Die Schadenfreude in der Corona-Krise
- 05.06.2020
- Lesezeit ca. 3 min
Nur ein Dolm freut sich darüber, das Porzellan wieder mühsam zusammenzusetzen.
100 Tage sind vergangen, seitdem die ersten Corona-Fälle auch in Österreich für Schlagzeilen gesorgt haben. Seit Ende Februar ist viel passiert: Ein staatlicher Lockdown ab 16. März hat viele Freiheiten eingeschränkt, aber auch die Ausbreitung des Virus verhindert. Der gesundheitspolitisch gewünschte Stillstand hat die tiefste Rezession seit Jahrzehnten und den größten Jobverlust in der Geschichte der Zweiten Republik zur Folge gehabt.
In diesen 100 Tagen haben wir viel gelernt: Über Reproduktionszahlen, die es zu senken gilt, Skiorte als Virenschleudern, über Risikogruppen oder „Koste es, was es wolle“-Budgets. Die Corona-Krise macht viele Abwägungen nötig. Ein strenger Shutdown, geschlossene Grenzen oder Schulen und Kindergärten haben Folgen für Familien, kleine Firmen oder Lieferketten. Bei diesen Abwägungen geht es aber nicht darum, Gesundheit oder Wohlstand zu wählen, sondern beides im Blick zu haben. Länder, die die Pandemie besser überstanden haben, stehen auch wirtschaftlich grosso modo besser da.
Das Einfrieren des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens ging rasch vonstatten. Das Auftauen allerdings wird sich ziehen. Nicht nur weil Beschränkungen wie der Mund-Nasen-Schutz oder Abstandsregeln Branchen wie die Gastronomie und den Eventbereich noch länger beschäftigen. Die Konsum- und Investitionslaune wird angesichts der Gefahr temporärer oder regionaler Lockdowns ohne Impfstoff gedämpft bleiben und dort, wo Ausgangsbeschränkungen vor allem mit dem Instrument der Angst abgesichert wurden, wird sich das nun rächen.
38 Milliarden Euro an Hilfen waren in Österreich schnell versprochen. Aber sie sind kaum geflossen. Die Bürokratie Österreichs hat den Zaubertrick vollbracht, dass sich der Finanzminister zwar zu Recht über die Größe des Hilfspakets freuen darf, aber ebenso zu Recht von Unternehmen heftig kritisiert wird, wie langsam sie an Mittel kommen. Wer schnell hilft, hilft doppelt, lernt jeder Ersthelfer. Wer langsam hilft, hilft nur halb, ist die Lektion in Österreich. Das Ziel in der Pandemie war stets, das Gesundheitssystem vor dem Kollaps zu bewahren. Doch wie viele Intensivbetten gibt es überhaupt in Österreich, wieviele Masken und wieviel Personal? Viele dieser Fragen konnten lange nicht richtig beantwortet werden, weil im real existierenden Föderalismus Österreichs der Datenfluss oft weniger gut funktioniert als der Geldfluss.
Bei vielen Kommentatoren und politischen Aktivisten hat die Krise so etwas wie freudige Erregung erzeugt. Weil plötzlich die staatliche Rettung einer gefährdeten Fluglinie oder die Stützung von Millionen von Einkommen durch die Kurzarbeit im Raum steht, wähnen sie den vermuteten Neoliberalismus überwunden. Das hält zwar keiner Faktenprüfung stand – auch vor der Corona-Krise betrug die Staatsquote immerhin 48 Prozent. Aber diese Staatseuphorie ist vor allem eine gefährliche Schadenfreude. Nur ein Dolm freut sich darüber, das Porzellan wieder mühsam zusammenzusetzen, das gerade in seine Einzelteile zerbrach. Für eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik wäre es dringend nötig, dass man sich nicht mehr mit Rettung, Einfrieren und Subventionen beschäftigen muss.
Kolumne von Lukas Sustala in der „Wiener Zeitung“ (05.06.2020)
Mehr interessante Themen
Huch, die Zahl der Millionäre ist in Österreich weiter gestiegen!
Die Boston Consulting Group befeuert den Ruf nach Substanzsteuern. Nur so könne die Welt gerechter werden. Was für eine verlogene Debatte.
Was eine Arbeitszeitverkürzung kosten würde
Die Arbeiterkammer forderte jüngst eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich auf 36 Wochenstunden. Arbeitnehmer mit 40 Wochenstunden müssten um 11,1 Prozent produktiver werden, Arbeitnehmer mit 38,5 Wochenstunden müssten ihre Produktivität um rund 7 Prozent steigern. „Solche Produktivitätssteigerungen sind einfach unrealistisch“
So nascht der Staat beim Urlaub mit
Die hohe Steuerbelastung in Österreich betrifft nicht nur die Einkommen der Bürger, sondern wirkt sich auf alle Lebensbereiche wie beispielsweise auch auf den Tourismus aus. Wenn eine vierköpfige Familie für 3.528 Euro einen Urlaub bucht, zahlt sie dafür nicht nur 3.528 Euro. In Wahrheit bezahlt die Familie für den Urlaub 6.260 Euro. Denn die
Wie konnte es nur soweit kommen
Dem Wirtschaftsstandort geht es schlecht. Wieder einmal. Das Einzige, was noch wächst, sind die Schulden der öffentlichen Hand. Um es mit den Worten der Klimabewegung zu sagen: Ändert sich nichts, ändert sich alles.
Wenig Anreize für mehr Arbeit
Österreich ist eine Teilzeit-Republik. Das ist in Zeiten des Arbeitskräftemangels ein großes Problem. Und es wird vom Steuersystem indirekt gefördert, denn Mehrarbeit zahlt sich einfach nicht aus. Wer rechnen kann, stockt daher die Arbeitsstunden nicht auf. In kaum einem anderen Land bestraft das System Vollzeitarbeit so sehr, wie in Österreic
Frage an die SPÖ: Darf ein privates Unternehmen privatisiert werden?
Nachdem sich die Republik Österreich aus der maroden Vamed zurückgezogen hat, scheint die Gesundheitsversorgung in Gefahr. Eine rot-weiß-rote Groteske.