Lehrerdienstrecht – Schicksalsfrage für Österreichs Schulsystem?
- 21.08.2013
- Lesezeit ca. 3 min
Fast könnte man diesen Eindruck gewinnen, wenn man die österreichischen Medien der letzten Wochen verfolgt. Die Verhandlungen über ein neues Lehrerdienstrecht laufen bereits über ein Jahr, zuletzt gab es die 32. Verhandlungsrunde.
Seit Kanzler und Vizekanzler Druck auf einen Abschluß noch vor den Wahlen gemacht haben, rangiert das Thema ganz oben in den Medien. Die Diskussion über die wirklich zentralen Fragen der Reform unseres Schulsystems bleiben demgegenüber weitgehend auf Expertenzirkel beschränkt.
Echte Schulautonomie einführen
Eines dieser zentralen Themen ist die Einführung einer echten Schulautonomie als Alternative zu den heutigen weitgehend durch Gesetze und Bundes-, Landes- und Bezirksschulbehörden vorgegebenen Detailregelungen. Die Verlagerung von Verantwortung für die Zielerreichung von der „Zentrale“ an die „Außenstellen“ ist nicht nur ein selbstverständliches unternehmerisches Prinzip zur Steigerung der Effizienz. Sie ermöglicht darüber hinaus eine entsprechende Berücksichtigung regional unterschiedlicher Kundenbedürfnisse, sprich Bedürfnisse der Eltern und Schüler. Damit könnte insbesondere der spezifischen Situation Wiens im Rahmen des österreichischen Schulsystems Rechnung getragen werden. Zusammen mit Transparenzregeln erlaubt Schulautonomie auch die Organisation eines sinnvollen Qualitätswettbewerbs zwischen Schulen und Schultypen.
Wie könnte eine Skizze eines solchen liberalen, dezentralen, qualitätsorientierten und die relevanten Stakeholder einbeziehenden Systems der Schulautonomie aussehen?
- Schulleitungsfunktionen werden ohne Parteieneinfluß auf Basis objektiver, nachvollziehbarer Verfahren unter Einbeziehung der Eltern vergeben und verlängert.
- Die Schulleitung, unterstützt durch einen Elternbeirat, entscheidet in einem strengen Auswahlverfahren über die Aufnahme von Lehrkräften.
- Lehrkräfte unterrichten den vorgegebenen Lehrstoff nach transparent von ihnen definierten Methoden und Organisationsformen sowie mit von ihnen frei gewählten Lehrbüchern und Lehrmitteln.
- Die Schule kann statt der schematischen 50-Minutentaktung flexiblere, problemadäquate Zeitprofile wählen.
- Lehrkräfte unterliegen wohl definierten Fortbildungsverpflichtungen.
- Lehrkräfte verbringen ihre Arbeitszeit weitgehend in der Schule, ausgestattet mit einem Arbeitsplatz, wie er in einem Bürobetrieb der Wirtschaft üblich ist.
- Die Leistungen von Lehrkräften werden regelmäßig evaluiert, ihre Gehälter beinhalten eine substantielle Leistungskomponente.
- Schulen haben jährlich ein vorgegebenes Set detaillierter Kennzahlen zu ihrer Tätigkeit und den Erfolgen der Schüler als Basis für externe Evaluierungen zu veröffentlichen.
Höhere Wertschätzung für Lehrkräfte
Schulautonomie ist auch geeignet, das zu Recht bitter beklagte Problem der mangelnden Wertschätzung von Lehrkräften in unserer Gesellschaft zu lösen. Die Leistungen der Lehrer und Lehrerinnen mit hoher eigenen Gestaltungskompetenz und Eigenverantwortung würden den Eltern als wichtigsten Partnern der autonomen Schule und in der Folge einer breiteren Öffentlichkeit bewußt werden. Die Anerkennung individueller Leistung in finanzieller und ideeller Form schlüge sich darüber hinaus in einem dringend benötigten Motivationsschub bei den Lehrkräften zum Wohl der Kinder nieder.
Was wie eine unerreichbare Utopie klingt, gibt es übrigens bereits in verschiedenen Ausprägungen in skandinavischen Ländern. In Österreich wird das Pferd vom Schwanz aufgezäumt. Ein neues Lehrerdienstrecht macht nämlich erst dann Sinn, wenn Klarheit über die großen Reformperspektiven unseres Schulsystems und die sich aus einer Schulautonomie ergebenden Anforderungen an die Lehrkräfte besteht.
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