Sind Sie ein übler Populist?
- 13.08.2019
- Lesezeit ca. 4 min
Die Sprachprobleme von Kindern in öffentlichen Schulen zu thematisieren, gilt neuerdings als rassistisch. Sie zu ignorieren hingegen als politisch korrekt.
„Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Kind, das kaum Deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen.“ Eine Aussage, die der CDU-Politiker Carsten Linnemann heute vermutlich nicht mehr machen würde. Das politisch korrekte Milieu war nach der Lektüre seines Interviews in der „Rheinischen Post“ geradezu außer sich. Linnemann würde nicht nur die Kinder von Zuwanderern auf die schäbigste Art und Weise ausgrenzen, sondern gezielt im „rechten Sumpf“ auf Stimmenfang gehen, wofür sich politische Mitbewerber „fremdschämen“ würden, selbst Parteikollegen bezeichneten seine Ansichten als „populistischen Unfug“.
In Österreich hatten wir im vergangenen Jahr eine ähnlich aufgeheizte Debatte, als die Wiener Lehrerin Susanne Wiesinger ihr Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer“ auf den Markt brachte. Sie beschrieb dort eindrücklich, dass es im gesamten 10. Wiener Gemeindebezirk de facto nur Brennpunktschulen gebe. Der Großteil der Schüler spreche kaum Deutsch, der offizielle Lehrplan sei nicht mehr einzuhalten, das Leistungsniveau zum Teil auf jenes der Sonderschulen gesunken. Auch hier dieselbe Reaktion wie in Deutschland: Die sich selbst dem linken Rand der SPÖ zurechnende Wiesinger dramatisiere die Lage, grenze aus und arbeite mit ihrer „Panikmache“ „den Rechten“ zu.
Aber was sagen die Daten? Wie dem Integrationsbericht zu entnehmen ist, haben knapp zwei Millionen Menschen in Österreich Migrationshintergrund. Deren Anteil an der Gesamtbevölkerung ist innerhalb von zehn Jahren von 17,4 auf 23,3 Prozent gestiegen, das ist ein Plus von 34 Prozent. Knapp 30 Prozent der Volksschüler haben wiederum eine andere Umgangssprache als Deutsch. Auch deren Anteil ist in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 43 Prozent angewachsen. Geradezu dramatisch ist die Lage in den Wiener Volksschulen, dort sprechen sechs von zehn Kindern zu Hause oder am Schulhof eine andere Sprache als Deutsch. Das bedeutet nicht, dass sie niemals ordentlich Deutsch lernen, es zeigt nur das Ausmaß des Handlungsbedarfs.
Wer es wagt, darüber zu sprechen, muss allerdings damit rechnen, als übler Ausgrenzer, Populist, Hetzer, Rassist oder „Rechter” beschimpft zu werden. Politisch korrekt ist hingegen, das Problem herunterzuspielen und die eigenen Kinder fernab der bunten Flächenbezirke in einer properen Privatschule unterrichten zu lassen: „Wegen der tollen Nachmittagsbetreuung!“
Alternativ dazu täuscht man einen falschen Wohnsitz in der Stadt vor, um den Nachwuchs in einer guten öffentlichen Schule unterzubringen. Letzteres ist in Wien mittlerweile zu einer Art Volkssport geworden.
Wer diese Möglichkeiten und die dafür nötigen Kontakte nicht hat, muss sich mit einer der vielen Brennpunktschulen begnügen und dabei zusehen, wie die eigenen Kinder die staatlichen Pflichtschulen verlassen, ohne auch nur die geringste Chance am Arbeitsmarkt zu haben. Fast jeder fünfte 15-jährige Pflichtschüler kann hierzulande nicht sinnerfassend lesen, ungefähr gleich viele beherrschen die Grundrechnungsarten nicht. Viele Schulen in den größeren Städten wären mit diesen Durchschnittswerten noch hochzufrieden. Besonders stark betroffen sind Familien mit niedrigem Bildungsstand und fehlenden Sprachkenntnissen, also allen voran in jenen Gegenden, in denen viele Zuwanderer leben.
Andere Länder zeigen, welche Wege die Lage der im Stich gelassenen Kinder verbessern könnten. Die Arbeiterkammer hat aus diesen Erkenntnissen einen überaus brauchbaren Sozialindex abgeleitet. Demzufolge sollten städtische Schulen mit vielen fremdsprachigen Kindern mehr Geld aus den öffentlichen Töpfen bekommen als jene mit einem hohen Anteil an Deutsch sprechenden Kindern. Bei der Vergabe der Mittel wird auch der Bildungshintergrund der Eltern berücksichtigt, gegengesteuert werden soll laut AK-Modell über mehr Lehrpersonal.
Ein durchaus vernünftiger Ansatz, allerdings sollte es nicht nur mehr Geld, mehr Lehrer und mehr Sozialarbeiter geben, sondern auch mehr Evaluierung der eingesetzten Mittel. Entscheidend ist einzig und allein, dass die betroffenen Kinder deutliche Fortschritte machen – und das sollte auch gemessen werden. Bleiben die Erfolge aus, sind personelle Konsequenzen zu ziehen. Zudem sollten die Eltern erfahren dürfen, wie gut oder schlecht die Schulen sind, in die sie ihre Kinder schicken. Weshalb die Ergebnisse der einzelnen Schulen bei den Bildungstests veröffentlicht werden sollten. Damit erhöhte sich der Druck auf die Direktoren und in weiterer Folge auf die Behörden und Politiker, das Problem nicht länger zu ignorieren, sondern endlich zu lösen.
Denn, um es auf den Punkt zu bringen: Im Wohlfahrtsstaat Österreich darf es nicht sein, dass vielen Kindern die Aussicht auf ein selbstbestimmtes Leben verwehrt bleibt, nur weil sie im falschen Bezirk zur Welt kommen. Das ist ein sozialpolitischer Skandal, den zu ignorieren der noch größere ist.
Kommentar von Franz Schellhorn im neuen Profil (10.08.2019).
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