Die ÖVP galt jahrzehntelang als das politische Bollwerk gegen eine verantwortungslose Ausgabenpolitik. Heute treibt sie die „rote Schuldenpolitik“ zur Hochblüte.
Früher, als wir in aller Herrgottsfrüh an meterhohen Schneewänden entlang in die Schule rodelten, war die Welt noch einfach zu verstehen. Demokratische Wahlen waren keine große Sache, niemand musste die Programme der wahlwerbenden Parteien studieren, jeder wusste, wer wofür stand: Die SPÖ kümmerte sich um jene, die in ihrem Leben nicht vom Glück verfolgt waren, während sich die ÖVP für die stark machte, die Haus und Hof riskierten, um eine unternehmerische Idee umzusetzen. Die Sozialdemokraten standen für eine nach ihren Vorstellungen gerechte Verteilung des Kuchens, die ÖVP schaute darauf, dass dieser möglichst groß wurde und die Älteren nicht ständig von den Stücken der Jungen naschten. Die einen versuchten die Steuern für Besserverdiener in die Höhe zu treiben, die anderen die Steuerbelastung so niedrig wie möglich zu halten. Die SPÖ war bemüht, das eingetriebene Geld mit beiden Händen gleich wieder auszugeben, um den unstillbaren Mittelbedarf des Umverteilungsstaates zu stillen, während die ÖVP für einen soliden Budgetpfad kämpfte, damit die nachkommenden Generationen nicht von den Schuldenbergen ihrer Vorfahren erdrückt werden.
Wann genau diese klare Aufgabenteilung aufgelöst wurde, lässt sich nicht mehr sagen. Vielleicht gab es sie so auch nie, die Schneewände wirken in der Erinnerung ja auch höher als sie waren. Was nichts daran ändert, dass die ÖVP des Jahres 2024 mehr der SPÖ aus den 1980er-Jahren gleicht als der ÖVP unter der Kanzlerschaft von Wolfgang Schüssel. Das ist bedauerlich. Sich nur rhetorisch um einen ausgeglichenen Haushalt zu kümmern, ist zu wenig für eine Partei, die dreimal so groß wie ihr Koalitionspartner ist und sowohl den Kanzler als auch den Finanzminister stellt. Konnte im Vorjahr ein Defizitverfahren noch haarscharf abgewendet werden, lässt der österreichische Ausgabenrausch in Brüssel jetzt die Alarmglocken schrillen. Mit den großen externen Krisen der vergangenen Jahre hat das nichts mehr zu tun, die aktuelle budgetäre Schieflage ist hausgemacht. Statt die Staatsausgaben endlich um die weggefallenen Pandemiekosten zu kürzen, wird budgetär so getan, als wäre das halbe Land noch immer im Lockdown. Die Krisengelder wurden nicht gekürzt, sie werden nur anders verteilt.
Das Land wird mit geliehenem Geld geflutet, die Volkspartei gibt den gütigen Schleusenwärter. Aus der „Verantwortung für morgen“ (© Magnus Brunner) wurde das beherzte Geldausgeben für gestern. Statt das Pensionsantrittsalter an die Lebenserwartung zu knüpfen, wird den Rentnern Jahr für Jahr noch was draufgelegt. Statt dem öffentlichen Dienst Lohnzurückhaltung abzuverlangen, werden seine Einkommen mitten in den KV-Verhandlungen der Metaller um zehn Prozent erhöht, womit der geschützte Sektor die Lohnführerschaft übernommen hat. Statt das Versprechen „Leistung muss sich lohnen“ einzulösen, treibt die ÖVP die Menschen mit ihrer Steuerpolitik weiter in die Teilzeit. Die Partei scheint wieder fest in den Händen dauersubventionierter staatlicher Landschaftsgärtner und kündigungsgeschützter Beamter zu sein. Sie geben den Kurs vor. Und es gibt keine Partei, die der ÖVP mit einer stringenten Ordnungs- und Fiskalpolitik ernsthaft Konkurrenz machen würde.
Das ist durchaus bedauerlich, denn an der fehlenden Nachfrage liegt es nicht, eher an der fehlenden Überzeugung. So zeigen die Neos zwar immer wieder zarte Ansätze, die von der ÖVP hinterlassene Lücke zu füllen. Aber auch hier kann die Überzeugung mit der Rhetorik nicht ganz Schritt halten. Am frühen Morgen fordern die Liberalen völlig zurecht Einsparungen, aber am Nachmittag wissen sie schon, wie das eingesparte Geld wieder ausgegeben werden kann. Die Partei scheint sich noch nicht entschieden zu haben, ob sie das Land entschlossen modernisieren oder doch lieber von möglichst vielen geliebt werden will. Was Österreich fehlt, ist eine Partei, die dem Land wieder Mut macht und Freude am Tun entfacht. Die sich nicht den Kopf darüber zerbricht, wie das Volk zu beschenken wäre. Sondern darüber, wie dem unerschöpflichen Ausgabendrang des Staates endlich der Riegel vorzuschieben wäre, damit jene kräftig entlastet werden können, die sich etwas aufbauen wollen. Die am Wochenende Überstunden schieben, während die Kollegen ihre Work-Life-Balance auf Vordermann bringen. Die es sich von einem bevormundenden Staat nicht nehmen lassen, unternehmerische Initiative zu ergreifen. Um all diese Menschen kümmert sich in der politischen Arena derzeit niemand. Dabei sind sie es, die den Wohlstand sichern und dafür sorgen, dass es etwas zu verteilen gibt.
So war das übrigens auch schon früher, als der Schnee noch hoch stand und die Welt einfach zu verstehen war. Aber damals wussten diese Menschen zumindest noch, wer ihre Interessen am ehesten vertritt. Heute wissen das vermutlich nur noch jene, die auf der Payroll des Staates stehen.
Kolumne von Franz Schellhorn im “Profil” (27.07.2024)
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Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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