Die österreichischen Löhne eilen davon. Aus der Rezession kommen wir aber nur heraus, wenn auch die Privathaushalte anfangen, sich an den Kosten der Misere zu beteiligen. Hoffentlich ist es dafür nicht schon zu spät.
Kaum irgendwo in Europa sind die Löhne in den letzten Jahren derart stark angestiegen wie in Österreich. Auch in diesem Jahr scharren die Gewerkschaften schon mit den Hufen. Doch der Spielraum ist weg. Steigende Reallöhne können nur von Produktivitätszuwächsen kommen; doch die fehlen schon seit Jahren. Sollen die Löhne trotzdem steigen, dann muss man sie, wie in den Vorjahren, aus den Gewinnen der Unternehmen herausschneiden. Doch das funktioniert nicht ewig; inzwischen fehlt auch dafür der Spielraum.
Nun haben alle führenden Ökonomen des Landes im Lichte der aktuellen Konjunkturprognosen für Lohnzurückhaltung geworben. Auch jene, die am Höhepunkt der Inflation noch für kräftige Lohnsteigerungen argumentierten, um die Kaufkraft zu stärken und damit den privaten Konsum anzukurbeln. Sie hätten (so wie wir von der Agenda Austria) schon viel früher für Lohnzurückhaltung eintreten sollen. Denn die Tariflöhne sind bis Ende 2025 schon fixiert. Und sie steigen weiterhin viel schneller als im Euroraum. Nachdem die österreichischen Tarifabschlüsse in den Jahren 2023 und 2024 um mehrere Prozentpunkte über dem Euroraum lagen, ist das Lohnwachstum nun zwar europaweit wieder deutlich zurückgegangen; dennoch werden unsere Löhne heuer an Weihnachten noch einmal um 3,7 Prozentpunkte höher sein als im Vorjahr;[1] im Euroraum werden es nur 1,6 Prozent sein. Mit der Lohnzurückhaltung könnte es also frühestens 2026 losgehen. Doch die über die Jahre aufgerissene Lücke zum Euroraum ist bereits gewaltig (vgl. Abbildung 1).
In der Theorie kann ein Unternehmer seinen Beschäftigten eigentlich nur aus zwei Gründen höhere Löhne zahlen:[2] Entweder weil die Beschäftigten mehr Produkte herstellen können als letztes Jahr – man nennt das: Produktivitätswachstum – und/oder weil die hergestellten Produkte sich teurer verkaufen lassen als im Vorjahr – man nennt das: Inflation. Schon dem alten Gewerkschaftsboss Anton Benya waren diese Zusammenhänge im Grunde klar. Die nach ihm benannte Formel, mit der er vom Berge Sinai herabstieg, meint genau das: Du sollst keinen Tarifabschluss dulden, der hinter der Summe aus Produktivitätswachstum und Inflation zurückbleibt.
Was bedeutet das nun in der Praxis? Lassen wir doch die Inflation gedanklich kurz beiseite. Dass die Preise bei uns heftig und stärker gestiegen sind als überall sonst in Westeuropa, ist hinlänglich bekannt. Interessanter ist aber die Produktivität. Durch die rollierende Inflation zieht die Benya-Formel ja nur die Nominallöhne nach oben; ein Effekt, von dem wir uns buchstäblich nichts kaufen können. Produktivitätszuwächse führen dagegen zu echten Reallohngewinnen, die die Kaufkraft der Beschäftigten steigern.
Doch die Entwicklung der österreichischen Arbeitsproduktivität pro Stunde hat sich seit Jahren immer weiter abgeflacht. Spätestens seit Corona geht gar nichts mehr. Das Problem der stagnierenden Stundenproduktivität haben wir zwar in Westeuropa nicht exklusiv, bei uns kommt aber ein zweiter Punkt hinzu: Wir arbeiten immer weniger. Zwar haben wir auch dieses (Wohlstands-)Phänomen nicht exklusiv, aber stärker ausgeprägt ist es bei uns allemal. Und wer pro Stunde nicht mehr schafft und dann auch noch weniger Stunden arbeiten will, der schafft pro Monat eben immer weniger und kann deshalb keinesfalls mehr Lohn erwarten. Die österreichische Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen geht am aktuellen Rand sogar steiler nach unten als in Deutschland oder der Eurozone insgesamt
(vgl. Abbildung 2).
Vom Produktivitätsteil der Benya-Formel ist also derzeit nicht sehr viel zu erwarten. Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) erwartet für 2025 ein Produktivitätswachstum von -0,5 Prozent pro Erwerbstätigen und -0,2 Prozent pro Stunde.[3] Relevanter ist zwar das langjährige Produktivitätswachstum, aber auch damit sieht es eben nicht viel besser aus. Tatsächlich überschießen die Löhne die Benya-Formel schon seit Jahren (vgl. Abbildung 3). Wer die Formel ernst nimmt, hätte schon lange viel moderatere Lohnabschlüsse verlangen müssen. Bei rückläufiger Produktivitätsentwicklung müssen die Tarifabschlüsse auch unterhalb der Inflationsrate liegen dürfen.
Fußnoten
Die Budgetrede, die das Land braucht – die Finanzminister Markus Marterbauer aber so nie halten wird.
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Im dritten Anlauf hat es nun also geklappt. Fünf Monate nach der 28. Nationalratswahl steht das erste Dreierbündnis im Bund. Wir wollen einen Blick hinter die Kulissen – oder genauer gesagt in das Regierungsprogramm – werfen. Hat sich das geduldige Warten gelohnt? Was ist aus den Wahlversprechen der Parteien geworden? Ist die neue Koalition b
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