Doskonomics
- 10.02.2020
- Lesezeit ca. 4 min
Burgenland führt im Landesdienst einen Mindestlohn von 1700 Euro netto im Monat ein. Das wirft einige Fragen auf. Vor allem für den Gewerkschaftsbund.
Ein kleines Bundesland im östlichsten Teil Österreichs zeigt gerade der Welt, wie moderne Lohnpolitik im Zeitalter der Globalisierung funktioniert: Im Burgenland werden Landesbedienstete künftig mindestens 1700 Euro netto verdienen. Das ist nicht das Ergebnis harter Lohnverhandlungen, sondern die Order des frisch gewählten Landeshauptmanns. Befehl von oben sozusagen. In den beiden landeseigenen Thermen wird das neue „Lohnmodell“ zuerst eingeführt, in weiterer Folge auf den gesamten Landesdienst ausgeweitet.
Das Burgenland liegt voll im Trend. Neuerdings befinden nämlich wieder Politiker darüber, welche Preise zu hoch, welche zu niedrig sind. Welche Miete angemessen ist, wie viel Butter kosten darf und eben wie hoch die Löhne zu sein haben. Aus Sicht von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil ist das nur fair. „Wenn zehn Euro Mindestlohn netto pro Stunde nicht zahlbar sind, dann stimmt etwas nicht“, wie der burgenländische SPÖ-Chef im ORF-„Report“ meinte.
Da hat der Herr Landeshauptmann schon recht. Da stimmt etwas nicht. Was nicht stimmt, ist die geradezu hemmungslose Abschöpfung der Arbeitseinkommen durch dieselbe öffentliche Hand, die sich nun als mitfühlender Retter entrechteter Beschäftigter versteht. 1700 Euro netto sind nämlich rund 2400 Euro brutto im Monat. Inklusive Arbeitgeberbeiträge werden aus 1700 Euro netto 3132 Euro an Arbeitskosten, die 14 Mal im Jahr anfallen. 1700 für den Beschäftigten, 1432 für die staatlichen Kassen. 46 Prozent Steuern und Abgaben bereits in den untersten Einkommensregionen – Chapeau!
Nun ist völlig unbestritten, dass alle Menschen von ihrer Arbeit gut leben können sollen, weshalb jedem Arbeitnehmer ein ordentliches Nettoeinkommen zu gönnen ist. Die 3132 Euro werden aber weder aus der Privatschatulle des gütigen Landesvaters noch vom Land Burgenland bezahlt werden. Sondern von den Steuerzahlern und den Kunden der Landesthermen. Aber macht ja nichts: Wenn der Thermenbesuch zu teuer wird und die Besucher ausbleiben, schießt das Land einfach weiteres Steuerzahlergeld zu.
Recht spannend dürften jedenfalls die nächsten Lohnverhandlungen werden. Vor allem für die Gewerkschaften. Sie werden ihren „einfachen“ Mitgliedern erklären müssen, warum eine Bürokraft im Landesdienst oder eine Küchenhilfe in einer der landeseigenen Thermen 1700 Euro netto bekommt, während die von der Gewerkschaft ausgehandelten Kollektivverträge für dieselben Jobs in der „Privatwirtschaft“ von diesen Lohnhöhen weit entfernt sind. Zudem wird sich das eine oder andere Mitglied auch fragen, warum es überhaupt noch Gewerkschaften braucht, wenn neuerdings Politiker die Löhne festlegen und damit die wichtigste Aufgabe der Gewerkschafter übernehmen.
Interessant wird auch zu beobachten sein, welche Strahlkraft die burgenländischen Mindestlöhne auf die Landesbediensteten in Vorarlberg, Salzburg oder Wien haben werden. Dort sind die Lebenshaltungskosten ja deutlich höher als im Burgenland. Bereits klar ist, was auf die burgenländischen Unternehmer zukommt: Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als mit dem „Arbeitgeber Land“ mitzuziehen, um für Beschäftigte attraktiv zu bleiben. Das ist auch das erklärte Ziel der Aktion von Hans Peter Doskozil: Niemand im Burgenland soll weniger als 1700 Euro netto im Monat verdienen. In weiterer Folge wird in den Betrieben die Produktivität erhöht werden müssen. Gelingt das nicht, wird der Rationalisierungsdruck verschärft. In der harten Welt der Wirklichkeit fallen nämlich Jobs weg, wenn die Arbeitskosten schneller steigen als die Produktivität.
Griechenland hat im großen Stil durchexerziert, welche Folgen eine gut gemeinte staatliche Lohnpolitik für die gesamte Wirtschaft hat. Mit der Einführung des Euro war jede Menge billiges Geld vorhanden, das vor allem in den Staatskonsum geflossen ist. Die Löhne im Staatsdienst wurden kräftig angehoben, der Privatsektor musste mitziehen, um die besten Mitarbeiter nicht an den Staat zu verlieren.
Das alles war ganz nach dem Geschmack der Freunde der Staatswirtschaft, schließlich würden höhere Löhne ja die Nachfrage ankurbeln. Genau das passierte auch – allerdings nicht nach griechischen Produkten, sondern nach ausländischen. Ausgelöst von den Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst stiegen die griechischen Arbeitskosten deutlich schneller als die Produktivität. Die Arbeitgeber verteuerten ihre Produkte, um die höheren Löhne zahlen zu können, und flogen deshalb reihenweise aus dem Markt. Der frühere Wirtschaftsminister Michalis Chrysochoidis, ein Sozialist, erklärte das so: „Das Ergebnis war, dass alle, die etwas produzierten, ihre Betriebe schlossen und Importfirmen gründeten, weil sich damit mehr verdienen ließ. Das ist das eigentliche Desaster dieses Landes.“
Deshalb wird Sozialpolitik auch nicht über die Löhne betrieben. Vielleicht zeigt das Burgenland ja gerade vor, wie Lohnpolitik in einer globalisierten Welt genau nicht funktioniert.
Kolumne von Franz Schellhorn im „profil“ (08.02.2020).
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