachstum aufweisen.[5]
Viele Reformen im Kapitalmarkt müssen auf europäischer Ebene angegangen werden. Die zuständige EU-Kommissarin Mairead McGuinness beklagte erst vor kurzem in der Financial Times, dass die Bremser der Kapitalmarktunion in den Hauptstädten säßen und keine Anstalten machten, eine Harmonisierung der Steuersysteme oder der Gläubigerschutzrechte voranzutreiben. Wien sollte in der EU eine starke Stimme dafür sein, dass die Kapitalverkehrsfreiheit endlich mit Leben erfüllt wird. Ein dickes Brett, das es zu bohren gilt. Doch auch in Österreich ist noch viel Luft nach oben:
Die Voraussetzungen für Investitionen in Start-ups müssen verbessert werden. Venture Capital (VC) sollte in den früheren Phasen mithilfe eines Dachfonds gestärkt werden;[6] zum Beispiel nach dem Vorbild des dänischen „Export and Investment Fund“. Der Dachfonds investiert selbst in eine Vielzahl von Fonds und kann somit das Risiko reduzieren. Neben Venture Capital kann auch in Aktienfonds oder andere Anlageklassen investiert werden, um auf diese Weise breit aufgestellt zu sein. In diesen Dachfonds wiederum kann der institutionelle Sektor, wie etwa Pensionskassen, Versicherungen oder Stiftungen, investieren, ohne zu viel Risiko zu nehmen. Die Venture-Capital-Initiative des Austria Wirtschaftsservice (aws) ist zwar durchaus vergleichbar mit den Aktivitäten des dänischen Dachfonds. Allerdings sind die erfolgten Investitionen wesentlich geringer. Es fehlen die großen Pensionsfonds als Kapitalgeber, da bei uns das staatliche Pensionssystem dominiert. In Schweden sind sie für mehr als die Hälfte der VC-Investitionen verantwortlich. Allein die Ausgestaltung unseres Pensionssystems erklärt also einen erheblichen Teil der untergeordneten Rolle von Start-up-Kapital im Land. Ein erster Schritt wäre daher der Ausbau der zweiten und dritten Säule im Pensionssystem und die Veranlagung am Kapitalmarkt, damit alle Arbeitnehmer im Land von wachsenden Unternehmenswerten profitieren.
Ebenso schwach ausgeprägt ist in Österreich die Finanzierung von Start-ups über Business Angels.[7] Eine Möglichkeit wäre hier die Schaffung von Steueranreizen für solche Investoren. In Ländern wie dem Vereinigten Königreich war das eine der Hauptkomponenten des Erfolgs.[8] Denkbar wäre ein Modell wie das britische „Seed Enterprise Investment Scheme“, das Einkommensteuererleichterungen in Höhe von 30 Prozent der Investition bietet, wenn Geldgeber sich an kleinen Privatunternehmen beteiligen und ihr Engagement mindestens drei Jahre lang aufrechterhalten.
Die steuerliche Gleichstellung von Fremd- und Eigenkapital ist ein weiterer Ansatz, die eigenkapitalintensive Wagnisfinanzierung zu fördern. Während Kreditzinsen vom zu versteuernden Gewinn als Aufwand abzugsfähig sind, ist das bei Eigenkapital nicht der Fall. Die Abzugsfähigkeit von Eigenkapitalrenditen würde die steuerliche Diskriminierung von Eigenkapital reduzieren.[9] Zur kalkulatorischen Ermittlung könnten beispielsweise die variablen Unternehmenskreditzinssätze herhalten. Belgien hat eine steuerliche Abzugsfähigkeit im Jahr 2006 eingeführt und konnte in weiterer Folge die Eigenkapitalquote signifikant erhöhen (um circa drei Prozentpunkte).[10] Italien setzte eine Maßnahme im Jahr 2011 um, die zumindest für neu eingebrachtes Eigenkapital eine Abzugsfähigkeit zulässt.[11] Die empirische Evidenz deutet darauf hin, dass ein fiktiver Zinsabzug auf Eigenkapital tatsächlich einen positiven Effekt auf die Ausweitung des Eigenkapitals haben könnte.[12] Auch die Verbesserung des Verlustausgleichs und Verlustvortrags könnte helfen, die eigenkapitalintensive Wagnisfinanzierung zu fördern.
Die Verbesserung der Finanzbildung („Financial Literacy“) fordert die Agenda Austria schon lange. Um uns selbst zu zitieren: „Das Finanzsystem ist wie eine Fremdsprache, die man erlernen kann.“ Getan hat sich diesbezüglich in den letzten Jahren wenig. Das Sparbuch ist noch immer die bevorzugte Veranlagungsform der Österreicher. Die Verbesserung der Finanzbildung war in Schweden – seit jeher ein Land mit einer der höchsten Finanzbildungsquoten – ein entscheidender Grund für den hohen Anteil von Privatpersonen, die am Kapitalmarkt investieren und so auch das Angebot an Venture Capital hochhalten können. Die schwedische Finanzaufsichtsbehörde (FSA) bietet seit 2007 Finanzbildung an; seit 2008 sind Immigranten eine der Zielgruppen.
Fußnoten
Der Sozialstaat ist eine Errungenschaft, um die uns viele Menschen auf der Welt beneiden – aber auch eine finanzielle Belastung, die sich immer schwerer stemmen lässt. Die nächste Regierung wird um Sparmaßnahmen nicht herumkommen, wenn das System zukunftsfit bleiben soll. Für die Bürger muss das nicht unbedingt Verschlechterungen mit sich br
Eigentlich wollte die Regierung ja die Staatsschulden senken und die Bürger entlasten. Beides ist leider spektakulär misslungen. In der kommenden Legislaturperiode muss die Politik das Ruder herumreißen und einen Sparkurs einschlagen. Die gute Nachricht: Es gibt ziemlich viele Maßnahmen, die man setzen kann.
Österreich gibt sehr viel Geld für Bildung aus – und bekommt dafür nur mittelmäßige Resultate. In Schulnoten ausgedrückt verdient der Bereich bestenfalls ein „Befriedigend“. Dabei wäre es gar nicht so schwer, Einserschüler zu werden, auf dem Bildungsmarkt gibt es viele gute Ideen. Die nächste Regierung muss das Rad also nicht neu erf
Die österreichische Wirtschaft leidet unter Personalmangel. Zugleich nimmt die Arbeitslosigkeit wieder zu und die Teilzeitjobs werden immer mehr. Die nächste Regierung hat es in der Hand, den toxischen Cocktail, der sich auf dem Arbeitsmarkt zusammen
Wirtschaftswachstum ist kein Selbstzweck und kein Fetisch neoliberaler Ökonomen oder raffgieriger Unternehmer. Ein höherer Lebensstandard ist ohne Wachstum nicht erreichbar. Auch sozial- und klimapolitische Errungenschaften rücken ohne Wirtschaftswachstum in weite Ferne. Wir präsentieren die Hebel, an denen die künftige Regierung ansetzen muss
Kurz war der Traum vom geeinten Europa; der Glaube an ein regelbasiertes Miteinander im europäischen Haus, das mehr Wohlstand für alle produzieren würde, scheint passé. Die Visionen großer Europäer wie Jean Monnet oder Robert Schuman sind den Minderwertigkeitskomplexen kleiner Provinzpolitiker gewichen. Diese finden nicht mehr Freihandel und
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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