Die Diskussion über den angeblich so seltenen Bildungsaufstieg in Österreich wiederholt sich so regelmäßig wie die Ereignisse in einem bekannten US-Film. Ein genauerer Blick würde zu anderen Ergebnissen und anderen Schlüssen führen.
Und täglich grüßt das Murmeltier. Die US-Filmkomödie aus den 90er-Jahren gilt als beste Darstellung einer Zeitschleife, in der sich alle Ereignisse in immer gleicher Abfolge wiederholen. Einen recht ähnlichen Eindruck erhielt man letzte Woche, nachdem die OECD ihre jährliche Studie „Bildung auf einen Blick“ veröffentlichte. Denn in der öffentlichen Debatte darüber war einmal mehr zu hören, dass es Kindern in Österreich so selten wie kaum woanders gelinge, eine höhere Bildungsstufe als ihre Eltern zu erreichen. “Die Bildungsmobilität in Österreich ist in der Tat sehr gering”, zitierte eine renommierte Tageszeitung den zuständigen OECD-Mitarbeiter.
In Wahrheit handelt es sich um ein Paradebeispiel dafür, wie die oberflächliche Analyse einer irreführenden Statistik zu trügerischen Ergebnissen führt. Das ist nicht nebensächlich, denn die Frage, wie möglichst viele junge Menschen eine möglichst gute Bildung erhalten können, ist für den Wohlstand Österreichs entscheidend.
Worum geht es genau? In Österreich, so wurde anhand von OECD-Daten vermeldet, schaffen nur etwa 18 Prozent der 25- bis 44-Jährigen mit Eltern, die über einen mittleren Bildungsabschluss (mehr als Pflichtschule, weniger als Uni) verfügen, einen Hochschulabschluss. Im Schnitt der OECD-Länder sind das hingegen knapp 40 Prozent.
Dahinter stecken aber verfälschende Faktoren: Die von der OECD gewählte Einteilung des Bildungssystems in lediglich drei Stufen (Stufe 1: maximal Pflichtschulabschluss; Stufe 2: Lehre, Berufsbildende Mittlere Schulen und Schulen mit Maturaabschluss, Stufe 3: Universitätsabschluss) wird der Vielfalt der österreichischen Bildungsabschlüsse nicht gerecht. Hat die Mutter einen Handelsschulabschluss, der Sohn aber einen Abschluss als HTL-Ingenieur, wird das laut OECD nicht als Bildungsaufstieg gewertet. Die Agenda Austria hat in einer eigenen Studie (“Österreich, Land der Bildungsaufsteiger”) bereits besonders auf diesen Aspekt hingewiesen.
In Österreich findet ein Bildungsaufstieg daher oft innerhalb der mittleren Stufe (Stufe 2) statt. Die alarmierenden Zahlen der OECD sind aber Ergebnis einer Betrachtung ausschließlich der Mobilität zwischen Stufe 2 und Stufe 3, können also gar nicht anders als deutlich schlechter ausfallen. Aus gutem Grund merkt die OECD in ihrem Bericht daher unmissverständlich an, dass der weniger häufige Bildungsanstieg in Österreich darauf zurückzuführen ist, dass sogenannte “postsekundäre” Ausbildungen wie die Matura an einer berufsbildenden höheren Schule (HAK, HTL…) eine wichtige Rolle spielen – welche aber eben nicht zur (tertiären) Bildungsstufe gehören. Und damit ist auch kein Bildungsaufstieg sichtbar. In der österreichischen Öffentlichkeit ist dieser Vorbehalt bisher allerdings nicht angekommen.
Um eine angemessenere Vorstellung von der Bildungsmobilität zu bekommen, sollte analysiert werden, wie viele Kinder von Eltern mit einem Abschluss am unteren Rand der mittleren Stufe (Lehre, Handelsschule…) eine höhere Bildungsstufe erreicht haben:
37 Prozent stehen also auf der Bildungsleiter weiter oben als ihre Eltern – eine weit erfreulichere Situation, als sie die Betrachtung der OECD nahelegt. Übrigens sieht nicht nur die Agenda Austria die Auslegung der OECD als problematisch an. Auch die Statistik Austria hat im Frühjahr eine differenziertere Analyse der Bildungsmobilität vorgenommen, mit einem deutlich besseren Ergebnis. An die Öffentlichkeit wurde das aber nicht vermittelt.
Die Probleme Österreichs liegen nicht in einer insgesamt zu geringen Bildungsmobilität. Sie liegen in einer vergleichsweise geringen Aufstiegsmobilität von Kindern aus sehr bildungsfernen Schichten. Bei Familien, in denen beide Eltern über nicht mehr als einen Pflichtschulabschluss verfügen. Um dieses Problem muss sich die Bildungspolitik bemühen und die Lösung ist seit langem bekannt: Verbesserung der frühkindlichen Bildung durch aktive Beratung und Betreuung, möglichst früher Kindergarteneinstieg und nachhaltige schulische Unterstützung, um die Defizite der familiären Ausgangssituation auszugleichen. Zur Erinnerung: Für Ende Oktober hat die Regierung ja Bildungsreformen angekündigt.
Dieses muss aber nicht durch neue Steuereinnahmen aufgetrieben werden, sondern könnte durch eine Umstrukturierung der Bildungsausgaben frei werden. Hierzulande wird für die frühen Phasen der Bildungskarriere – im Verhältnis zu fortgeschrittenen Ausbildungsstufen – wenig Geld ausgegeben. Länder wie Dänemark, Schweden oder Estland investier
Die ersten Jahre sind entscheidend für die sprachliche und soziale Entwicklung eines Menschen. Kinder sind in frühen Jahren besonders lernfähig. Was in dieser Zeit verpasst wird, erhöht später die Kosten für das Bildungssystem, aber auch für die Gesellschaft insgesamt.
Mehr Zeit in der Schule und damit in einem geregelten Umfeld fördert die sprachliche und soziale Integration. Es sollten daher viel mehr Schulen in einen Ganztagsmodus wechseln. Derzeit gibt es beim Angebot noch große regionale Unterschiede.
Mangelhafte Sprachkenntnisse führen zu einer Einstufung als außerordentlicher Schüler und zur verpflichtenden Teilnahme an einem Deutschförderkurs oder – sind die Kenntnisse unzureichend – einer gesonderten Deutschförderklasse. Doch im Schulstartalter hat das Unheil schon längst seinen Lauf genommen.
Sieben von zehn Wiener Pflichtschülern sprechen im Alltag nicht vorwiegend Deutsch. Das muss nicht zwangsläufig ein Problem darstellen, Mehrsprachigkeit kann ja sogar ein Vorteil sein. Allerdings nur, wenn die Kinder Deutsch zumindest gut genug beherrschen, um dem Schulunterricht zu folgen. Letzteres ist leider sehr oft nicht der Fall.
Je nach Schultyp dauert der Einstieg in die Erwerbstätigkeit unterschiedlich lang, wie eine Auswertung der Agenda Austria zeigt. Absolventinnen einer Lehre beginnen im Schnitt nach sieben Tagen einen Job. „Das zeigt, dass die Lehre besser ist als ihr Ruf und Personen mit Lehrabschluss auf dem Arbeitsmarkt gefragter sind denn je“, sagt Agenda A
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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