Hierzulande wird gerne über stagnierende Arbeitseinkommen geklagt. Das ist auch nicht ganz falsch, wenn man die „passende“ Statistik zur Hand hat. – Kommentar von Franz Schellhorn
Es gibt Meinungen, die sind aus der öffentlichen Debatte nicht mehr wegzudenken. Zum Beispiel jene, dass die Staaten der Eurozone sukzessive kaputtgespart werden. Oder jene, dass die Welt eine immer schlechtere wird. Eine Welt, in der die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, während die Reallöhne der hart arbeitenden Mittelklasse stagnieren, so sie nicht überhaupt sinken. Letzteres gilt auch für Österreich. Auch hier wachsen die Löhne seit Jahren nur noch um die Inflation, kommen kaufkraftbereinigt also nicht vom Fleck.
Dem mag zwar der subjektive Eindruck entgegenstehen, dass der Lebensstandard der breiten Masse zu keiner Zeit der Geschichte so hoch war wie heute. Dass sich eine wachsende Zahl von Menschen immer mehr leisten kann, vom Zweitauto über den Mehrfachurlaub bis hin zur Vorsorgewohnung für den Nachwuchs.
Aber die Statistik sagt etwas anderes. So berichtete der „Standard“ in der Vorwoche, dass Österreich bei der Einkommensentwicklung weit abgeschlagen zurückliegt. Bereinigt um die Inflation stagnierten die Bruttolöhne in Österreich seit dem Jahr 2010. Schlechter liegen nur noch Finnland und die südlichen Krisenländer der Eurozone. Das ist ein niederschmetternder Befund, zumal sich die heimische Wirtschaft in den vergangenen Jahren zwar nicht überschäumend entwickelte, aber doch recht passabel hielt. Für die Gewerkschaften ist das jedenfalls reichlich Munition für die laufenden Lohnverhandlungen. Oder wie der „Standard“ schreibt: „Ein Vergleich der Einkommen in der EU gibt Gewerkschaftern und Arbeitnehmervertretern recht. Denn in der EU schaut Österreich schlecht aus.“
Wenn dem tatsächlich so wäre, stünden wir vor einem mathematischen Phänomen. Denn wie ist es rein rechnerisch möglich, dass die Bruttolöhne seit acht Jahren real nicht mehr steigen, wenn die von den Gewerkschaften ausverhandelten Lohnabschlüsse derselben acht Jahre fast ausnahmslos und teilweise deutlich über der Inflationsrate lagen? Es wurde ja nicht nur die Teuerung abgegolten, sondern auch die gesteigerte Produktivität. Seit 2010 sind die KV-Löhne der wichtigsten (und für alle anderen richtungsweisenden) Metallerbranchen um gut 40 Prozent schneller gestiegen als die allgemeine Teuerung.
Wie kann es also sein, dass die um die Inflation bereinigten Bruttolöhne in Österreich seit acht Jahren stagnieren? Weil die Entwicklung der Bruttolöhne nicht um die Teilzeitbeschäftigten bereinigt wird. Und in Österreich ist der Trend in Richtung Teilzeit so hoch wie in kaum einem anderen Land. Wer Teilzeit arbeitet, verdient naturgemäß weniger als eine Vollzeitkraft. Mehr Menschen arbeiten, aber sie arbeiten durchschnittlich weniger Stunden, wodurch auch das Median-Einkommen nach unten gezogen wird.
Das zeigt auch eine weitere Statistik: Die Zahl der pro Kopf geleisteten Arbeitsstunden ist in Österreich seit der Jahrtausendwende um 10,3 Prozent gesunken. Das ist der mit Abstand stärkste Rückgang aller EU-Länder. Aber auch das heißt nicht, dass jeder Beschäftigte im Schnitt um ein Zehntel weniger gearbeitet hätte, wir haben es hier ebenfalls mit einem Durchschnittswert zu tun, der durch den starken Trend in Richtung nach unten gedrückt wird. Wesentlich aussagekräftiger ist deshalb auch ein Vergleich der Stundenlöhne, die in den vergangenen Jahren deutlich schneller gewachsen sind als die Inflation.
