Das Erbe des Schulden-Bruno
- 11.03.2020
- Lesezeit ca. 4 min
Der heute noch verehrte Bundeskanzler hat die Schuldenberge zwar nicht allein angehäuft. Aber er hat seinen Nachfolgern gezeigt, wo die Schaufeln stehen.
Am 1. März 1970, also vor ziemlich genau 50 Jahren, nahm ein politisches Projekt seinen Anfang, das Österreich nachhaltig verändern sollte. Bruno Kreisky hatte die Nationalratswahlen überraschend gewonnen und mit einer Minderheitsregierung die Macht im Land übernommen. Eine Macht, die er sich vom ehemaligen SS-Obersturmführer Friedrich Peter (FPÖ) stützen ließ. Womit Kreisky nicht nur die Deutschnationalen salonfähig machte, sondern der SPÖ eine nahezu 30 Jahre währende Kanzlerschaft sicherte.
Kreisky selbst hat fünf Wahlen in Folge gewonnen, drei davon mit absoluter Mehrheit, was vor und nach ihm keinem Parteichef gelungen ist. Noch heute sorgen Gedanken an Bruno Kreisky bei vielen Bürgern für feuchte Augen. Er hat die Lebensrealitäten der Menschen gekannt und auch verstanden. Ohne ihn hätten viele Menschen in diesem Land niemals studieren können, wie immer wieder zu hören ist. Ohne ihn gäbe es keinen freien Hochschulzugang, keine Gratisschulbücher, keine Schülerfreifahrt, keine Fristenlösung und keinen ausgebauten Sozialstaat. Ob man das nun gut oder schlecht findet: Bruno Kreisky hat gestaltet, das Land gesellschaftspolitisch geöffnet und sozialpolitisch modernisiert.
Das ändert nur nichts daran, dass seine wirtschaftspolitische Bilanz eine desaströse ist. Und das, obwohl eine der wichtigsten Weichenstellungen in der Geschichte der Zweiten Republik in seine Ära fällt. Die Rede ist von der Anbindung des weichen Schilling an die harte D-Mark. Das hatte enorme Folgen: Die Schwächen der Wirtschaft konnten nicht mehr durch eine Abwertung des Schilling überdeckt werden, österreichische Qualität musste quasi über Nacht zu deutschen Preisen auf den Weltmärkten abgesetzt werden. Und das in einer Zeit, in der die Weltwirtschaft unter dem Schock explodierender Ölpreise stand.
Die fehlende Möglichkeit abzuwerten löste eine ungeheure Steigerung der Produktivität in der heimischen Industrie aus, von der das Land noch Jahrzehnte später profitieren sollte. Die Sache hat nur einen kleinen Haken: Kreisky zählte gemeinsam mit der Industriellenvereinigung zu den erbittertsten Gegnern dieser von „seinem“ Finanzminister Hannes Androsch entworfenen Hartwährungspolitik. Zum Glück setzte sich Androsch durch, was er ohne die Schützenhilfe des damals mächtigen ÖGB nicht geschafft hätte. Auch das wäre heute übrigens unvorstellbar. Überhaupt kann heute ziemlich zweifelsfrei festgehalten werden, dass Androsch dem Land sehr viel wirtschaftliches Unheil ersparte.
Aber es kam auch so schlimm genug. Der heute noch als Säulenheiliger der Sozialdemokratie verehrte Kreisky hat von sich selbst ja immer stolz behauptet, von Wirtschaft nichts zu verstehen. Damit hatte er zwar völlig recht, was ihn aber nicht davon abhielt, immer wieder in die Wirtschafts- und Fiskalpolitik einzugreifen. Legendär ist sein Satz, wonach ihm ein paar Milliarden (Schilling) an Staatsschulden weniger schlaflose Nächte bereiten würden als ein paar Hunderttausend Arbeitslose mehr. Kreisky dürfte sorgenfrei geschlafen haben, während die Bürger Jahre später mit seiner wenig erbaulichen Verlassenschaft aufgewacht sind. Am Ende hatten sie nämlich beides: hohe Staatsschulden und eine hohe Arbeitslosigkeit.
In nur 13 Jahren Amtszeit hat Kreisky die Staatsschulden nahezu verzehnfacht. Und dennoch lag die Staatsschuldenquote „nur“ bei 44 Prozent der Wirtschaftsleistung. Ein Wert, den die heutige Regierung mit Handkuss nähme. In der damaligen Hochzinsphase war das aber ein hoher Wert, allein ein Drittel der Nettosteuereinnahmen musste für den Zinsendienst aufgewendet werden. Knapp dreimal so viel wie heute trotz deutlich höherer Schulden. Zu Kreiskys Verteidigung ist einzuwenden, dass die ganz großen Schulden nicht von ihm, sondern von seinen Nachfolgern angehäuft wurden. Er hat die gigantischen Schuldenberge also nicht allein aufgetürmt – aber er hat seinen Nachfolgern gezeigt, wo die Schaufeln stehen.
Stellvertretend für Kreiskys wirtschaftspolitischen Irrweg stand das Konzept der Verstaatlichten Industrie. Sie war das zentrale Element der sozialdemokratischen Arbeitsmarktpolitik. Wer keinen Job hatte, wurde in einem der verstaatlichten Betriebe untergebracht. In der Voest, der AMAG, bei Böhler, der damaligen ÖMV, bei Schoeller-Bleckmann oder in einer der Verstaatlichten Banken. Das ging über viele Jahre gut, selbst in Zeiten der Ölkrise blieb die Arbeitslosigkeit niedrig. Doch die Betriebe überlebten die parteipolitisch motivierten Postenbesetzungen, insbesondere jene in den Direktionsetagen, nicht.
Mit dem Zusammenbruch der verstaatlichten Industrie verloren 50.000 Menschen ihren Job und die Steuerzahler über 100 Milliarden (Schilling). Kreiskys Doktrin „Vollbeschäftigung auf Pump“ endete im Fiasko. Gerade dieses kolossale Scheitern ist es, das heute für nasse Augen sorgen sollte. Das Gegenteil ist leider der Fall.
Kolumne von Franz Schellhorn im „profil“ (07.03.2020)
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