Eine Agenda gegen die Abstiegsangst
- 27.04.2016
- Lesezeit ca. 3 min
Die Regierung muss bis 2018 endlich das Offensichtliche tun. Kommentar von Franz Schellhorn
Noch am Abend der Präsidentschaftswahl präsentierte das Sora-Institut eine Analyse, wonach sich Österreich für 52 Prozent der Befragten negativ entwickelt habe. Die Flüchtlingskrise ist ein Aspekt, die wirtschaftliche Lage ein anderer: Seit sechs Jahren versucht die Regierung, die Flaute mit höheren Staatsausgaben zu bekämpfen. Das Ergebnis sind Rekordschulden, Rekordarbeitslosigkeit und trotzdem Nullwachstum. Die Bevölkerung sieht zwar, dass der Wohlstand ein noch nie dagewesenes Niveau erreicht hat. Sie hat aber auch das Gefühl, dieses Niveau nicht halten zu können.
Wie aber wäre diesen Abstiegsängsten zu begegnen? Ganz einfach: Indem die Bundesregierung endlich damit beginnt, die für jedermann offensichtlichen Probleme zu lösen. Ja, das österreichische Pensionssystem ist gut. Aber die steigende Lebenserwartung muss sich in einem späteren Pensionsantritt niederschlagen, wenn das staatliche System finanzierbar bleiben soll. Das Frühpensionsantrittsalter (!) muss also automatisch ein paar Monate pro Jahr steigen, so wie das in vielen Ländern längst der Fall ist.
Begleitend dazu ist der Arbeitsmarkt für Ältere zu beleben. Weil es keinen Sinn hat, Menschen von der Pensions- in die Arbeitslosenstatistik zu verschieben. Flachere Lohnkurven (höhere Löhne in der Mitte des Erwerbslebens, niedrigere vor der Pension) sowie reduzierte Sozialabgaben für Ältere würden diese Aufgabe erleichtern. Und nein, länger arbeitende Ältere nehmen Jüngeren nicht die Jobs weg. Das ist wissenschaftlich längst widerlegt.
Zudem braucht es höhere Investitionen. Deshalb wäre es klug, wenn die Regierung damit aufhörte, privates Kapital aus dem Land zu jagen. Da 85 Prozent der Investitionen aus privaten Quellen kommen, ist die Regierung auf diese angewiesen, so sie die Jobkrise beseitigen will. Neue Stellen entstehen nur durch Investitionen. Doch die Betriebe halten sich zurück, weil sie sehen, dass sich ihre Investitionen immer schwerer zurückverdienen lassen. Die Investoren müssen zusehen, wie sich eine irrwitzige Bürokratie immer weiter in die Betriebe vorfrisst.
Sie sehen auch, dass die Republik trotz Rekordeinnahmen keinen ausgeglichenen Haushalt zustande bringt – weshalb Verbraucher und Unternehmer damit rechnen müssen, dass der Staat immer mehr Geld von ihnen einfordert. In so einem Umfeld wird niemand etwas wagen – ein saniertes Budget ist daher eine wichtige Voraussetzung. Durch die Niedrigzinspolitik spart sich die Republik bis 2019 an die acht Milliarden Euro an Zinsen, trotz steigender Schulden. Da sollte mit etwas politischem Willen ein ausgeglichener Haushalt zu schaffen sein.
Die Probleme wären mit leichten Korrekturen zu meistern. Die Regierung müsste nur endlich damit anfangen.
Gastkommentar von Franz Schellhorn, “Kleine Zeitung”, 26.04.2016
Foto-Credit: BKA / Regina Aigner
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