Was nichts am zentralen Problem ändert: Bei den Arbeitnehmern landet zu wenig Geld von den steigenden Arbeitskosten. Nehmen wir einmal an, die Gewerkschaft würde sich mit ihrer Forderung nach 5,0 Prozent mehr brutto durchsetzen. In diesem Fall würden einem Durchschnittsverdiener 3,9 Prozent mehr netto übrigbleiben, nach Abzug der Inflation wären es nur noch knapp 1,8 Prozent. Der Staat bekäme vom erhöhten Einkommen aber gleich um 6,4 Prozent mehr.
Ausschlaggebend dafür ist das progressive Steuersystem im Zusammenspiel mit der kalten Progression, die dafür sorgt, dass Bürger auch dann höhere Steuern und Abgaben zahlen, wenn sie real gar nicht mehr verdienen.
Es sind eben leider nicht die Arbeitnehmer, die von den jährlichen Lohnerhöhungen am meisten profitieren, es sind die staatlichen Kassen. Das ist absurd und auch mit den enormen Leistungen des Staates nicht zu erklären. Diese hohe Schere zwischen Arbeitskosten und Nettolöhnen ist das zentrale Problem, das zu lösen bei der nächsten Steuerreform auch weitaus wichtiger wäre, als Unternehmensgewinne zu entlasten. Das geht aber nur, wenn der Einnahmenhunger des Staates gebremst wird, ohne die Qualität der angebotenen Leistungen zu schmälern.
Genau das sollte das gemeinsame Anliegen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sein. Ist es aber nicht. Stattdessen wird unermüdlich über kaputtgesparte Staatshaushalte und stagnierende Einkommen geklagt. Es gibt eben Meinungen, die sind aus der politischen Debatte kaum noch wegzudenken.
Kommentar von Franz Schellhorn im „profil“, 17.11.2018
Zusätzlich zu den Verteilungen der tatsächlichen Haushaltseinkommen zeigen die gepunkteten Linien die virtuellen Einkommen, wenn jeweils die gesparte Miete hinzugefügt wird.
Das gesamte Lohn- und Einkommensteueraufkommen wächst zwar stetig, aber das zuletzt nur dank einer schrumpfenden Gruppe. Wie eine Auswertung der Agenda Austria zeigt, hat der Anteil der Arbeitnehmer, die keine Einkommensteuer bezahlen, 2020 ihren neuen Höchststand erreicht (2020 sind die aktuellsten, verfügbaren Daten der Statistik Austria). War
Der beliebteste Lehrberuf ist bei Mädchen seit Jahren Einzelhandelskauffrau, bei den Burschen belegen Elektro, Metall- und Kraftfahrzeugtechnik die Spitzenplätze.
Sowohl die Lehrlingsstatistiken wie auch die Erhebungen in weiterführenden Schulen und Studiengängen zeigen klar, dass Mädchen weiterhin stark zu geistes- und sozialwissenschaftlichen Berufen tendieren, während technische Ausbildungen viel seltener in Erwägung gezogen werden.
Ein großer Teil der verbleibenden Lücke beim Sender Pay Gap ist historisch gewachsen und lässt sich durch Einkommensunterschiede zwischen den verschiedenen Branchen oder auch zwischen einzelnen Berufen erklären.
Ist der Gender Pay Gap in Österreich tatsächlich besonders groß, wie die internationale Definition vermuten lässt? Nein, denn hier gilt: The definition matters. Der Unterschied zwischen den Gehältern lässt sich nämlich zu einem großen Teil erklären – und zwar nicht mit Frauenfeindlichkeit, sondern mit Besonderheiten des heimischen Arbei
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
Lernen Sie uns kennen