Die Wirtschaftskammer und Herrn Mahrers Gespür für den Schmäh

Der Gehaltscoup der WKO zeigt, wie schädlich die Zwangsmitgliedschaft ist: Sie verführt zur Hybris und verstellt den Blick auf die Wirklichkeit.

Wenn die Wirtschaftskammer die Löhne ihrer Beschäftigten um 4,2 Prozent erhöht und sich diese Gönnung von schwer strauchelnden Zwangsmitgliedern bezahlen lässt, dann zählt das zu jenen Dingen, die man nicht erklären kann. Nicht den zwangsverpflichteten Unternehmern, die seit Jahren in einer verheerenden Krise stecken und nicht mehr wissen, wie sie die Erhöhung der eigenen Arbeitskosten bezahlen sollen. Auch nicht den Beschäftigten der Metallindustrie, die Reallohnverluste hinnehmen, weil sie den Niedergang der eigenen Branche mit eigenen Augen mitverfolgen und sich jetzt von den bestens geschützten Angestellten der Unternehmervertretung auf offener Bühne verhöhnt fühlen. 

Nach einer kleinen Welle der Empörung hat die Wirtschaftskammer reagiert und den Gehaltsabschluss um ein halbes Jahr nach hinten verlegt. Der Schaden ist nicht behoben, er ist nur verschoben. Das Signal an die Außenwelt bleibt dasselbe: „Eure Krise kümmert uns nicht. Wir in der Wirtschaftskammer kennen nämlich keine Krise!“ Das Geld sprudelt ohne Druckverlust in die Kassen der Zwangskammer, komme, was wolle. Wirtschaften die Unternehmen gut, steigen die Kammerbeiträge. Stellen sie mehr Menschen ein oder zahlen im Zuge der Inflationsschübe höhere Löhne, klingeln die Kassen in der Wirtschaftskammer. Heuer nimmt die Interessenvertretung den Unternehmen rund 1,3 Milliarden Euro ab, die Rücklagen belaufen sich auf 2,2 Milliarden Euro. 

„Eure Krise kümmert uns nicht. Wir in der Wirtschaftskammer kennen nämlich keine Krise!“

Hier hat sich ein System etabliert, das letzten Endes vor allem einen Gewinner kennt: die Wirtschaftskammer und deren Beschäftigte. Und das sind mittlerweile 5800 (in Worten: fünftausendachthundert). Die Zwangsmitgliedschaft macht’s möglich. Wer letztere in Frage stellt, gilt als Feind einer starken Vertretung von Unternehmensinteressen. Das Gegenteil ist wahr: Jeder Bürger sollte an einer starken Unternehmerschaft interessiert sein. Sie ist es, die mit tüchtigen Beschäftigen dafür sorgt, dass es noch etwas zu verteilen gibt. Aber niemand kann ernsthaft der Meinung sein, den Selbstständigen im Jahr 2025 noch die Wahl ihrer Standesvertretung vorschreiben zu müssen. 

Das weiß auch WKO-Präsident Harald Mahrer, ein aufrechter Wirtschaftsliberaler, der aber offensichtlich seinen ordnungspolitischen Kompass verlegt hat. Mahrer interpretiert den Kammerzwang nämlich als Beitrag zur unternehmerischen Freiheit. Das ist kein Witz. Die Pflichtmitgliedschaft sei aus liberaler Sicht ein Gebot der Stunde, um die Unternehmen in ihrer Selbstverwaltung vor staatlichem Zwang zu schützen, wie der Kammer-Präsident bei seinem Amtsantritt im Jahr 2017 erklärte. Bestimmt hier gar der Standort den Standpunkt? Zumal es aus liberaler Sicht keinen Grund gibt, die Selbstverwaltung der Kammern über die Selbstbestimmung der Bürger zu stellen. Es ist auch nicht der mögliche Zugriff des Staates auf die Kammern, der besorgniserregend ist. Es ist der Zugriff der Wirtschafts- und Arbeiterkammer auf den Staat. Etwa, wenn die beiden finanzstarken Interessenvertretungen politische Veränderungen über die ihnen zuordenbaren Parteien durchsetzen oder blockieren. 

Wie man es auch dreht und wendet: Die Zwangsmitgliedschaft dient vor allem einem Zweck: Die Kammern und ihre Beschäftigten vor dem Wettbewerb in Schutz zu bringen. Das tut keiner Institution gut, auch den Interessenvertretungen nicht. Wettbewerb belebt nicht nur die Sinne, er bringt auch die eigene Leistungsbereitschaft in Schwung. Bevor wir aber die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft bei den österreichischen Kammern erleben, wird eine dreifach geschiedene Mutter zur Päpstin gewählt. Wenn wir also die Zwangsmitgliedschaft schon nicht loswerden, dann braucht es zumindest volle Transparenz. Verpflichtende Veröffentlichung aller Rechnungshofberichte, hundertprozentige Offenlegung aller Kostenstellen. Online, jederzeit abrufbar, für jedes Zwangsmitglied einsehbar. 

Davon kann derzeit nämlich keine Rede sein. Der Tätigkeitsbericht der Wirtschaftskammer ist eine Hochglanzbroschüre voller Eigenlob und schöner Bilder. Man erfährt mehr über die wirtschaftliche Gebarung einer Bäckerei als über die milliardenschwere WKO. Auch die Debatte über die geplante Lohnerhöhung schulden wir dem puren Zufall. Der hört übrigens auf den Namen Gerhard Hofer, stellvertretender Chefredakteur der „Presse“, der sich zufällig mit einem Unternehmer unterhalten hat. Hätte dieses Gespräch nicht stattgefunden, wäre der kräftige Lohnschub geräuschlos über die Bühne gegangen. Es gibt eben Dinge, die kann man niemandem erklären. 

 (Erstmals erschienen in „Die Presse“ am 8.11.25)

 

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