Der Personalwechsel am Ballhausplatz bietet eine große Chance: SPÖ und ÖVP sollten sich an Schweden orientieren, wo eine breite Parteienallianz wichtige Reformen ohne die Sozialpartner durchgesetzt hat.
Schweden 1992: Das Budgetdefizit beträgt horrende 12 Prozent des BIP, George Soros spekuliert gegen die Krone, Bankeneinlagen fließen wie ein reißender Strom ins Ausland und der Bevölkerung ist klar, dass die Pensionen bald nicht mehr bezahlbar sein werden. Nach einer Wahl-Ohrfeige für die 19 Jahre lang regierenden Sozialdemokraten erstellen die Konservativen einen Sanierungsplan, gespickt mit Grausamkeiten – den die Sozialdemokraten unterstützen. Als Gegenleistung bekommen sie volle Einsicht in die Arbeit und Pläne der Regierung. Es dauert nur ein paar Wochen, bis das Land stabilisiert ist und die Regierung daran gehen kann, die nötigen Maßnahmen Schritt für Schritt umzusetzen.
Damit Schweden aus der politischen Erstarrung herausfand, war ein Beinahe-Crash nötig. Hierzulande bietet der Wechsel im Kanzleramt – allem Anschein nach zu Christian Kern – nun die große Chance, dass Österreich nicht weiter auf einen solchen Absturz zutreibt; dass die Regierung ihre Lähmung überwindet und endlich tut, wofür sie bezahlt wird: Regieren.
In welche Richtung sie ihre Schritte lenken sollte, ist klar. Da mag das Zurückfallen des Wirtschaftsstandorts Österreich in internationalen Rankings von manchen als irrelevantes Geschwätz von Managern abgetan werden: Am Ende der Ära Faymann zeigen die Statistiken Rekordarbeitslosigkeit, Rekordschulden und gleichzeitig ein nur unter dem Mikroskop erkennbares Wachstum. Während Schweden von den damaligen Reformen bis heute profitiert:
In Österreich braucht es zuallererst bessere Bedingungen für Unternehmer und niedrigere Arbeitskosten. Denn ohne neue Jobs ist die weiter steigende Arbeitslosigkeit nicht in den Griff zu bekommen. Derzeit produzieren die Schulen viel zu viele funktionelle Analphabeten, die im Berufsleben keine Chance haben, und tragischer Weise damit auch keine auf ein selbstbestimmtes Leben. Dagegen sind eine echte Autonomie für die Schulen und mehr Wettbewerb im heimischen Bildungssystem nötig. Und eine Reform der zersplitterten Schulverwaltung, damit das Geld bei den Schülern ankommt und nicht in den veralteten Strukturen versickert.
Das Pensionssystem braucht eine dauerhafte Stabilisierung: Schon heute gehen fast die gesamten Lohnsteuereinnahmen für Beamtenpensionen und die Abdeckung des Pensionslochs drauf. Höchst an der Zeit ist auch die Sanierung des Staatshaushalts. Die Regierung müsste mit den jährlich sprudelnden Rekordeinnahmen zumindest eine „schwarze Null“ schreiben können.
Jeder neue Regierungschef mit nur einem Hauch mehr Verständnis für Wirtschaft als der bisherige wird diese Stoßrichtung als zielführend erkennen. Nun ist es in Österreich ja gar nicht nötig, dass eines der beiden großen politischen Lager, so wie in Schweden, auf harte Oppositionspolitik verzichtet. Schließlich haben wir (noch) eine Koalition jener Parteien, die aus der letzten Wahl als die größten hervorgegangen sind. Trotzdem sollte sich die neue Regierung von den Skandinaviern etwas abschauen: Nämlich wie Sozialdemokraten und Konservative einen der großen Reformbrocken gemeinsam stemmten, konkret die Sicherung der Pensionen.
Wie das ging? Indem alle Parteien, die den Reformbedarf per se anerkannten, eine – ja, doch – Arbeitsgruppe bildeten. Insgesamt waren es fünf, aus Regierung wie Opposition. Entscheidend war aber vor allem, wer nicht dabei war: Gewerkschaften, Arbeitgeber und alle anderen Pressure Groups mussten draußen bleiben. Sie durften nicht mitreden – waren an den Änderungen dann aber auch nicht “Schuld”. Gleichzeitig hatten die Parteien vereinbart, die Reform nicht zur einseitigen Profilierung zu missbrauchen.
Dieser Verzicht auf schnellen Ruhm stärkte ihre Glaubwürdigkeit, und zwar auf Kosten der destruktiven Verhinderer. Und noch etwas: Die Arbeitsgruppe bestand aus führenden Vertretern der Parteien, die ein Ergebnis auch gegen innerparteilichen Widerstand (lies: Kammern, Länder, Pensionistenvertreter…) durchsetzen konnten und wollten. Nur dabeizusitzen und zuzuhören zählte ebenfalls nicht; jeder musste mitarbeiten. Nach einer Einigung auf die Grundzüge eines neuen Pensionssystems versuchten lokale Gewerkschaften noch, die Reform abzuschießen. Doch die Dynamik war schon zu groß, um das Projekt noch zu Fall zu bringen.
Übrigens: Schon nach drei Jahren waren die Sozialdemokraten, die das ganze Schlamassel verursacht hatten, aber auch bei der Beseitigung halfen, wieder zurück an der Macht. Die angebliche Weisheit “wer reformiert, verliert Wahlen” ist also keine. Und der neue Premier Göran Persson war intelligent genug, viele der schmerzhaften, für Schweden aber nötigen Maßnahmen weiter zu führen. Schweden hat heute mit derselben Steuer- und Abgabenquote nur noch halb so hohe Schulden wie Österreich. Zudem einen sanierten Staatshaushalt, ein gesichertes Pensionssystem und ein taugliches Bildungsangebot.
Wie gesagt: Der Wechsel im Kanzleramt bietet die große Chance für die Regierungsparteien, Bremser links und rechts liegen zu lassen. Vor allem aber ist er eine große Chance für Österreich.
(Foto-Credit: Regina Aigner / BKA)
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