Wie Österreich seinen Standort kaputtrepariert und was jetzt passieren muss.

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Damit die österreichische Wirtschaft wieder wachsen kann, ist Veränderung nötig. Das Stichwort lautet: schöpferische Zerstörung.

Österreich sandelt ab. Mal wieder. Im renommierten World Competitiveness Ranking des Schweizer Instituts IMD sind wir auf Platz 26 (von 69) abgesackt; 2021 standen wir immerhin noch auf Platz 19.[1] Würden nur Economic Performance und Government Efficiency bewertet, würden wir sogar auf dem traurigen 40. Platz landen. Dort steht derzeit Indonesien. 

Doch halt: Wer wird denn gleich wieder schlechte Stimmung verbreiten? Es müsste ja alles nicht so sein. Niemand zwingt uns, in den Wachstumstabellen immer weit unten zu stehen, bei der Verschuldung aber weit oben. Österreich ist ein gesegnetes Land. Die Flüsse stürzen sich von den Hängen und produzieren günstige Wasserkraft. Die Berge und Seen locken ausländische Touristen an, denen wir Jahr für Jahr Milliarden aus der Tasche ziehen. Unsere Forschungsleistung muss sich in der Welt nicht verstecken. Als EU-Mitglied verfügen wir über Zugang zu einem der größten Binnenmärkte der Erde. Mit diesen Voraussetzungen würde manches Land in kurzer Zeit zu einer zweiten Schweiz (Platz 1). Warum wir nicht? Was hält uns zurück? Ist es am Ende einfach nur die Trägheit einer satten Wohlstandsgesellschaft? 

Es gibt keinen falschen Zeitpunkt, sich diese Fragen zu stellen. Einen besseren als jetzt gibt es allerdings auch nicht. Jetzt, da sich Österreich auf absehbare Zeit mit einem prognostizierten Wirtschaftswachstum von etwa einem Prozent pro Jahr noch glücklich schätzen muss (vgl. Abbildung 1). Wo die öffentlichen Finanzen wie Kartenhäuser zusammenzufallen scheinen. Wo die Unternehmensgewinne, Investitionen und Exporte im freien Fall sind. Das Einzige, was noch zu steigen scheint, sind die Preise, die Staatsschulden und die Bürokratiebelastung. 
Es wird Zeit, den Wirtschaftsstandort ein bisschen zu zerstören. Aber richtig. 

Die schöpferische Zerstörung 

Einer Wohlstandsgesellschaft zu erklären, warum sie Wirtschaftswachstum braucht, ist manchmal gar nicht so leicht. Einfacher ist es bei Menschen, die noch Träume haben: ein Häuschen zum Beispiel oder eine ausgedehnte Weltreise. Es ist zutiefst menschlich, morgen mehr zu wollen als heute. Und damit die Realeinkommen steigen und die Träume erreichbar werden, muss die Wirtschaft florieren. Und nebenbei: Eine Gesellschaft, die Schulden hat bis ans Kinn, ist geradezu zu Wachstum verdammt, um die Schuldenquote im Zaum zu halten. 

Wachstum ist also eine nette Sache. Doch wenn Sie geglaubt haben, der Weg dorthin sei ein Spaziergang im Park, liegen Sie falsch. Wachstum kann manchmal (oder manchen) wehtun. Deshalb muss nun ein Ruck durch Österreich gehen. Dass die Zeit für Gemütlichkeit vorbei ist und vor allem die Industrie nicht länger am Althergebrachten festhalten darf, sagte erst vor kurzem auch die Top-Ökonomin Monika Schnitzer, die im deutschen Sachverständigenrat sitzt.[2] Die deutsche Wirtschaft fällt derzeit ebenfalls völlig auseinander. Und unsere mit ihr. 

