Der freie Wohnungsmarkt scheint durch die Aushebelung der Wertsicherung Geschichte. Ein politisches Bravourstück der SPÖ. Und eine schlechte Nachricht für alle, die in Zukunft eine neue Wohnung suchen.
Wer das aktuelle Regierungsprogramm – wie wohl die meisten Österreicherinnen und Österreicher – auf dem Nachttisch liegen hat, wundert sich oft, wie viel die SPÖ von ihren Inhalten unterbekommen konnte. Wie hat sie das gemacht? War die ÖVP zu müde von den Jahren auf der Regierungsbank und den zähen Koalitionsverhandlungen? War die SPÖ einfach frischer? Man weiß es nicht. Jedenfalls hat sie im Wohnungsmarktkapitel ein politisches Manöver platziert, vor dem man nur den Hut ziehen kann. Vorbereitet hat dies ihre alte “Komplizin”, die Arbeiterkammer, schon 2023. Doch der Reihe nach. Bei langfristigen Verträgen – wie solchen im Wohnungsmarkt – braucht es eine Art der Wertsicherung. Kurz gesagt: Zahlungen und Leistungen müssen über die Jahre hinweg an die allgemeine Preisentwicklung angepasst werden. Im regulierten Wohnungsmarkt passiert das vielfach per Gesetz; die Richtwerte werden regelmäßig um die Inflation angehoben. In allen anderen Mietverträgen findet sich meistens ein Passus, der auf den Verbraucherpreisindex (VPI) der Statistik Austria verweist. So weit, so klar. Aber nicht für die Arbeiterkammer. Sie strengte vor zwei Jahren eine Verbandsklage gegen solche Klauseln an. Rückblickend war es ihr vermutlich egal, ob dabei viel herauskommen würde. Wichtig war nur, Zweifel an der gängigen Rechtspraxis zu säen. Sie legte kein Dynamit an das Gebäude der Wertsicherungslogik; sie klopfte nur an die Tür. Das reichte offenbar nicht, um die Vermieterpartei ÖVP aus der Ruhe zu bringen. Statt nach dem ersten Urteil des Obersten Gerichtshofs zügig Rechtssicherheit herzustellen, wartete sie ab. Nun haben die Verfassungsrichterinnen und -richter die rechtliche Grundlage für diese Urteile als verfassungskonform bestätigt. Gewerbliche Vermieterinnen und Vermieter – so bizarr das klingen mag – könnten nun die Mieterhöhungen der letzten 30 Jahre zurückerstatten müssen und ab sofort nur noch die Miete von damals verlangen dürfen. Das wäre für sie der sichere Ruin. Natürlich müssten die Haushalte die Summen noch individuell einklagen. Ob sie das tun und wie die Gerichte im konkreten Fall entscheiden, ist noch offen. Doch das Damoklesschwert baumelt jedenfalls über der Immobilienwirtschaft. Mit etwas Galgenhumor könnte sie nun ihrerseits Klagen einreichen und feststellen lassen, dass die Miete in solchen Fällen dann aber auch in Schilling bezahlt werden muss.
Klare Botschaft
Nun steht die ÖVP mit dem Rücken zur Wand. Die Botschaft im Regierungsprogramm an sie lautet: Liebe ÖVP, entweder ihr stimmt der Mietpreisbremse zu und akzeptiert, dass die Mieten künftig sogar im freien Markt nach unserer Pfeife tanzen, oder wir fordern von eurer Großgrundbesitzerklientel die Mieterhöhungen seit Adam und Eva zurück. Lenkt ein, und wir verkürzen die Verjährungsfrist auf fünf Jahre. Bussi, eure SPÖ. Damit ist das Ende der Wertsicherung im Wohnungsmarkt eingeläutet. Das ist nur konsequent. Schließlich arbeitet man daran seit Jahrzehnten. Seit 2009 wird nur noch alle zwei Jahre angepasst, 2016 fingen die “einmaligen” Aussetzungen an, im Zuge der Inflationskrise wurden solche Aussetzungen dann auch bewusst nicht mehr nachgeholt. In diesem Jahr kam die Mietpreisbremse hinzu, die erlaubt, dass die Mieten hinter der Inflation Zurückbleiben. Das ist die Abkehr vom Wertsicherungsprinzip. Alles davon hat die ÖVP stets mitgetragen oder sogar selbst initiiert. Im Zweifel war es ihr egal, weil ja immer nur der ohnehin schon regulierte Wohnungsmarkt betroffen war. Nicht selten murrten die Gemeinnützigen darüber, dass ihnen die Daumenschrauben immer enger angezogen wurden, während die Mieten im freien Markt stiegen und stiegen. Doch nun hat die SPÖ einen Weg gefunden, auch dieses leidige Restsegment unter ihre Fittiche zu bekommen. Die Presse vermeldet, dass ein entsprechender Gesetzentwurf zur Verkürzung der Verjährungsfrist bereits vorliege. Den Weg ins Parlament dürfte der wohl nur finden, wenn zugleich die Ausweitung der Mietpreisbremse auf sämtliche Mietwohnungen in Österreich beschlossen wird.
Wer Märkte nicht als Orte ansieht, an denen sich Käuferinnen und Käufer mit Verkäuferinnen und Verkäufern treffen, um einen fairen Handel zum gegenseitigen Vorteil abzuschließen, sondern als Klassenkampfarenen, in denen jedes Mittel erlaubt ist, der zögert natürlich nicht, an einer Grundfeste der Marktwirtschaft zu zündeln: der Rechtssicherheit. Dabei ist sie die einzige Funktion des Staates, die sogar eingefleischte Neoliberale für unerlässlich halten. In Österreich künftig eine Wohnung zu finden wird so jedenfalls schwerer werden. Wo Immobilienportale heute noch horrende Angebotsmieten anzeigen, wird es in Zukunft nur noch heißen: Sorry, leider hat deine Suche keine Treffer erzielt. Denn das freie Segment war mehr oder weniger das einzige, das in den letzten Jahren überhaupt noch gebaut hat. Neue Gemeindewohnungen entstehen fast keine mehr, durch den Richtwert geschützte Altbauten per Definition auch nicht. Die Gemeinnützigen hatten mit den obengenannten Daumenschrauben und den hohen Zinsen zu kämpfen. Nur die Privaten bauten noch kräftig. Sie taten es aber zu Marktbedingungen und im Vertrauen auf Rechtssicherheit. Davon ist nun nichts mehr übrig. Heute noch einen Euro in Österreich einzubetonieren scheint so sicher wie Pferdewetten.
Gastkommentar von Jan Kluge und Hanno Lorenz in „Der Standard” (18.7.2025)
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