Nun schwirren in der politischen Debatte gerade die tollsten Ideen herum. Subventionen zum Beispiel oder Transformationsfonds. Bevor wir uns an diesem reichhaltigen Menü an wirtschaftspolitischem Fallobst den Magen verderben, müssen wir uns kurz fragen: Woher kommt Wachstum eigentlich? Womit läuft der Motor einer entwickelten Volkswirtschaft?

Abb. 1: Anhaltend magere Wirtschaftsentwicklung

Die Antwort auf diese Frage halten uns die diesjährigen Ökonomie-Nobelpreisträger Philippe Aghion, Peter Howitt und Joel Mokyr vor Augen. Sie lautet: schöpferische Zerstörung. Der Begriff geht auf den österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter zurück. Für ihn war Wachstum kein friedlicher Prozess, sondern nackter Überlebenskampf. Neue Player drängen mit ihren Innovationen rasant in den Markt, zu langsame Wettbewerber scheiden aus – ihre Marktanteile werden zur Beute produktiverer Unternehmen. Eine Gesellschaft, die die schöpferische Zerstörung nicht zulässt, wird bald aufhören, sich weiterzuentwickeln. Nur Wettbewerb schmiedet produktive und innovative Unternehmen. No pain, no gain. 

Für Aghion und Howitt ist es die schöpferische Zerstörung, die den Wachstumsmotor antreibt.[3] Von außen betrachtet vibriert der Motor sanft, doch im Inneren kracht und stinkt es. Wettbewerb sortiert alle aus, die dem technischen Fortschritt im Weg stehen. Betriebe und ganze Berufe verschwinden. Joel Mokyr[4] schreibt, dass solche Veränderungen nie mit Jubel empfangen wurden. Man denke nur an die britischen Maschinenstürmer. Doch wäre die Welt ohne die Erfindung des mechanischen Webstuhls heute eine bessere? 

Schöpferische Zerstörung muss das zentrale Paradigma sein, von dem die Standortpolitik abgeleitet wird: Schöpfung muss gefördert, Zerstörung darf nicht verhindert werden. Das Alte gegen den Trend erhalten zu wollen, ist eine ganz schlechte Idee.

Das Mentalitätsproblem

Österreich versucht es trotzdem. Viele unserer Probleme sind das Resultat eines Mentalitätsproblems: Wir hängen am Alten und haben Angst vor dem Neuen. Sobald Unternehmen in die Bredouille geraten, eilt die Wirtschaftspolitik mit der Geldspritze zu Hilfe. Während der Corona-Pandemie und in der Inflationskrise floss das Geld in Strömen zu jenen Unternehmen, die am schlechtesten in der Lage waren, die Probleme zu verdauen. Die Stadt Wien kaufte sich sogar gleich selbst bei strauchelnden Unternehmen ein. Österreich war unter den ersten Ländern weltweit, die Anfang 2020 Hilfsprogramme auflegten, und gehörte zu den ganz wenigen, die bis Ende 2022 Geld regnen ließen.[5] Die österreichischen Staatshilfen waren so großzügig, dass jahrelang viel weniger Unternehmen Insolvenz anmelden mussten als normalerweise. Nicht nur bei den Schließungsraten lagen wir ganz weit hinten; bei der Unternehmensgründungsrate lagen wir drei Jahre lang sogar auf dem letzten Platz in der gesamten EU. Die Unternehmensfluktuation war 2023 so niedrig wie nirgendwo sonst (vgl. Abbildung 2). Schockstarre. „Move fast and break things“ lautet das Credo im Silicon Valley. „Don’t move! Things might break“ lautet unseres. 

Abb. 2: Wenig Dynamik in der österreichischen Wirtschaft

Auch das IMD attestiert uns übrigens ein Mentalitätsproblem. In der Rubrik Attitudes and Values landen wir zwischen Nigeria und der Mongolei auf Platz 53 (von 69). Gemessen wird dort die Anpassungsfähigkeit der Bevölkerung an Herausforderungen, ihre Einstellung zu Wettbewerb oder ob es ein Verständnis für ökonomischen und sozialen Reformbedarf gibt. 

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